VwGH vom 30.01.1996, 93/11/0088
Betreff
Der VwGH hat über die Beschwerde des (am geborenen) F in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des LH von OÖ 1. vom , Zl. Ge-52.532/7-1992/Pan/Li eo. (hg. Zl. 93/11/0088), 2. vom , Zl. Ge-52.749/3-1992/Pan/Neu e.o. (hg. Zl. 93/11/0089), 3. vom , Zl. Ge-52.748/4-1992/Pan/Neu e.o. (hg. Zl. 93/11/0090), und
4. vom , Zl. Ge-52.745/4-1992/Pan/Neu e.o. (hg. Zl. 93/11/0091), jeweils betr Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 13.670,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer der S. Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß drei namentlich genannte Arbeitnehmer (Lenker) dieser Gesellschaft zu im einzelnen bezeichneten Zeiten zwischen März und Juni 1990 die höchstzulässige Einsatzzeit von 14 Stunden und die höchstzulässige Lenkzeit von acht Stunden im näher umschriebenen Ausmaß überschritten hätten und daß ihnen nicht mindestens zehn Stunden Ruhezeit gewährt worden sei. Über den Beschwerdeführer wurden deshalb wegen insgesamt neun Übertretungen (je drei Übertretungen der §§ 16, 14 und 12 Arbeitszeitgesetz - AZG) Geldstrafen in der Höhe zwischen S 500,-- und S 3.000,-- verhängt.
Mit den im Instanzenzug ergangenen, oben unter 2. und 3. bezeichneten Bescheiden wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer der F. Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß zwei namentlich genannte Arbeitnehmer (Lenker) dieser Gesellschaft zu im einzelnen bezeichneten Zeiten im Mai und Juni 1990 (zweitangefochtener Bescheid) bzw. im April 1990 (drittangefochtener Bescheid) die höchstzulässige Einsatzzeit von 14 Stunden und die höchstzulässige Lenkzeit von acht Stunden im näher umschriebenen Ausmaß überschritten hätten und daß ihnen nicht mindestens zehn Stunden Ruhezeit gewährt worden sei. Über den Beschwerdeführer wurden in jedem der beiden Bescheide wegen je einer Übertretung des § 16, des § 14 und des § 12 AZG Geldstrafen in der Höhe zwischen S 500,-- und S 3.000,-- verhängt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen viertangefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer der F. Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß ein namentlich genannter Arbeitnehmer (Lenker) dieser Gesellschaft zu im einzelnen bezeichneten Zeiten im Mai 1990 die höchstzulässige Einsatzzeit von 14 Stunden und die höchstzulässige Lenkzeit von acht Stunden im näher umschriebenen Ausmaß überschritten habe. Deshalb wurden über den Beschwerdeführer wegen je einer Übertretung des § 16 und des § 14 AZG Geldstrafen in der Höhe von je S 3.000,-- verhängt.
In der Begründung dieser Bescheide führte die belangte Behörde - soweit dies für das vorliegende Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist - im wesentlichen aus, die Verwirklichung der objektiven Tatbestände werde nicht bestritten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffe lediglich die subjektive Tatseite. Der Beschwerdeführer habe keine Maßnahmen getroffen, die mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erwarten ließen. Er habe Anweisungen zur Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen erteilt, deren Einhaltung jedoch nur unzulänglich überprüft. Der Beschwerdeführer hätte durch Androhung disziplinärer Maßnahmen die Einhaltung der erteilten Weisungen sicherstellen müssen, damit die Arbeitnehmer freiwillig und pünktlich die Tachographenblätter und Fahrtenbücher abgeben und sich nicht der Kontrolle entziehen. Eine Kündigung eines Arbeitnehmers sei keine geeignete Maßnahme, um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu gewährleisten. Der Beschwerdeführer hätte konkret darlegen müssen, in welcher Weise er ein Kontrollsystem in den von ihm geleiteten Betrieben eingerichtet habe. Nur dann wäre die Beurteilung möglich gewesen, ob dieses wirksam sei. Der Beschwerdeführer habe daher nicht glaubhaft gemacht, daß ihn kein Verschulden treffe.
Die Vernehmung der vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen P. und F. sei entbehrlich gewesen, weil für die gegenständlichen Übertretungen nur die Aussagen der betroffenen LKW-Lenker von Bedeutung gewesen sei. Außerdem habe der Beschwerdeführer diese Zeugenaussagen zum Nachweis für die von ihm erteilten Anweisungen ins Treffen geführt. Da die Erteilung der Anweisungen ohnedies nicht in Zweifel gezogen werde, seien die Zeugenvernehmungen nicht erforderlich gewesen.
