VwGH vom 12.04.1999, 98/11/0289

VwGH vom 12.04.1999, 98/11/0289

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des R in J, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. VerkR-393.266/1-1998/Si, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem im Jahr 1977 geborenen Beschwerdeführer wurde am die Lenkerberechtigung erteilt.

Aufgrund einer am begangenen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 wurde ihm mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A1 und B vorübergehend für die Dauer von sechs Monaten (gerechnet ab ) entzogen.

In der dagegen erhobenen Vorstellung berief sich der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers (der nunmehrige Beschwerdevertreter) gemäß § 10 Abs. 1 AVG auf die ihm erteilte Vollmacht.

Mit mündlich (dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers gegenüber) verkündeten Vorstellungsbescheid vom wurde die Entziehungsdauer auf vier Monate herabgesetzt, sodass diese am endete.

Am wurde dem Beschwerdeführer der Führerschein wieder ausgefolgt.

Wegen der am begangenen Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 wurde der Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom rechtskräftig bestraft.

Mit Bescheid vom ordnete die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn an, dass sich der Beschwerdeführer innerhalb von vier Monaten einer Nachschulung zu unterziehen habe. Mit der Anordnung der Nachschulung verlängere sich die Probezeit um ein weiteres Jahr. Falls die Probezeit bereits abgelaufen sei, beginne sie mit der Anordnung der Nachschulung für ein Jahr wieder neu zu laufen.

Dieser Bescheid wurde nicht dem Vertreter des Beschwerdeführers, sondern diesem selbst zugestellt.

Mit Schreiben vom wies die Behörde den Beschwerdeführer darauf hin, dass er der Anordnung nicht Folge geleistet habe.

Mit Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer (vertreten durch seinen Rechtsanwalt) vor, sein Vertreter habe am Akteneinsicht genommen und den Nachschulungsbescheid kopiert. An diesem Tag sei ihm somit der Bescheid zugestellt worden. Die Viermonatsfrist habe erst am zu laufen begonnen. Der Beschwerdeführer werde sich der Nachschulung unterziehen, zu der er sich bereits angemeldet habe.

Mit Bescheid vom entzog die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn dem Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 6 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A1 und B bis zur Befolgung der mit Bescheid vom angeordneten Nachschulung. Weiters wurde er gemäß § 29 Abs. 3 leg. cit. aufgefordert, den Führerschein unverzüglich abzuliefern.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er auf den Inhalt seiner Eingabe vom hinwies und die Auffassung vertrat, dass die Frist für die Durchführung der Nachschulung noch nicht abgelaufen sei.

Nach einer Bestätigung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom hat der Beschwerdeführer in der Zeit vom bis an einer Nachschulung für alkoholauffällige Fahranfänger teilgenommen. Am wurde ihm der Führerschein wieder ausgefolgt.

Mit dem (am zugestellten) angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom .

In der Begründung ihres Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, eine Parteienerklärung, dass sich die Bevollmächtigung des Beschwerdevertreters im Verwaltungsverfahren und im Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung auch auf weitere Verfahren beziehe, liege nicht vor. Zwischen diesen Verfahren und dem Verfahren betreffend die Anordnung einer Nachschulung bei "Probeführerscheinbesitzern" bestehe kein derartig enger Verfahrenszusammenhang, dass von derselben Angelegenheit oder Rechtssache gesprochen werden könne. Die Zustellung des Bescheides vom an den Beschwerdeführer selbst am sei daher rechtswirksam gewesen. Ausgehend davon sei die im § 4 Abs. 8 FSG genannte Frist von vier Monaten am abgelaufen, weshalb dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 6 FSG bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 (idF vor der 19. KFG-Novelle BGBl. I Nr. 103/1997) kann die Behörde bei der Entziehung auch begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) anordnen. Wird eine solche Anordnung nicht befolgt oder die Mitarbeit bei der Nachschulung unterlassen, so ist die Entziehungszeit um drei Monate zu verlängern. Die Behörde hat begleitende Maßnahmen anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 64a Abs. 1) erfolgt.

Da die Entziehung der Lenkerberechtigung aufgrund der am begangenen Übertretung innerhalb der Probezeit erfolgte, hätte gemäß § 73 Abs. 2a letzter Satz KFG 1967 die Anordnung der Nachschulung bereits "bei der Entziehung" getroffen werden müssen. Eine solche Anordnung hat in Bezug auf die Entziehung der Lenkerberechtigung akzessorischen Charakter (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/11/0069, und vom , Zl. 98/11/0078) und ist im Regelfall zugleich mit der Entziehung der Lenkerberechtigung auszusprechen. Es handelt sich dabei aber nicht um einen vom Ausspruch der Entziehung untrennbaren Ausspruch, weshalb die nachträgliche Anordnung einer begleitenden Maßnahme für sich allein noch keine Rechtsverletzung des Betreffenden bewirkt. Die nachträgliche Anordnung einer begleitenden Maßnahme hat aber in einem zeitlichen Naheverhältnis zur Entziehung zu erfolgen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/11/0254); sie darf jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass daraus eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Betreffenden gegenüber jener bei gleichzeitiger Anordnung einer begleitenden Maßnahme resultiert (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 14572/A).

Aus der gesetzlichen Verpflichtung der Behörde, bei der Entziehung in der Probezeit eine begleitende Maßnahme anzuordnen, und dem akzessorischen Charakter dieser Anordnung ergibt sich, dass die Anordnung zum selben Verfahren gehört, in dem die Entziehung ausgesprochen wird. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn - wie es der Regelfall sein sollte - die Behörde Entziehung und begleitende Maßnahme mit demselben Bescheid verfügt. Daraus folgt, dass die Behörde auch dann, wenn sie Entziehung und Anordnung der begleitenden Maßnahme mit getrennten Bescheiden ausspricht, beide Bescheide dem im Verfahren für den Besitzer der Lenkerberechtigung unter Berufung auf die erteilte Vollmacht (§ 10 Abs. 1 letzter Satz AVG) einschreitenden Rechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigten (§ 9 Abs. 1 Zustellgesetz) zuzustellen hat. Dies gilt auch dann, wenn die Behörde die nachträgliche Anordnung - zu Unrecht (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/11/0254) - nicht auf § 73 Abs. 2a KFG 1967 sondern auf § 64a Abs. 2 leg. cit. oder - wie im vorliegenden Fall - auf § 4 FSG stützt.

Daraus folgt, dass die Zustellung des die Anordnung der Nachschulung verfügenden Bescheides vom an den Beschwerdeführer gesetzwidrig (und unwirksam) war. Der auf der Annahme der Gesetzmäßigkeit dieser Zustellung basierende angefochtene Bescheid erweist sich schon aus diesem Grund als rechtswidrig.

Es bedarf daher keiner näheren Ausführungen dazu, dass von einer Heilung des Zustellmangels im Sinne des § 9 Abs. 1 zweiter Satz Zustellgesetz nach der Aktenlage nicht ausgegangen werden kann, weil die in der Eingabe des Beschwerdevertreters vom erwähnte Akteneinsicht und Anfertigung einer Kopie am dazu nicht ausreicht (siehe dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E. Nr. 18 zu § 9 Zustellgesetz zitierte hg. Rechtsprechung).

Für den Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist es auch ohne Bedeutung, ob die nachträgliche Anordnung der Nachschulung eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Beschwerdeführers gegenüber jener bei gleichzeitiger Anordnung bewirkt und deshalb rechtswidrig ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 14572/A).

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am