VwGH vom 25.07.2002, 2002/07/0050
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des JU in E, vertreten durch Dr. Robert Steiner, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, Ortenburgerstraße 4, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom , Zl. -11-GSLG-50/9-2001, betreffend Übertretung des Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde V (ABB) vom wurde für verschiedene näher bezeichnete Liegenschaften ein landwirtschaftliches Bringungsrecht auf Grundstücken eingeräumt, die jetzt im Eigentum der Gattin des Beschwerdeführers stehen.
Mit Berufungsentscheidung des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung (LAS) vom wurde das Bringungsrecht in zeitlicher Hinsicht beschränkt und die Trasse geringfügig geändert.
Mit einem weiteren Bescheid der ABB vom wurde ein weiteres Bringungsrecht auf einem Grundstück der Gattin des Beschwerdeführers eingeräumt.
Zwischen der bringungsberechtigten GG und dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau kam es wiederholt zu Streitigkeiten wegen der Ausübung dieses Bringungsrechtes.
Am stellte GG bei der ABB den Antrag, die seinerzeit eingeräumte Bringungstrasse an Ort und Stelle auszupflocken, da die Nutzungsgrenzen und die Katastergrenzen zwischen Parzelle 72/2 und Parzelle 36 nicht übereinstimmten; Gleiches gelte für den Grenzverlauf zwischen den Parzellen 72/7 und 36.
Mit Ladungsbescheid vom wurde die Gattin des Beschwerdeführers zu einer mündlichen Verhandlung für geladen.
Dieser Ladungsbescheid führt als Betreff "Landw. Bringungsrecht S" und als zu bearbeitende Angelegenheit "vermessungstechnische Festlegung der Bringungstrasse" an.
Bei dieser mündlichen Verhandlung untersagte der Beschwerdeführer die Durchführung von Vermessungsarbeiten.
Mit Straferkenntnis der ABB vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am in der Zeit von 9.30 Uhr bis 10.40 in S, Gemeinde K in Kärnten, Organen der ABB untersagt, Vermessungsarbeiten auf den Grundstücken 36, 12/1, 12/2, 72/7, 67/2 und 72/2 der KG E zwecks Auszeigung einer behördlich festgelegten Bringungsrechtstrasse durchzuführen, und somit vorsätzlich die Behördenorgane gehindert, die gesetzlich eingeräumten Befugnisse auszuüben.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach den §§ 20 und 22 Abs. 1 lit. c des Kärntner Güter- und Seilwege-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 4/98 (K-GSLG), begangen.
Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 1.500,-- verhängt.
In der Begründung heißt es, nach § 20 K-GSLG seien die Organe der Agrarbehörde während eines Verfahrens berechtigt, im erforderlichen Umfang die für das Verfahren in Betracht kommenden Grundstücke zu betreten und auf diesen die für die Entscheidung notwendigen Arbeiten durchzuführen.
Im gegenständlichen Fall habe Frau G am den Antrag gestellt, die seinerzeit eingeräumte Bringungsrechtstrasse an Ort und Stelle auszuzeigen, da es in der Vergangenheit zwischen der Genannten als Bringungsberechtigter und den Eigentümern der belasteten Liegenschaften hinsichtlich der Trassenführung immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten gekommen sei.
Auf Grund dieses Antrages sei mit Ladung der ABB vom für in S eine mündliche Verhandlung anberaumt und als Verhandlungsgegenstand die vermessungstechnische Festlegung der Bringungsrechtstrasse genannt worden.
Anlässlich dieser Verhandlung habe der Beschwerdeführer den Organen der ABB das Betreten der im Eigentum seiner Familie stehenden Grundstücke untersagt. Durch dieses Verhalten anlässlich der Verhandlung vom habe der Beschwerdeführer somit die Organe der ABB gehindert, die im Sinne des § 20 K-GSLG eingeräumten Befugnisse auszuüben.
Der Beschwerdeführer berief.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung heißt es, in der Verhandlung vor der belangten Behörde habe Dipl.-Ing. H als Auskunftsperson über Befragen durch den Vorsitzenden angegeben, dass er zum fraglichen Zeitpunkt gemeinsam mit drei Mitarbeitern der ABB auf der Bringungsrechtstrasse Vermessungstätigkeiten durchführen habe wollen. Dieses Vorhaben sei einerseits durch ein Blockieren des Polygonpunktes mittels eines Traktors und andererseits durch die Besetzung von Grenzsteinen durch den Sohn des Beschwerdeführers vereitelt worden. Trotz eindringlichen Versuches, die Positionen frei zu machen, hätten die angesprochenen Personen von ihrem Unterfangen nicht Abstand genommen. Daraufhin habe sich die Delegation der ABB vom Areal wieder entfernt.
