VwGH vom 25.06.1996, 96/05/0023
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des O in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MD-VfR - F 29/94, betreffend einen Antrag nach dem Stadterneuerungsgesetz und einen Devolutionsantrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Bescheidspruches I wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.532,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom hat der Beschwerdeführer den Antrag auf Ausnehmung von Assanierungsmaßnahmen für die Liegenschaft in Wien, D-Gasse 32, gestellt. Er führte aus, daß dieses Haus ausschließlich aus Standardwohnungen bestehe und auch in Zukunft wie in den vergangenen Jahren sowohl das Haus als auch die einzelnen Wohnungen verbessert würden; er ersuche daher, diese Liegenschaft im Sinne des § 7 Abs. 2 des Stadterneuerungsgesetzes (StEG) sowohl von konkreten Assanierungsmaßnahmen sowie von den Zwangsinstrumenten wie Anbotspflicht, Genehmigungspflicht etc. auszunehmen und die Löschung der entsprechenden Eintragung im Grundbuch zu veranlassen.
Mit Bescheid vom hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, gemäß § 7 Abs. 2 des StEG festgestellt, daß hinsichtlich der auf der gegenständlichen Liegenschaft errichteten Baulichkeit die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 2 lit. d StEG für die Ausnahme von Assanierungsmaßnahmen vorliegen. Dies wurde damit begründet, daß das gegenständliche Bauwerk im Jahre 1877 baubehördlich bewilligt worden sei, lediglich geringfügige Erhaltungsmängel im Bereich der Fassaden und Fenster aufweise, sämtliche Wohnungen WC und Wasserentnahmestellen beinhalteten, sowohl straßen- als auch hofseitig ausreichende Belichtungsverhältnisse bestünden, das zulässige Maß der baulichen Nutzung, das durch den Gemeinderatsbeschluß vom mit Plandokument 4840 festgesetzt worden sei, von der Baulichkeit nicht überschritten werde, keine städtebaulichen Mißstände, die den gesamten Baublock beträfen, gegeben seien, und die Assanierung anderer Liegenschaften durch die Baulichkeit nicht beeinträchtigt werde. Die Entscheidung beruhe auf den positiven Stellungnahmen der Magistratsabteilungen 37, 21, 25 und 69. Da nach den getroffenen Feststellungen ein städtebaulicher Mißstand im Sinne des § 6 des StEG nicht vorliege, sei auch keine Assanierungsbedürftigkeit gemäß § 7 Abs. 2 lit. d leg. cit. gegeben. In einem Hinweis wurde ausgeführt, daß ungeachtet dieses Bescheides im Falle eines beabsichtigten Verkaufes des Grundstückes oder von Teilen desselben dieses gemäß § 8 StEG vorher der Gemeinde zum Kauf anzubieten sei, es bedürfe die Übertragung des Eigentumes, die Einräumung eines Baurechtes und eines Fruchtgenußrechtes durch Rechtsgeschäft unter Lebenden gemäß § 9 leg. cit. der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer die Berufung ein, mit der er den erstinstanzlichen Bescheid lediglich insofern bekämpfte, als festgestellt wurde, daß hinsichtlich der auf der Liegenschaft Wien, D-Gasse 32, errichteten Baulichkeit die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 2 lit. d leg. cit. für die Ausnahme von Assanierungsmaßnahmen vorlägen, anstelle, wie beantragt, daß die gegenständliche Liegenschaft von den Assanierungsmaßnahmen nach dem StEG ausgenommen sei. Der Antragsteller habe die Feststellung begehrt, daß die verfahrensgegenständliche Liegenschaft von diesen Assanierungsmaßnahmen ausgenommen sei, über diesen Antrag habe die Behörde erster Instanz nicht entschieden, sondern lediglich festgestellt, daß hinsichtlich des auf der antragsgegenständlichen Liegenschaft errichteten Gebäudes die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 2 lit. d des StEG vorlägen. Es sei sohin von der Behörde erster Instanz nur die Vorfrage bejaht worden, über den eigentlichen Antrag sei bislang nicht entschieden worden. Es werde daher der Antrag auf Abänderung des bekämpften Bescheides dahingehend gestellt, daß festgestellt werde, daß die antragsgegenständliche Liegenschaft bzw. die darauf errichteten Baulichkeiten zur Gänze von der Anwendung von Maßnahmen nach den Bestimmungen des StEG ausgenommen werde, in eventu auf Rückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung. Sollte die Berufungsbehörde jedoch zur Ansicht gelangen, daß über den gestellten Antrag bislang nicht zur Gänze entschieden worden sei, werde der Antrag auf Übergang der Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gemäß § 73 AVG gestellt.