In der Begründung des zweit-, dritt- und viertangefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde zusätzlich ausgeführt, aus den Ermittlungsergebnissen habe sich ergeben, daß sich die vom Beschwerdeführer behauptete Nichtablieferung von Fahrtenbüchern und Tachographenblättern nur auf bei der S. Gesellschaft m.b.H. beschäftigte Lenker bezogen habe, nicht aber auf Lenker, die bei der F. Gesellschaft m.b.H. beschäftigt gewesen seien. Eine allfällige gegenteilige Aussage des Zeugen F. wäre unglaubwürdig gewesen. Soweit dieser Zeuge die Kündigung eines Lenkers hätte bestätigen sollen, sei das Beweismittel unbeachtlich, weil nach der Rechtsprechung eine Kündigung keine geeignete Maßnahme zur Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen sei. Der Beschwerdeführer habe die Fahrteinteilung nicht im Detail, sondern nur oberflächlich vorgenommen, und kein wirksames Kontrollsystem eingerichtet. Damit sei auch die subjektive Tatseite als erwiesen anzunehmen.
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom , B 1833-1836/92-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Beschwerdeführer machte in der Beschwerdeergänzung Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide geltend und beantragt aus diesen Gründen die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die belangte Behörde hat hinsichtlich aller vier angefochtenen Bescheide die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer vertritt im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, er habe im Verwaltungsstrafverfahren die Einrichtung eines entsprechenden Maßnahmen- und Kontrollsystems in den von ihm geleiteten Unternehmen glaubhaft gemacht. Das Lohnsystem habe keinen Anreiz zur Verletzung von Arbeitszeitvorschriften geboten, die Fahrtenbücher und Tachoscheiben seien wöchentlich abzugeben gewesen, die Kontrolle von Fahrtenbuch und Tachoscheibe sei durchgeführt worden, die Disponenten hätten ordnungsgemäß disponiert, um die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zu gewährleisten, eine Kontrolle sei durchgeführt worden, bei geringfügigen Überschreitungen seien die Fahrer darauf hingewiesen worden und bei Nichtbeachtung Maßnahmen wie Kündigungen getroffen worden. Das Unterbleiben der Vernehmung des Zeugen F. stelle einen Verfahrensmangel dar; im vorhinein dürfe seine Aussage nicht als unglaubwürdig bezeichnet werden. Die ergänzende Vernehmung des Zeugen L. sei nicht erfolgt. Die Zeugen A. und H. seien nicht gefragt worden, ob die Kontrolle ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und ob sie auf die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften hingewiesen worden seien. Die Aussage des Zeugen L., daß er in der zweiten Hälfte des Jahres 1990 wieder von der Firmenleitung darauf hingewiesen worden sei, sämtliche Bestimmungen einzuhalten, sei in den anderen Verfahren nicht berücksichtigt worden.
Bei der Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles ist davon auszugehen, daß es sich bei den in den angefochtenen Bescheiden dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes um sogenannte Ungehorsamsdelikte handelt, bei denen zufolge § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG Fahrlässigkeit anzunehmen ist, sofern der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Um sein mangelndes Verschulden im Sinne dieser Bestimmung glaubhaft zu machen, hätte der Beschwerdeführer konkrete Tatsachen vorbringen müssen, aus denen sich ergibt, daß er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um in den von ihm geleiteten Unternehmen die Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu vermeiden. Dazu gehört insbesondere die Errichtung eines Maßnahmen- und Kontrollsystems, das unter vorhersehbaren Umständen die Einhaltung unter anderem der Bestimmungen des AZG gewährleistet. Das Vorbringen hat insbesondere Behauptungen zu enthalten, wie das Maßnahmen- und Kontrollsystem konkret funktionieren soll. Die Erteilung von Weisungen reicht nicht aus, um unter vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten zu können. Ein wirksames Kontrollsystem bedarf insbesondere der Überwachung der erteilten Weisungen auf ihre Befolgung (siehe dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 91/19/0086, vom , Zl. 91/19/0247, und vom , Zl. 91/19/0225). In diesem