Der ebenfalls als Auskunftsperson geladene rechtskundige Sachbearbeiter der ABB habe über Befragen angegeben, dass er die Verhandlung anberaumt und geleitet habe. Bald nach Eintreffen am Verhandlungsort habe die Delegation feststellen müssen, dass einerseits der Polygonpunkt mit einem Traktor besetzt und andererseits auch die übrigen Grenzpunkte auf Grund der Besetzung nicht herangezogen hätten werden können. Nach heftiger Diskussion und grundsätzlichem Veto durch den Beschwerdeführer gegen jede Art der Vermessungstätigkeit sei nach etwa einer dreiviertel Stunde der Verhandlungsort wieder verlassen worden.
Die belangte Behörde gelange daher zum selben Ergebnis wie die ABB, dass nämlich der Beschwerdeführer dem § 20 K-GSLG zuwider gehandelt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, sein Verhalten könne aus mehreren Gründen nicht als Verwaltungsübertretung im Sinne der §§ 20 und 22 Abs. 1 lit. c K-GSLG eingestuft werden.
Zunächst gehe die belangte Behörde unrichtigerweise davon aus, dass Gegenstand der Verhandlung vom ein nach den Bestimmungen des K-GSLG anhängiges Verfahren gewesen sei. Von Frau GG sei das Auspflocken der seinerzeit eingeräumten Bringungsrechtstrasse an Ort und Stelle beantragt worden. Inhalt der für den anberaumten Verhandlung sollte hingegen laut Ladungsbescheid vom , der auf den Antrag der Frau GG nicht Bezug nehme, die vermessungstechnische Festlegung der Bringungsrechtstrasse "S" sein, sohin einer Trasse, die nicht nach vermessungstechnischen Gesichtspunkten, sondern nach einem in der Natur vorhandenen Weg festgelegt worden sei. Der Amtshandlung vom sei daher kein für den Beschwerdeführer erkennbares ordnungsgemäßes Verfahren zugrunde gelegen.
Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb es strafbar sein solle, dass der Beschwerdeführer Vermessungsarbeiten auf den Grundstücken 36, 12/1, 12/2, 72/7, 67/2 und 72/2 der KG E untersagt habe. An den Parzellen 36, 72/7 und 67/2 bestehe kein bescheidmäßig zuerkanntes Bringungsrecht. Das Grundstück 12/1 stehe weder im Eigentum des Beschwerdeführers noch seiner Gattin, sodass ihm hinsichtlich dieses Grundstückes keinerlei Entscheidungsbefugnisse zukomme und er sich eine solche auch nie angemaßt habe. Der Antrag von Frau GG nehme lediglich Bezug auf die Grundstücke 72/2, 72/7 und 36. Weshalb auch andere Grundstücke in den Bescheid aufgenommen worden seien, sei nicht nachvollziehbar.
Da in den der Festlegung der Bringungsrechtstrasse zugrunde liegenden Bescheiden die Trasse ausschließlich an Hand von in der Natur vorhandenen Merkmalen beschrieben und in keiner Weise auf Vermessungspunkte eingegangen werde, sei auch offensichtlich, dass die von der Behörde ins Auge gefasste Vermessung nicht einmal eine notwendige Arbeit im Sinne des § 20 K-GSLG dargestellt habe. Dies habe die ABB indirekt in der Folge auch selbst zugestanden, weil sie mit Schreiben vom die Gattin des Beschwerdeführers davon verständigt habe, dass von der ABB am die Bringungstrasse in der Natur an Hand von Stichmaßen mit dem Maßband ausgezeigt werde, wobei es zu keiner dauernden Verpflockung komme.
Dem Beschwerdeführer werde lediglich angelastet, die Durchführung von Vermessungsarbeiten untersagt zu haben. Das Untersagen allein könne aber nicht als Hindern im Sinne des § 20 K-GSLG qualifiziert werden.