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom wurde unter I. die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Magistratsabteilung 64 vom abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Unter II. wurde der Antrag des Beschwerdeführers, insoweit er darauf gerichtet war, die oben angeführte Liegenschaft zur Gänze von der Anwendung von Maßnahmen nach dem StEG auszunehmen, gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. in Verbindung mit § 73 AVG zurückgewiesen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Behörde erster Instanz habe das Begehren des Beschwerdeführers als Antrag gemäß § 7 Abs. 2 StEG gewertet und nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 7 Abs. 3 leg. cit. ausgesprochen, daß hinsichtlich der auf der oben genannten Liegenschaft errichteten Baulichkeit die Voraussetzung nach § 7 Abs. 2 lit. d StEG für Ausnahmen von Assanierungsmaßnahmen vorlägen. Soweit der Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht geltend mache und begehre, die Oberbehörde möge feststellen, daß die antragsgegenständliche Liegenschaft bzw. die darauf errichteten Baulichkeiten zur Gänze von der Anwendung von Maßnahmen nach den Bestimmungen des StEG ausgenommen werde, sei festzustellen, daß aus dem Zusammenhang des § 1 Abs. 1 zweiter Satz im Zusammenhalt mit § 5 StEG erkennbar sei, daß hinsichtlich der Erlassung einer Verordnung, mit welcher einzelne Liegenschaften sowie Baulichkeiten von der Anwendung von Maßnahmen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen würden, nur derjenige antragsberechtigt sein könne, der berechtigt sei, den Antrag auf Erlassung einer Verordnung, mit der ein Gemeindegebiet oder ein Teil eines Gemeindegebietes zum Assanierungsgebiet erklärt wird, zu stellen. Ein solches Antragsrecht komme nach § 5 Abs. 1 StEG nur der Gemeinde oder mehr als der Hälfte der Eigentümer des in Frage kommenden Gebietes, denen zusammen mehr als die Hälfte der Fläche der für ein Assanierungsvorhaben erforderlichen, innerhalb des Assanierungsgebietes (§ 1 Abs. 1) gelegenen Grundstücke gehöre, zu. Soweit der Antragsteller begehre, seine Liegenschaft zur Gänze von den Bestimmungen des StEG auszunehmen und sohin ein Begehren im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. stelle, sei daher der diesbezügliche Antrag zurückzuweisen gewesen. Abgesehen davon könnte eine solche Ausnahme nur durch einen generellen, auf der Stufe einer Verordnung stehenden Verwaltungsakt verfügt werden, es käme die Erledigung eines auf die Erlassung einer Verordnung nach § 1 Abs. 1 StEG abzielenden Antrages durch einen Bescheid nicht in Betracht.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom , B 489/95-6, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerde, die den normativen Sinn des bekämpften Feststellungsbescheides mißverstehe, rüge die Verletzung des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentumes. Dazu wurde auf einen dieser Erledigung beigeschlossenen Beschluß des Verfassungsgerichtshofes, ebenfalls vom , B 2285/94, G 275/94, V 247/94, verwiesen. In diesem Beschluß hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, da für eine - andere - Liegenschaft die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 lit. d StEG zuträfen, sei diese ex lege von den Assanierungsmaßnahmen nach dem StEG ausgenommen. Diese Ausnahmen bezögen sich - entgegen dem (auch im damaligen Verfahren angebrachten) rechtsirrigen Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid - auf alle ansonsten in Stadterneuerungsgebieten zulässigen Zwangsmittel.
In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes, die dieser in seinem Beschluß vom , B 2285/94-6, G 275/94-6, V 247/94-6, geäußert hat, wonach dann, wenn bescheidmäßig festgestellt wurde, daß die Voraussetzung des § 7 Abs. 2 lit. d StEG zutrifft, die gegenständliche Liegenschaft ex lege von den Assanierungsmaßnahmen nach dem StEG ausgenommen ist und sich diese Ausnahmen entgegen dem rechtsirrigen Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid auf alle ansonsten in Stadterneuerungsgebieten zulässigen Zwangsmittel beziehen, also auch auf die vom Beschwerdeführer angesprochene Anbots- und Genehmigungspflicht. Dies ist aus § 7 Abs. 2 leg. cit. schon deshalb abzuleiten, weil er sowohl im ersten als auch im zweiten Satz ohne jede Differenzierung von "den Assanierungsmaßnahmen nach diesem Bundesgesetz" spricht, von denen unter anderem die in § 7 Abs. 2 lit. d leg. cit. genannten Grundstücke - wie dies für das verfahrensgegenständliche Grundstück ausgesprochen wurde - ausgenommen sind.
Dem Antrag, auszusprechen, daß sich die Ausnahmen von den Assanierungsmaßnahmen auch auf alle ansonsten in Stadterneuerungsgebieten zulässigen Zwangsmittel, wie Anbotspflicht usw. beziehen, hat aber die Behörde erster Instanz nicht entsprochen, vielmehr hat sie, wie aus ihrer im Hinweis dargelegten rechtswidrigen Ansicht hervorgeht, die Meinung vertreten, daß die Liegenschaft des Beschwerdeführers von den übrigen Zwangsmitteln, wie Anbotspflicht usw., nicht ausgenommen ist. Materiell wurde dem Ansuchen somit nur teilweise entsprochen und teilweise wurde es abgewiesen. Diese irrige Rechtsansicht hat die belangte Behörde, die ja den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte, geteilt und damit den angefochtenen Bescheid in seinem Spruchpunkt I mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Es stellt sich auch als rechtswidrig dar, über einen Antrag gemäß § 7 Abs. 3 StEG nur teilweise in bezug auf bestimmte Assanierungsmaßnahmen abzusprechen.
Die belangte Behörde hat aber im Ergebnis zurecht den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 73 AVG zurückgewiesen, da die vom Beschwerdeführer ausdrücklich begehrten Feststellungen obsolet sind, weil sich die Ausnahme ex lege auf alle anderen Zwangsmittel bezieht.
Der Bescheid war daher in seinem Punkt I mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.