VwGH 28.02.2006, 2002/06/0082
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauG Stmk 1995 §29 Abs5; BauRallg; VwRallg; |
RS 1 | Die Formulierung der Regelung des § 29 Abs. 5 Stmk. BauG zur Erlassung von Auflagen im Zuge der Erteilung der Baubewilligung (arg: "soweit dies erforderlich ist, damit" näher genannten Kriterien entsprochen werde) spricht für die Auslegung, dass nach dieser Bestimmung die Vorschreibung projektändernder Auflagen zulässig ist (Hinweis Hauer - Trippl, Steiermärkisches Baurecht4, S. 327, FN 13). Unter projektändernden Auflagen im Sinne dieser Bestimmung können auch nur solche verstanden werden, die an einem Bauvorhaben nichts Wesentliches ändern, also seine Identität bestehen lassen (Hinweis E vom , Zl. 91/05/0007, und vom , Zl. 96/05/0250, zu der vergleichbaren Regelung betreffend die Vorschreibung von Auflagen in § 49 Abs. 4 Oö Bauordnung 1976). Projektändernde Auflagen sind nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 5 Stmk. BauG gleichfalls nur zur Anpassung des jeweiligen Vorhabens an die gesetzlichen Erfordernisse nach Maßgabe dieser Bestimmung bzw. um den subjektiv-öffentlichen Rechten der Nachbarn gerecht zu werden, zulässig (Hinweis in diesem Sinne auch auf das zitierte E vom ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2003/06/0186 E RS 1
(hier: nur erster Satz) |
Normen | BauG Stmk 1995 §29 Abs5; BauRallg; VwRallg; |
RS 2 | Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem in Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht, 4. Auflage 2004, FN 72 zu § 29 Stmk BauG, S 349, zitierten E vom , Zl. 83/05/0146, 0147, BauSlg 948, dargelegt hat, ist die Baubehörde nur dann berechtigt, das Bauansuchen einschränkende Vorschreibungen zu treffen, wenn solche Maßnahmen nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens auf Grund der von der Baubehörde wahrzunehmenden Interessen zu rechtfertigen sind, da der Bauwerber einen Rechtsanspruch besitzt, dass sein Projekt als solches bewilligt wird, sofern nicht ein Versagungsgrund vorliegt. Dieser (zur niederösterreichischen Bauordnung) geäußerte Grundsatz gilt sinngemäß auch für Auflagen nach § 29 Abs. 5 Stmk BauG. Kann daher ein von der Baubehörde wahrzunehmendes Interesse durch verschiedene Auflagen erreicht werden, so ist daraus jene auszuwählen, welche in das Bauprojekt und die Interessen des Bauwerbers am wenigsten eingreift. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde der Gemeinde H, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13A-
12.10 H 48 - 02/101, betreffend Behebung einer Baubewilligung für eine Terrasse (mitbeteiligte Partei: Dipl. Ing. MH in H, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Gemeinde hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde H vom wurde im dritten Rechtsgang u.a. dem Mitbeteiligten nach Durchführung einer Bauverhandlung am als Miteigentümer eines in der Gemeinde gelegenen Grundstücks die Baubewilligung für sein Bauvorhaben der Errichtung einer Terrasse und eines Terrassenkellers erteilt. Der Bescheid enthält folgende Auflage:
"4. Die Erdanschüttung gegenüber dem Grundstück-Nr.: 82/4 ist so abzuändern, daß das Gelände vom Nachbargrundstück beim Zaun Richtung Erdkeller in jeder Höhenschichtenlinie horizontal oder mit Gefälle zum eigenen Keller zu verlaufen hat (Geländehöhe am Zaun ist gleich max. Höhe des angeschütteten Geländes bis zum Erdkeller)."
Gegen diesen Bescheid hat der Mitbeteiligte Berufung erhoben, die mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde H vom als unbegründet abgewiesen und der Baubescheid vom bestätigt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Vorstellung, die er u.a. damit begründete, dass Auflagepunkt 4. nicht erforderlich sei.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde H vom auf Grund der Vorstellung des Mitbeteiligten wegen Verletzung seiner Rechte behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde H verwiesen. (In seinem mit der vorliegenden Beschwerde nicht angefochtenen Teil wurde mit dem angefochtenen Bescheid die Vorstellung der Ehefrau des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.)
Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass sie auf Grund der Vorstellung ein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Sie habe eine Stellungnahme des Amtssachverständigen vom eingeholt und dieser habe darin ausgeführt, dass die Auflage 4. zwar grundsätzlich zu Recht vorgeschrieben worden sei, doch wären alternative, im Gutachten näher ausgeführte Oberflächenwasserentsorgungsmaßnahmen zu überlegen, wenn auf Grund der Auflage durch die Wiederherstellung der Hangneigung Beeinträchtigungen zu befürchten wären. Dazu seien Stellungnahmen der Parteien eingeholt worden, vom Mitbeteiligten sei die baugeologische Stellungnahme des Dr. HH vom vorgelegt worden. Dazu habe der Amtssachverständige in einer Stellungnahme vom zusammenfassend festgestellt, dass die Auflage 4. auf Grund des geringen Gefälles und der Anlage von Brettern, die den mehr als geringfügigen Abfluss hintan hielten, als sinngemäß erfüllt erachtet würde. Die Auflage stelle jedoch eine Dauerauflage zum Schutz der Nachbarrechte dar und die Maßnahmen zur Hintanhaltung des Oberflächenabflusses könnten nicht nach Belieben beseitigt oder verändert werden.
Zu dieser Stellungnahme hätten der Mitbeteiligte und die Nachbarn des Vorhabens neuerlich Stellung genommen, und dazu läge eine weitere hydrogeologische Stellungnahme der Fachabteilung 17B (vormals Fachabteilung 1a) vom vor. Aus dieser sei der Schluss zu ziehen, dass vom Grundstück des Mitbeteiligten im unbebauten Zustand auf das Nachbargrundstück keine mehr als geringfügigen Oberflächenabflüsse erfolgen könnten. Der Mitbeteiligte sei daher bloß anzuhalten, die Oberflächenentwässerung derart zu gestalten, dass keine Abflüsse auf das Nachbargrundstück erfolgen könnten. Dies könne jedoch in unterschiedlichen technischen Ausführungen erfolgen, nämlich durch eine dichte Randmauer, durch die Fassung der Niederschlagsgewässer in einem Gerinne und Versickerung bzw. Ableitung oder durch eine Gefällsverringerung wie in Auflagenpunkt 4.
Es wäre den Baubehörden möglich gewesen, eine verträglichere Lösung der Oberflächenentwässerung für die mitbeteiligte Partei herbeizuführen, ohne dass etwaige Abgrabungen vorzunehmen gewesen wären, wodurch allenfalls Beschädigungen am Haus der mitbeteiligten Partei eintreten könnten. Da der Gemeinderat der Beschwerdeführerin ohne weitere Prüfung keine eventuellen Alternativen zu Auflagepunkt 4. mit in Betracht gezogen habe und durch diese Auflagenvorschreibung allenfalls Beeinträchtigungen des Hauses der mitbeteiligten Partei verbunden seien, sei in die Rechte der mitbeteiligten Partei eingegriffen worden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 94 Abs. 5 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, i.d.F. LGBl. Nr. 14/1976, lautet:
"(5) Die Aufsichtsbehörde hat den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheiten zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen."
Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes, LGBl. Nr. 59/1995 (Stammfassung), lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 29
(1) Die Behörde hat einem Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.
...
(5) Eine Bewilligung ist mit Auflagen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, damit den von der Behörde zu wahrenden öffentlichen Interessen sowie den subjektiv-öffentlichen Rechten der Nachbarn entsprochen wird.
...
§ 65
(1) Bei baulichen Anlagen ist eine einwandfreie Entsorgung der anfallenden Abwässer und Beseitigung der Niederschlagswässer auf Bestandsdauer sicherzustellen. Dafür erforderliche Anlagen sind so anzuordnen, herzustellen und instand zu halten, dass sie betriebssicher sind und Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen."
Gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG hat die Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen. Jede Gemeinde ist sohin berechtigt, gegen sie belastende aufsichtsbehördliche Bescheide mittels Bescheidbeschwerde den Verwaltungsgerichtshof anzurufen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/06/0146).