Die Durchführung von Vermessungsarbeiten zur Überprüfung der Übereinstimmung von Katastergrenzen mit Naturgrenzen sei keinesfalls Aufgabe der ABB. Diesbezügliche Streitigkeiten seien den ordentlichen Gerichten vorbehalten.
Die Durchführung von Vermessungsarbeiten auf den im Strafbescheid näher bezeichneten Grundstücken sei für den Beschwerdeführer nicht notwendig gewesen, da diese Vermessungsarbeiten nicht für eine Projektsverfassung dienen sollten.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vor dem Eingehen in die Sache hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage zu beschäftigen, ob der Instanzenzug ausgeschöpft ist.
Nach § 1 Abs. 3 des Agrarbehördengesetzes 1950, BGBl. Nr. 1/1951 (AgrBehG 1950), ist zur Ausübung des Verwaltungsstrafrechtes in erster Instanz die Agrarbezirksbehörde zuständig. Über Berufungen entscheidet der Landesagrarsenat endgültig.
Nach Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt, in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , VfSlg. 14957 unter Berufung auf seine Vorjudikatur ausgesprochen, dass sich die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate im Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG von Verfassungs wegen auch ohne ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers ergibt und dass die entsprechende Rechtsschutzbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates von Verfassungs wegen sogar gegen Entscheidungen von Administrativbehörden besteht, die vom Gesetzgeber als "endgültig" bezeichnet wurden.
Dieses Ergebnis gewann der Verfassungsgerichtshof durch eine verfassungskonforme Auslegung einfachgesetzlicher Bestimmungen, welche diese als mit Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG im Einklang stehend erscheinen lässt.
Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, dessen Besonderheit darin besteht, dass die Zuständigkeitsregelung in Angelegenheiten der Bodenreform durch Art. 12 Abs. 2 B-VG umfassend, also unter Einschluss des Verwaltungsstrafrechts, den in dieser Verfassungsbestimmung genannten Behörden übertragen wird.
Eine verfassungskonforme Interpretation des § 1 Abs. 3 AgrBehG 1950 in dem Sinne, dass die dort angeordnete Endgültigkeit der Berufungsentscheidungen des Landesagrarsenates in Verwaltungsstrafsachen durch Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG überlagert werde, scheidet demnach aus, da die genannte Regelung des § 1 Abs. 3 AgrBehG 1950 ihrerseits auf einer entsprechenden Verfassungsbestimmung beruht.
Es stellt sich somit die Frage, in welchem Verhältnis die Verfassungsbestimmungen des Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG und des Art. 12 Abs. 2 leg. cit. zueinander stehen.
Art. 12 Abs. 2 B-VG enthält auf Grund des umfassenden, auch Verwaltungsstrafsachen einschließenden Begriffes der "Bodenreform" - wie Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG - Bestimmungen über die Zuständigkeit in Verwaltungsstrafsachen, stellt aber gegenüber der letzt genannten Verfassungsbestimmung die spezielle Verfassungsvorschrift dar, da sie auf ein bestimmtes Gebiet, nämlich die Bodenreform, zugeschnitten ist.
Thienel vertritt die Auffassung, aus dem Wortlaut des Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG ergebe sich, dass die Kompetenz von Administrativstrafbehörden, die auf Grund älterer einfachgesetzlicher oder verfassungsgesetzlicher Bestimmungen als Berufungsbehörden in Verwaltungsstrafsachen vorgesehen seien, grundsätzlich unberührt bliebe, das heißt, dass erst nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges der unabhängige Verwaltungssenat angerufen werden könne (Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 201).
Auf den vorliegenden Fall umgelegt würde dies bedeuten, dass die Berufungsentscheidung des LAS nicht unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden könnte, sondern dass zunächst der unabhängige Verwaltungssenat angerufen werden müsste.
In den Erläuterungen zur VStG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 358 (1090 Blg NR 17. GP), mit der die Bestimmungen des B-VG über die unabhängigen Verwaltungssenate in das VStG umgesetzt wurden, heißt es:
"Im Hinblick auf die umfassende Formulierung in Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG wird man weiters davon ausgehen müssen, dass die unabhängigen Verwaltungssenate vom Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 als Berufungsinstanz in Verwaltungsstrafsachen generell eingesetzt werden. Der vorliegende Entwurf geht daher davon aus, dass die Zuständigkeitsregelung sich auf sämtliche Verwaltungsstrafsachen erstreckt, sofern nicht spezielle bundesverfassungsgesetzliche Regelungen bestehen, wie z.B. in § 50 Abs. 5 des Datenschutzgesetzes."
