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VwGH vom 15.10.1996, 96/05/0003

VwGH vom 15.10.1996, 96/05/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des J in T, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR - 011580/1 - 1995 Gr/Vi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Allgemeiner Sportverein T, vertreten durch den Obmann R, 3. Turn- und Sportunion T, vertreten durch den Obmann C), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom beantragten die mitbeteiligten Vereine Turn- und Sportunion T und der Allgemeine Sportverein T (ursprünglich aufgetreten als "Tennisspielgemeinschaft-T") die Erteilung der Baubewilligung für eine Flutlichtanlage für zwei Tennisfelder auf dem Grundstück Nr. 126/1 der Liegenschaft EZ 279, KG S. Dieses der Gemeinde T gehörige Grundstück weist die Widmung "Erholungsflächen Sport und Spielflächen" aus. Auf dem Grundstück befinden sich weiters ein Fußballplatz und Asphaltbahnen zum Stockschießen.

Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß das dem Beschwerdeführer gehörige Grundstück H-Berg 1 rund 200 m von den vorerwähnten Tennisplätzen entfernt ist. Die über Auftrag der Baubehörde erster Instanz im Zuge einer Vorprüfung zur Feststellung der Parteistellung beim Wohnhaus des Beschwerdeführers durchgeführten Lärmmessungen des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Unterabteilung Lärm- und Strahlenschutz, vom ergaben einen Grundgeräuschpegel im Freien am Tag von 35 dB und am Abend von 18.00 bis 22.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 6.00 bis 22.00 Uhr einen Grundgeräuschpegel von 30 dB. Vom Tennisbetrieb waren einzelne Spitzen des Schlaggeräusches subjektiv wahrnehmbar und meßtechnisch erfaßbar (maximal 48 dB).

In der mündlichen Verhandlung vom erhob der Beschwerdeführer, welcher zur Verhandlung nicht persönlich geladen war, Einwendungen wegen ungebührlicher Lärmerregung durch das beantragte Bauvorhaben, welches ihn in seinem Wohlbefinden und in seiner Gesundheit beeinträchtige. Die Besonderheit des "Tennislärms" liege darin, daß er nicht als gleichmäßiges Geräusch auftrete, sondern als ein in unregelmäßigen Intervallen auftretendes dumpfes Schlaggeräusch. Diese Geräusche würden nun bei Flutlichtbetrieb in den Abendstunden, wenn der Beschwerdeführer sein Haus und seinen Garten intensivst für Ruhe und Erholung nutze, entstehen.

Der beigezogene medizinische Sachverständige Dr. K führte in seinem Gutachten vom aus, eine Gesundheitsgefährdung der 200 m entfernt wohnenden Anrainer bestehe durch die zu bewilligende Flutlichtanlage nicht. Eine bis 22.00 Uhr in Betrieb befindliche Flutlichtanlage stelle auch keine unzumutbare Lärmbelästigung für einen normal empfindenden Durchschnittsmenschen dar, da diese zu einer Jahres- und Tageszeit in Betrieb genommen werde, in der üblicherweise Türen und Fenster geschlossen seien und der Fernsehapparat in Betrieb sei. Die Ballgeräusche befänden sich im mittleren Frequenzbereich und hätten insbesondere auf eine Entfernung von ca. 200 m keinen störenden Einfluß.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom wurde die beantragte Baubewilligung für die Errichtung einer Flutlichtanlage für zwei Tennisfelder unter Auflagen erteilt. Der Betrieb der Tennisanlage wurde für die Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr festgelegt. Über die Einwendungen des Beschwerdeführers wurde nicht abgesprochen. Eine Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom teilte der Bürgermeister der erstmitbeteiligten Partei dem Beschwerdeführer mit, daß ihm eine Parteistellung im Verfahren nicht zukomme.

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer die Zustellung des Bescheides der Baubehörde erster Instanz vom .

Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 AVG i.V.m. § 46 Oö. Bauordnung 1976 "die Parteistellung im Verfahren zur Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Flutlichtanlage für zwei Tennisfelder auf Grundstück Nr. 126/1, KG S" aberkannt. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Partei vom wurde als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurden die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Erteilung der Baubewilligung als unzulässig zurückgewiesen bzw. als unbegründet abgewiesen. Auf Grund der vorliegenden Gutachten sei davon auszugehen, daß eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers durch das Bauvorhaben nicht nur voraussichtlich nicht zu erwarten, sondern tatsächlich auch nicht gegeben sei.

In der dagegen erhobenen Berufung beantragte der Beschwerdeführer die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend, daß ihm Parteistellung im Verfahren zur Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Flutlichtanlage eingeräumt und der erstinstanzliche Bescheid zugestellt werde.

Mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Der von der Berufungsbehörde beigezogene medizinische Sachverständige käme in seinem Gutachten ebenfalls zum Schluß, daß auf Grund der zu erwartenden Pegelwerte eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn nicht zu befürchten sei.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom wurde der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt wird. Entscheidungswesentlich führte die belangte Behörde hiezu aus, aus dem abgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere den eingeholten Gutachten, ergebe sich schlüssig und nachvollziehbar, daß das Bauvorhaben für einen normalen, gesunden Durchschnittsmenschen bei einer Entfernung von mehr als 200 m weder unzumutbare Belästigungen noch eine Gesundheitsgefährdung erwarten lasse. Bei der Beurteilung der Immissionsfrage sei ein objektiver Maßstab anzulegen; dies bedeute, daß auf die jeweils spezifischen Verhältnisse und die daraus resultierenden individuellen bzw. rein subjektiven Schutzinteressen eines bestimmten Nachbarn bei Ermittlung des zulässigen Immissionsausmaßes nicht Bedacht zu nehmen sei. Grenze des zulässigen Ausmaßes an Immissionen seien nicht die individuellen Bedürfnisse der Bewohner, sondern das ortsübliche Ausmaß.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "als Partei dem Bauverfahren zugezogen zu werden" sowie in seinem subjektiv-öffentlichen Recht "auf Einhaltung der Vorschrift des § 23 Abs. 2 der Oö. Bauordnung 1976" verletzt. Im Baubewilligungsverfahren sei zu prüfen, ob eine Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Rechte trotz der im Akt immer genannten Entfernung von 200 m tatsächlich vorliege. Der Sachverständige Ing. S habe festgestellt, daß in den Nachtstunden Überschreitungen nicht auszuschließen seien.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des der Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsverfahrens ist nicht die Erledigung des Antrages vom um Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Flutlichtanlage für zwei Tennisfelder, sondern die Feststellung durch die Baubehörde erster Instanz, daß dem Beschwerdeführer in diesem Verfahren gemäß § 8 AVG i.V.m. § 46 Oö. Bauordnung 1976 keine Parteistellung zukommt.

Ist die Parteistellung einer Person in einem Verfahren strittig, so ist hierüber förmlich durch Feststellungsbescheid zu entscheiden (vgl. hiezu die bei Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Auflage, Rz. 125, dargestellte hg. Rechtsprechung). Das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung bestimmt sich hiebei nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Hiefür kommen in der Hauptsache Normen des materiellen Verwaltungsrechtes, aber auch Vorschriften des speziellen Verfahrensrechtes in Betracht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 9994/A). Gemäß § 46 Abs. 1 der - im Hinblick auf die Einleitung des Verwaltungsverfahrens hier anzuwendenden - Oö. Bauordnung 1976 (BO) sind Nachbarn die Eigentümer (Miteigentümer) der Grundstücke, die unmittelbar an jene Grundstücke angrenzen, auf denen das Bauvorhaben ausgeführt werden soll, und darüberhinaus jene Grundeigentümer, die durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Wie sich aus § 46 Abs. 3 BO ergibt, gewährt die Oö. Bauordnung 1976 den Nachbarn insbesondere auch einen Schutz gegen Immissionen (vgl. § 23 Abs. 2 BO).

Den Eigentümern jener Grundstücke, die nicht unmittelbar an das Grundstück des Bauwerbers angrenzen, kommt somit Parteistellung im Baubewilligungsverfahren dann zu, wenn sie durch das Bauvorhaben "voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können". Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 92/05/0125, näher ausgeführt hat, bedeutet das Wort "voraussichtlich" in diesem Zusammenhang, daß im Verfahren im voraus, also vor Verwirklichung des Vorhabens, beurteilt werden muß, ob eine Beeinträchtigung der Nachbarn möglich ist. Ob eine Beeinträchtigung möglich ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles, insbesondere auch davon ab, mit welchen Auswirkungen eines bestimmten Vorhabens zu rechnen ist. Bei der Frage, ob im Hinblick auf die Bestimmung des § 46 Abs. 1 BO Grundstückseigentümer als Nachbarn dem Baubewilligungsverfahren beizuziehen sind, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die in manchen Fällen klar, in anderen Fällen, wie auch dem vorliegenden, nicht so ohne weiteres zu beantworten ist. Parteistellung kommt daher einem Nachbarn gemäß § 46 Abs. 1 BO jedenfalls dann zu, wenn seine Rechte durch den Bescheid berührt werden können. Maßgebend ist allein die Möglichkeit einer Verletzung der den Nachbarn zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte. Nicht maßgebend ist für die Parteistellung, ob nachteilige Einwirkungen auch tatsächlich eintreten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 12363/A, sowie das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 9485/A).

Das lärmtechnische Gutachten des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Unterabteilung Lärm- und Strahlenschutz, vom kommt zum Ergebnis, daß vom Tennisbetrieb Spitzen der Schlaggeräusche beim Grundstück des Beschwerdeführers subjektiv wahrnehmbar und meßtechnisch erfaßbar sind. Auch das medizinische Sachverständigengutachten vom , welches jedoch hinsichtlich der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit den vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht entspricht, geht ebenfalls von einer - wenn auch nicht unzumutbaren - "Lärmbelästigung" durch den Betrieb der durch die Flutlichtanlage erweiterten Tennisanlage der Antragsteller beim Grundstück des Beschwerdeführers aus. Das medizinische Sachverständigengutachten des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom stellt keinen Bezug zum Grundstück des Beschwerdeführers her, geht jedoch von den Schallpegelmessungen des erstgenannten Gutachtens aus.

Auf Grund dieser aus dem Verwaltungsakt ersichtlichen Ermittlungsergebnisse ist nicht ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer durch das gegenständliche Bauvorhaben in seinen subjektiven, aus § 46 Abs. 3 BO im Zusammenhang mit § 23 Abs. 2 BO abgeleiteten Rechten verletzt sein kann.

Sache der Berufungsbehörde im gegenständlichen Fall war die Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides zur Frage, ob dem Beschwerdeführer im Bauverfahren betreffend die Errichtung der Flutlichtanlage für zwei Tennisplätze Parteistellung zukommt. Insoweit die Berufungsbehörde daher Ermittlungen und Feststellungen darüber getroffen hat, ob eine Beeinträchtigung des Beschwerdeführers durch das beantragte Bauvorhaben tatsächlich stattfindet, hat sie den Gegenstand des Verfahrens betreffend die Feststellung der Parteieigenschaft des Beschwerdeführers und damit ihre Zuständigkeit überschritten. Auch dies verkannte die belangte Behörde, wie dies den Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist.

Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.