VwGH vom 24.03.1999, 98/11/0268
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des W in Wien, vertreten durch Dr. Peter Huber, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 65-8/355/97, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung und Anordnung einer Nachschulung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm für die Zeit vom bis keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf (Spruchpunkt I). Ferner wurde gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 ausgesprochen, daß sich der Beschwerdeführer binnen zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Bescheides einer begleitenden Maßnahme in Form einer Nachschulung (Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker) zu unterziehen hat (Spruchpunkt II).
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer am eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 (in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a) StVO 1960 begangen habe, wegen der er rechtskräftig mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom , bestätigt durch den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , bestraft worden sei. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer am ein weiteres Delikt nach § 5 Abs. 1 (in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a) StVO 1960 - und auch noch ein Delikt gemäß § 20 Abs. 2 StVO 1960 - begangen, weshalb er rechtskräftig mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom , bestätigt durch den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , bestraft worden sei. Die beiden Alkoholdelikte stellten bestimmte Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 dar. Da es sich um zwei Alkoholdelikte handle, komme für den Beschwerdeführer die günstigere Rechtslage des § 73 Abs. 3 leg. cit. (Entziehungszeit von nur vier Wochen) nicht in Betracht. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, daß bereits zweimal die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers entzogen gewesen sei, und zwar mit Bescheiden der Bundespolizeidirektion Wien vom und vom . Bei der Wertung des Verhaltens des Beschwerdeführers sei zu berücksichtigen, daß es sich bei Alkoholdelikten um schwerwiegende Delikte im Straßenverkehr handle und der Beschwerdeführer als diesbezüglicher "Rückfallstäter" angesehen werden müsse. Hinzu komme noch, daß der Beschwerdeführer am ein Kraftfahrzeug gelenkt habe, obwohl ihm der Führerschein wegen Trunkenheit vorläufig abgenommen und bei ihm beim Delikt vom ein Atemluftalkoholwert von 0,85 mg/l gemessen worden sei, somit ein Wert, der deutlich über dem gelegen sei, bei welchem laut gesetzlicher Definition bereits jedenfalls eine Alkoholbeeinträchtigung vorliege. Auch sei seit der letzten Übertretung des Beschwerdeführers noch keine so lange Zeit verstrichen, daß auf eine Änderung seiner schädlichen Sinnesart geschlossen werden könne. Es bedürfe daher des festgesetzten Zeitraumes von zwei Jahren, um wieder die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers erwarten zu können. Desgleichen sei Grund für die Anordnung der Nachschulung, daß der Beschwerdeführer bereits das dritte bzw. vierte Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe. Auf Grund der zu Tage getretenen gefährlichen Neigung des Beschwerdeführers zur Begehung von Alkoholdelikten sei die Nachschulung als begleitende Maßnahme erforderlich.
Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde angenommen habe, daß er am ein Alkoholdelikt begangen habe und die Behörde davon ausgegangen sei, er sei unmittelbar vor der Anhaltung durch die Sicherheitswachebeamten und der darauf folgenden Atemalkoholuntersuchung mit einem Pkw gefahren. Diesbezüglich ist ihm jedoch zu entgegnen, daß er wegen des am begangenen Deliktes nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 rechtskräftig bestraft wurde. Damit stand für die belangte Behörde im Entziehungsverfahren bindend fest, daß der Beschwerdeführer die in Rede stehende Verwaltungsübertretung begangen hat, und es stellt somit keinen Verfahrensmangel dar, wenn die belangte Behörde kein neuerliches Ermittlungsverfahren über das Alkoholdelikt durchgeführt hat (vgl. unter vielen anderen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/11/0064). Desgleichen stellt es keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dar, wenn die belangte Behörde auch das am vom Beschwerdeführer begangene Alkoholdelikt ihrer Beurteilung zugrunde legte. Die belangte Behörde hatte nämlich den Sachverhalt zu berücksichtigen, der sich zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides darbot. Sie war im gegenständlichen Administrativverfahren berechtigt, sowohl im Spruch als auch in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den erstinstanzlichen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Nach § 66 Abs. 4 AVG besteht im Administrativverfahren kein Verbot der reformatio in peius (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, zu § 66 AVG auf Seite 578 zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Da die belangte Behörde somit - wie von ihr zutreffend erkannt - von zwei Alkoholdelikten auszugehen hatte, kam die Anwendung des § 73 Abs. 3 KFG 1967 beim Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Desgleichen läßt sich für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewinnen, wenn er vorbringt, daß der erstinstanzliche Bescheid bereits drei Wochen vor den am begangenen Delikten erlassen worden sei und diese Delikte daher "nicht verfahrensgegenständlich" seien; wie bereits ausgeführt, hatte die belangte Behörde den relevanten Sachverhalt zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides zu berücksichtigen, damit auch die Delikte vom .
Aber auch in der Wertung des Verhaltens des Beschwerdeführers und in der Bemessung des Zeitraumes gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 durch die belangte Behörde kann keine Rechtswidrigkeit erblickt werden: Wie die belangte Behörde zutreffend hervorgehoben hat, gehören Alkoholdelikte zu den schwersten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften (vgl. unter vielen anderen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/11/0309). Im Rahmen der Wertung hatte die belangte Behörde zur Frage der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers auf alle strafbare Handlungen - auch auf länger zurückliegende oder getilgte -, die einen Schluß auf die verkehrsrelevante Sinnesart zulassen, Bedacht zu nehmen (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/11/0309). Es war daher nicht unzulässig, wenn die belangte Behörde berücksichtigte, daß dem Beschwerdeführer in der Vergangenheit (1994) schon zweimal wegen Alkoholdelikten die Lenkerberechtigung entzogen worden war. Der Beschwerdeführer ist somit, was Alkoholdelikte anlangt, als Wiederholungstäter anzusehen. Da das im § 66 Abs. 3 KFG 1967 normierte Wertungskriterium der Verwerflichkeit auch frühere einschlägige strafbare Handlungen umfaßt, erweist sich eine erneute strafbare Handlung umso verwerflicher, wenn auch schon früher gleichartige strafbare Handlungen begangen wurden und damit eine Tendenz zur Wiederholung bzw. (nach bereits länger verstrichener Zeit) eine Neigung zum Rückfall in das verpönte Verhalten erkennbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/11/0384). Hinzu tritt im vorliegenden Fall, daß der Beschwerdeführer im Mai und im Juni 1997, somit kurz aufeinanderfolgend Alkoholdelikte begangen hat. Schließlich hat die belangte Behörde auch zutreffend den hohen Alkoholgehalt des Beschwerdeführers beim Vorfall am (0,85 mg/l) berücksichtigt. Mit Recht ist daher die belangte Behörde von der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen. Art und Ausmaß der von der belangten Behörde ausgesprochenen Maßnahmen verletzen aus den genannten Gründen keine Rechte des Beschwerdeführers.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-47547