Aus diesen Äußerungen in den Erläuterungen ist zu entnehmen, dass nach der Auffassung des Gesetzgebers der VStG-Novelle dem unabhängigen Verwaltungssenat dort keine Zuständigkeit zukommen soll, wo eine Berufungsbehörde in Strafsachen auf Grund einer älteren verfassungsgesetzlichen Vorschrift eingesetzt ist.
Nun handelt es sich allerdings bei diesen Erläuterungen um die Materialien zur VStG-Novelle 1990, nicht aber um jene zur B-VG-Novelle 1988, mit der Art. 129a B-VG in die Bundesverfassung eingefügt wurde. Diese Erläuterungen bringen daher nicht den Willen des Verfassungsgesetzgebers zum Ausdruck.
Sie beruhen allerdings auf einem - wenngleich nicht uneingeschränkten - Auslegungsgrundsatz, nämlich der Regel "lex posterior generalis non derogat legi priori speciali". Es könnte daher die Auffassung vertreten werden, dass zwischen Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG und älteren "speziellen Verfassungsbestimmungen", durch die andere Behörden als Berufungsbehörden eingesetzt werden, ein Konflikt besteht, der nach dem zitierten Grundsatz zugunsten der früheren Norm zu lösen ist.
Der Anwendung dieser Regel auf das Verhältnis von Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG und früheren verfassungsgesetzlichen Bestimmungen, die andere Behörden als die unabhängigen Verwaltungssenate als Berufungsbehörden in Verwaltungsstrafsachen vorsehen, hält Thienel (Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 199 f) zwei Argumente entgegen.
Zum einen meint er, die Auffassung, frühere verfassungsgesetzliche Regelungen über die Zuständigkeit von Berufungsbehörden in Verwaltungsstrafsachen würden durch Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht verdrängt, verkenne die normative Tragweite des Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG. Dieser sehe die Anrufung der unabhängigen Verwaltungssenate eben erst nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges vor und lasse daher die durch ältere Normen begründete Zuständigkeit anderer Administrativbehörden als Berufungsbehörden unberührt.
Weiters führt Thienel aus, der Grundsatz, dass die spätere generellere Norm der früheren spezielleren Norm nicht zu derogieren vermöge, gelte nicht ausnahmslos. Handle es sich nämlich bei dem späteren allgemeinen Gesetz um eine Kodifikation, also um eine auf möglichste Vollständigkeit angelegte Regelung eines bestimmten Rechtsgebietes, so sei nach herrschender Auffassung Derogation auch der früheren spezielleren Regelung anzunehmen. Schon der Wortlaut des B-VG - wonach die unabhängigen Verwaltungssenate zur "Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung" berufen werden - deute auf eine umfassende und abschließende Regelung der Kompetenzen der unabhängigen Verwaltungssenate. Dies ergebe sich auch bei systematischer Betrachtung aus Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG, der nur die - bundesverfassungsgesetzlich besonderen Behörden zugewiesenen - Finanzstrafsachen des Bundes von der Kompetenz der unabhängigen Verwaltungssenate ausnehme. Daraus sei der Umkehrschluss zu ziehen, dass in allen anderen Fällen die Kompetenz der unabhängigen Verwaltungssenate bestehe.
Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG nimmt zum einen Finanzstrafsachen des Bundes von der Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate aus und weist ihnen im Übrigen nur eine Zuständigkeit "in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen" zu, verwendet aber nicht den Ausdruck "in allen Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen".
Das lässt eine Deutung zu, dass Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG zwar jedenfalls Finanzstrafsachen des Bundes von der Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate ausschließen will, ohne dass gleichzeitig eine Entscheidung darüber getroffen ist, ob zwingend alle übrigen Verwaltungsstrafangelegenheiten den unabhängigen Verwaltungssenaten zugewiesen werden sollten.
Der Wortlaut des Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG lässt also mehrere Deutungen zu. Dass dieser Wortlaut in legistischer Hinsicht verunglückt ist, hat die Literatur in anderem Zusammenhang schon mehrfach hervorgehoben (vgl. Mayer, Unabhängige Verwaltungssenate in den Ländern, in: Walter:
Verfassungsänderungen 1988, 95, der davon spricht, dass man den Verfassungsgesetzgeber nicht beim Wort nehmen dürfe).