Sinne hatten nicht nur die Disponenten den Fahrern erfüllbare Aufträge und entsprechende Anweisungen zu erteilen, sondern es mußte auch der Beschwerdeführer kontrollieren, ob die Disponenten ihren diesbezüglichen Aufgaben nachkommen. Gerade im Hinblick auf die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Beschwerdeführers und die häufigen, innerhalb kurzer Zeit erfolgten, ihm in den angefochtenen Bescheiden angelasteten Verstöße gegen Vorschriften des AZG wäre es an ihm gelegen, konkret in jedem Einzelfall darzutun, wie es trotz angeblich ordnungsgemäßer Disposition und Kontrolle zu den zahlreichen Verstößen habe kommen können und in welcher Weise der Beschwerdeführer die ordnungsgemäße Disposition, insbesondere die Fahrteinteilung, kontrolliert habe. Die beantragte Vernehmung des Zeugen F. war nicht geeignet, derartiges Vorbringen des Beschwerdeführers zu ersetzen, sodaß insoweit im Unterbleiben seiner Vernehmung kein Verfahrensmangel gelegen ist. Dasselbe gilt für die vom Beschwerdeführer vermißte (neuerliche) Vernehmung der Fahrer H. und A. Aus der durch den Zeugen L. unter Beweis zu stellenden Tatsache, daß dieser in der zweiten Hälfte des Jahres 1990 auf die genaue Einhaltung sämtlicher Bestimmungen hingewiesen worden sei, ist für den vorliegenden Beschwerdefall schon aufgrund der Tatzeiten nichts zu gewinnen. Der Beschwerdeführer hat somit sein mangelndes Verschulden nicht glaubhaft gemacht.
Im übrigen steht die Behauptung des Beschwerdeführers, die Kontrolle sei nicht möglich gewesen, weil die Fahrer die Tachoscheiben und Fahrtenbücher nicht abgegeben hätten, mit der Tatsache nicht im Einklang, daß das Arbeitsinspektorat die Anzeigen auf die Tachographenblätter gestützt hat. Nach den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen hat es eine Verzögerung in der Ablieferung der Tachographenscheiben nur hinsichtlich des bei der S. Gesellschaft m.b.H. beschäftigt gewesenen Fahrers Li. gegeben, hinsichtlich dessen Tätigkeit dem Beschwerdeführer in den angefochtenen Bescheiden keine Verletzung von Arbeitszeitvorschriften angelastet wird. Soweit die belangte Behörde im zweit-, dritt- und viertangefochtenen Bescheid ausgeführt hat, eine Aussage des Zeugen F. in der Richtung, daß auch Fahrer der F. Gesellschaft m.b.H. Fahrtenbücher und Tachoscheiben nicht abgeliefert hätten, wäre nicht glaubwürdig gewesen, handelt es sich dabei um eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung betreffend eine noch nicht abgelegte Zeugenaussage, doch ist diese verfehlte Begründung für den Verfahrensausgang nicht von Relevanz, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gar nicht vorgebracht hat, sämtliche Fahrer beider Gesellschaften hätten sich der Kontrolle durch Nichtabgabe der Tachoscheiben und Fahrtenbücher entzogen. In den Berufungen behauptete er bloß, daß dies bei einigen Dienstnehmern der Fall gewesen sei. Die Aussage der als Zeugen vernommenen Fahrer standen demnach mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, welches durch die Aussage des Zeugen F. allenfalls hätte bestätigt werden können, nicht im Widerspruch. Die in der Beschwerde enthaltene Behauptung, es habe einen "Aufstand der Dienstnehmer" beider Gesellschaften gegeben, stellt sich nach dem Gesagten als im Grunde des § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung dar. Der im erstangefochtenen Bescheid genannte Fahrer G. wurde mit Schreiben vom unter Einhaltung der Bestimmungen des Kollektivvertrages gekündigt. Ein Grund für die Beendigung des Dienstverhältnisses ergibt sich aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Kündigungsschreiben nicht. Die in der Berufung aufgestellte Behauptung, nach der Kündigung hätten die übrigen Dienstnehmer die Dispositionen befolgt, und es habe in der Folge keine Arbeitszeitüberschreitungen gegeben, steht mit der Tatsache im Widerspruch, daß - abgesehen von den den Fahrer G. betreffenden Übertretungen - alle anderen in den angefochten Bescheiden dem Beschwerdeführer angelasteten Verstöße gegen das AZG erst nach der Kündigung des Fahrers G. begangen worden sind.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - soweit sie das Verfahren hinsichtlich des zweit- bis viertangefochtenen Bescheides betrifft, im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.