Die beschwerdeführende Gemeinde bringt vor, dass der bekämpfte Auflagepunkt 4. "Gegenstand der Verhandlungsschrift vom " gewesen und dort durch den bautechnischen Sachverständigen diktiert worden sei. Die Durchführung des Ermittlungsverfahrens vor der belangten Behörde hätte sich daher auf die Frage zu beschränken gehabt, ob durch eine solche Auflage die Rechte der mitbeteiligten Partei verkürzt werden könnten, was zu verneinen sei. Seitens des von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen sei in einer Stellungnahme vom nämlich ausgeführt worden, dass die bekämpfte Auflage 4. im Sinne des § 65 Steiermärkisches Baugesetz grundsätzlich zu Recht vorgeschrieben worden sei. Damit hätte sich jede weitere Diskussion über sonstige Alternativen erübrigen müssen. Das von der belangten Behörde darüber hinaus geführte Ermittlungsverfahren sei im Gesetz nicht begründet. Da Auflagepunkt 4. des Bescheides eine von mehreren Alternativen für eine Oberflächenentwässerung darstelle, sei die Behebung des Bescheides durch die belangte Behörde daher zu Unrecht erfolgt.
Diesen Ausführungen ist Folgendes zu entgegnen:
Gemäß § 29 Abs. 5 Stmk. BauG ist eine Baubewilligung unter Auflagen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, damit den von der Behörde zu wahrenden öffentlichen Interessen sowie den subjektiv-öffentlichen Rechten der Nachbarn entsprochen wird. Die Formulierung dieser Regelung zur Erlassung von Auflagen im Zuge der Erteilung der Baubewilligung (arg: "soweit dies erforderlich ist, damit" näher genannten Kriterien entsprochen werde) spricht für die Auslegung, dass nach dieser Bestimmung die Vorschreibung projektändernder Auflagen zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/06/0186).
Aus dem Umstand jedoch, dass der vom Mitbeteiligten bekämpfte Auflagepunkt 4. "Gegenstand der Verhandlungsschrift vom " gewesen und dort vom bautechnischen Sachverständigen für erforderlich erachtet wurde, kann weder der Schluss gezogen werden, dass er die Zustimmung des Mitbeteiligten gefunden hätte noch dass der Auflagenpunkt 4. rechtmäßig oder in einem mängelfreien Verfahren zu Stande gekommen wäre.
Wie der Verwaltungsgerichtshof aber bereits in seinem in Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht, 4. Auflage 2004, FN 72 zu § 29, S 349, zitierten Erkenntnis vom , Zl. 83/05/0146, 0147, BauSlg 948, dargelegt hat, ist die Baubehörde nur dann berechtigt, das Bauansuchen einschränkende Vorschreibungen zu treffen, wenn solche Maßnahmen nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens auf Grund der von der Baubehörde wahrzunehmenden Interessen zu rechtfertigen sind, da der Bauwerber einen Rechtsanspruch besitzt, dass sein Projekt als solches bewilligt wird, sofern nicht ein Versagungsgrund vorliegt. Dieser (zur niederösterreichischen Bauordnung) geäußerte Grundsatz gilt sinngemäß auch für Auflagen nach § 29 Abs. 5 des Steiermärkischen Baugesetzes. Kann daher ein von der Baubehörde wahrzunehmendes Interesse durch verschiedene Auflagen erreicht werden, so ist daraus jene auszuwählen, welche in das Bauprojekt und die Interessen des Bauwerbers am wenigsten eingreift.
Mit ihrer im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung, dass die Baubehörde zweiter Instanz dies mit dem vor ihr angefochtenen Bescheid verkannt habe, indem sie sich nicht mit der Frage auseinandersetzte, ob den Interessen des Nachbarn des Mitbeteiligten auch durch eine gelindere Vorschreibung als die Auflage 4. Rechnung getragen werden könne, hat die belangten Behörde die beschwerdeführende Gemeinde daher nicht in Rechten verletzt.
Daher war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauG Stmk 1995 §29 Abs5; BauRallg; VwRallg; |
Schlagworte | Auflagen BauRallg7 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2006:2002060082.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAE-47552