Eine bloße Wortinterpretation führt daher zu keinem zuverlässigen Ergebnis.
Art. 129a wurde in das B-VG durch die B-VG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685/1988, eingefügt.
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu dieser B-VG-Novelle (132 Blg. NR XVII. GP, 5) heißt es zu Art. 129a und zur Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate:
"Ausgeschlossen von der Zuständigkeit dieser Behörde sind die Finanzstrafsachen des Bundes, jene Angelegenheiten also, die nach dem Finanzstrafgesetz zu behandeln sind. Diese Sonderregelung für die Finanzstrafsachen empfiehlt sich deshalb, weil sich in diesem Rechtsbereich eine eigenständige Entwicklung vollzogen hat, und in dem in jüngster Zeit Maßnahmen getroffen wurden, um die Rechtslage den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention anzupassen. Es ist daher eine organisatorische Einbindung der Finanzstrafsachen in den Zuständigkeitsbereich der zu schaffenden unabhängigen Verwaltungsstrafbehörden weder organisatorisch zweckmäßig noch verfassungspolitisch geboten.
Der Entwurf geht ferner davon aus, dass Disziplinarangelegenheiten nicht unter den Begriff der 'Verwaltungsübertretungen' fallen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hin zu weisen, dass Disziplinarsachen in aller Regel von Kommissionen entschieden werden, von denen ein weiterer Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof und an den Verfassungsgerichthof zulässig ist. Diese Kommissionen können als 'Tribunal' im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention angesehen werden, womit eine eigenständige Organisation geschaffen ist, die die Behandlung von Disziplinarangelegenheiten in Übereinstimmung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention sicherstellt. Es besteht also auch unter diesem Gesichtspunkt keine Notwendigkeit, die Disziplinarsachen in den Zuständigkeitsbereich der zu schaffenden Verwaltungsstrafbehörden einzubeziehen."
Aus diesen Ausführungen ergibt sich die Absicht des Verfassungsgesetzgebers, Bereiche, in denen eine der MRK entsprechende Behörde (Tribunal) zur Entscheidung über Berufungen eingesetzt ist, von der Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate auszunehmen.
Die Ausführungen in den Erläuterungen über die eigenständige Entwicklung bei den Finanzstrafbehörden und deren Übereinstimmung mit der MRK, aus der die Erläuterungen folgern, dass es weder organisatorisch zweckmäßig noch verfassungspolitisch geboten sei, diesen Bereich in die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate zu überführen, treffen in vollem Umfang auch auf das Gebiet der Bodenreform und die dort tätigen Behörden zu.
Die Anführung lediglich der Finanzstrafsachen des Bundes erklärt sich daraus, dass es sich hiebei um eine wesentliche Materie handelt, die der Verfassungsgesetzgeber in eindeutiger Weise regeln wollte, während es sich bei den verbleibenden sonstigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen, die Verwaltungsstrafbehörden einrichten, nur um "Nebenschauplätze" handelt, die der Verfassungsgesetzgeber offenbar übersehen hat, ohne dass daraus der Schluss gezogen werden kann, dass der Verfassungsgesetzgeber gegen Entscheidungen solcher Behörden die Anrufbarkeit des unabhängigen Verwaltungssenates vorsehen wollte.
Aus der Bestimmung des Art. 129 B-VG, wonach zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und der Verwaltungsgerichtshof in Wien berufen sind, lässt sich kein Argument für eine alle Verwaltungsstrafsachen mit Ausnahme der Finanzstrafsachen des Bundes umfassende Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate gewinnen, da dieser Grundsatz vom Verfassungsgesetzgeber nicht annähernd verwirklicht ist. Die Textierung des Art. 129 B-VG ist daher irreführend (Mayer, Unabhängige Verwaltungssenate in den Ländern, in: Walter:
Verfassungsänderungen 1988, 85).
Es wäre auch ein Wertungswiderspruch, wenn der Verfassungsgesetzgeber ausgerechnet in einem Bereich, in welchem bereits eine Berufungsbehörde vorhanden ist, die Tribunalqualität im Sinne der MRK aufweist, verfassungsrechtlich einen dreistufigen Instanzenzug in Verwaltungsstrafangelegenheiten installiert hätte, während er für den weitaus überwiegenden Teil der Verwaltungsstrafsachen einen bloß zweigliedrigen Instanzenzug zulässt.
Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass gegen Entscheidungen von Berufungsbehörden in Verwaltungsstrafsachen, die durch spezielle verfassungsgesetzliche Bestimmungen MRKkonform eingerichtet sind, keine Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenats möglich ist (vgl. in diesem Sinn auch Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1044; Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren, Ergänzungsheft zum 2. Halbband, 8. Aufl., 36; BKA-VD in: Holzinger/Köhler, Verwaltungsverfahrensrecht, 394;
Köhler, JBl. 1991, 622, FN 9).
Daraus folgt, dass der Instanzenzug erschöpft und die
Beschwerde zulässig ist.
In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 22 Abs. 1 lit. c K-GSLG begeht eine
Verwaltungsübertretung, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig die Organe der Agrarbehörde oder die von ihr ermächtigten Personen hindert, die ihnen im § 20 eingeräumten Befugnisse auszuüben.
Nach § 20 K-GSLG sind während des Verfahrens die Organe der Agrarbehörde und die von ihr ermächtigten Personen berechtigt, im erforderlichen Umfang die für das Verfahren in Betracht kommenden Grundstücke zu betreten und auf diesen die für die Entscheidung notwendigen Arbeiten durchzuführen.
§ 20 K-GSLG setzt also die Anhängigkeit eines Verfahrens voraus.
Nach § 19 Abs. 1 lit. a K-GSLG entscheidet die Agrarbehörde - unbeschadet der in diesem Gesetz sonst vorgesehenen Zuständigkeiten - auf Antrag unter Ausschluss des Rechtsweges über Streitigkeiten, die den Bestand, den Inhalt, den Umfang und die Ausübung eines Bringungsrechtes betreffen.
GG hat mit Antrag vom bei der ABB die Auspflockung des ihr eingeräumten Bringungsrechtes begehrt, da die Nutzungsgrenzen und die Katastergrenzen nicht übereinstimmten.
Mit diesem Antrag wurde ein Verfahren nach § 19 Abs. 1 lit. a K-GSLG eingeleitet. Das Begehren stellt einen Antrag auf Entscheidung über den Inhalt, den Umfang und die Ausübung eines Bringungsrechtes dar.
In der Verhandlungskundmachung der ABB vom ist als Betreff "Landw. Bringungsrecht S" und als zu bearbeitende Angelegenheit "vermessungstechnische Festlegung der Bringungsrechtstrasse" angegeben.
Eine vermessungstechnische Feststellung der Bringungsrechtstrasse bewegt sich im Rahmen eines Verfahrens zur Entscheidung über Inhalt, Umfang und Ausübung eines Bringungsrechtes. Es trifft daher nicht zu, wenn der Beschwerdeführer meint, der Amtshandlung der ABB vom sei kein für ihn erkennbares ordnungsgemäßes Verfahren zugrunde gelegen.
§ 20 K-GSLG spricht von "notwendigen Arbeiten".
Unverständlich ist der Einwand des Beschwerdeführers, die beabsichtigten Vermessungsarbeiten seien deswegen nicht notwendig gewesen, weil in den Bescheiden über die Bringungsrechtseinräumung die Trasse ausschließlich an Hand von in der Natur vorhandenen Merkmalen beschrieben und in keiner Weise auf Vermessungspunkte eingegangen worden sei.
Das Bringungsrecht wird im Einräumungsbescheid durch die Bezeichnung der Grundstücke, auf denen es eingeräumt ist, und hinsichtlich seines Verlaufes durch Bezugnahme auf verschiedene Punkte umschrieben.
Dass eine Vermessung zur Klärung des ungenauen Verlaufes nichts beitragen könne, ist unzutreffend. Erst wenn klar ist, ob und inwieweit Naturgrenze und Katastergrenze auseinander fallen, kann in einem weiteren Schritt entschieden werden, wo das Bringungsrecht verläuft.
Inwiefern die Mitteilung der ABB vom an die Gattin des Beschwerdeführers, dass von der ABB am die Bringungstrasse in der Natur an Hand von Stichmaßen mit dem Maßband ausgezeigt werde, das indirekte Eingeständnis der ABB sein sollte, dass die Vermessungsarbeiten nicht notwendig seien, bleibt unerfindlich.
Tritt im Rahmen eines Verfahrens nach § 19 K-GSLG die Notwendigkeit von Vermessungsarbeiten zur Überprüfung der Übereinstimmung von Katastergrenze und Nutzungsgrenze auf, dann gehört diese Arbeit auch zu den Aufgaben der ABB und sind solche Streitigkeiten nicht den ordentlichen Gerichten vorbehalten.
Dass die Vermessungsarbeiten nicht für Projektserstellungen durchgeführt wurden, ist richtig, bringt aber für den Beschwerdeführer nichts, da die belangte Behörde ohnehin nie damit argumentiert hat, die Vermessungsarbeiten seien für solche Projektierungen erforderlich gewesen.
Der Beschwerdeführer macht aber auch geltend, eine bloße "Untersagung" stelle kein "Hindern" im Sinne des § 22 Abs. 1 lit. c K-GSLG dar. Im erstinstanzlichen Straferkenntnis würde ihm überdies die Behinderung von Vermessungsarbeiten in Bezug auf Grundstücke zur Last gelegt, die keinen Zusammenhang mit dem Bringungsrecht hätten sowie hinsichtlich von Grundstücken, die weder in seinem Eigentum noch im Eigentum seiner Gattin stünden.
Die belangte Behörde hat nicht begründet, warum die vom Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung als mit dem Bringungsrecht nicht im Zusammenhang stehend bezeichneten Grundstücke in die Strafverfolgung einbezogen wurden und inwiefern Vermessungsarbeiten auf diesen Grundstücken notwendig waren. Das K-GSLG stellt aber nur die Behinderung von "notwendigen" Arbeiten unter Strafsanktion.
§ 20 K-GSLG berechtigt die Organe der Agrarbehörde und die von ihr ermächtigten Personen, Grundstücke auch gegen den Willen des Eigentümers oder Besitzers zu betreten und die für die Entscheidung notwendigen Arbeiten durchzuführen. Eine andere Deutung dieser Vorschrift würde sie weit gehend ihres Sinnes berauben. Das Betreten von Grundstücken und die Durchführung von Arbeiten entgegen einer "Untersagung" durch den Grundeigentümer oder Besitzer kann daher für die Organe der Agrarbehörde oder die von ihr ermächtigten Personen keinerlei rechtliche Folgen nach sich ziehen. Die bloße Untersagung ist wirkungslos. Dies gilt umso mehr für eine bloße Untersagung durch eine dritte Person, die keinerlei Verfügungsmacht über die Grundstücke hat, wie dies der Beschwerdeführer im Hinblick auf die im erstinstanzlichen Straferkenntnis angeführten Grundstücke behauptet.
Anders wäre es, wenn die Untersagung unter Umständen abgegeben würde, die eine (rechtswidrige) Durchsetzung dieser Untersagung befürchten ließen, wie etwa Drohungen, sodass den Organen der Agrarbehörde die Durchführung der Arbeiten entgegen dem erklärten Willen des Untersagenden unzumutbar wäre. Dazu aber fehlen Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Dessen Begründung reicht daher nicht aus, um darzutun, dass die Untersagung durch den Beschwerdeführer ein "Hindern" im Sinne des § 20 K-GSLG war.
Der angefochtene Bescheid enthält zwar Aussagen von Auskunftspersonen, denen zufolge die Durchführung der Vermessung nicht möglich war, weil der Polygonpunkt und andere Punkte besetzt waren und daher nicht zur Vermessung herangezogen werden konnten. Diese Besetzung der genannten Punkte scheint aber nach dem Inhalt des Aktes schon vor der Untersagung der Vermessung durch den Beschwerdeführer von dessen Sohn vorgenommen worden und nicht erst die Folge der Untersagung gewesen zu sein. Ein vom Beschwerdeführer zu verantwortender Zusammenhang zwischen seiner Untersagung der Vermessung und der Grenzpunktblockade durch seinen Sohn in der Weise, dass die Herbeiführung oder Aufrechterhaltung dieser Blockade die Folge dieser Untersagung gewesen sei und dass (und warum) dies vom Beschwerdeführer zu verantworten sei, ist nicht ersichtlich. Vielmehr scheint die Untersagung auch deswegen ins Leere gegangen zu sein, weil die Durchführung der Vermessung durch die Aktion des Sohnes des Beschwerdeführers schon vor der Untersagung nicht möglich war.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am