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VwGH vom 21.10.2003, 2002/06/0053

VwGH vom 21.10.2003, 2002/06/0053

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der O in S, vertreten durch Dr. Franz Linsinger, Rechtsanwalt in 5600 St. Johann im Pongau, Leo-Neumayer-Straße 10, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 1/02-38.175/2-2002, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde S 2. R in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde S vom wurden dem Zweitmitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung für den Um- und Zubau eines Betriebs- und Wohngebäudes auf dem Grundstück Nr. 158/21 der KG B nach Maßgabe der Einreichplanung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt und die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen, die Belichtung und Besonnung ihres unmittelbar an das Baugrundstück anschließenden Anwesens werde massiv eingeschränkt, die Lebensqualität und der Wiederverkaufswert werde auf ein Minimum reduziert, durch die vorgesehene Aufstockung werde der Mindestabstand unterschritten und damit auch ein eigenes Bauvorhaben erschwert oder unmöglich gemacht, die gewünschte Unterschreitung laut § 25 Abs. 8 lit. a, b und c des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes sei nicht gerechtfertigt, als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, welcher mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom keine Folge gegeben wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung keine Folge.

Nach wörtlicher Wiedergabe der Einwendungen der Beschwerdeführerin, ihrer Berufung, der Berufungsentscheidung sowie der Vorstellung der Beschwerdeführerin führte die belangte Behörde nach Zitierung der gesetzlichen Grundlagen aus, das erstinstanzliche Verfahren habe unzweifelhaft ergeben, dass die Beschwerdeführerin durch das gegenständliche Bauvorhaben in ihren Nachbarrechten nicht beeinträchtigt werde (im Gegenteil:

Verbesserung der Besonnung und Belichtung durch Entfernung des Satteldaches und der Giebelmauer, Zurückversetzung des neuen Dachgeschoßes) und daher eine Verletzung ihrer subjektivöffentlichen Rechte im Sinne des § 9 Abs. 1 Z. 6 Baupolizeigesetz nicht vorliege. Demgemäß habe die Baubehörde die angestrebte Baubewilligung spruchgemäß zu erteilen gehabt. Die gegen den Baubewilligungsbescheid erhobene Berufung greife völlig neu die Frage der zulässigen Einordenbarkeit des Pensionsumbaues in "reines Wohngebiet" auf und gehe somit nach Ansicht der belangten Behörde über den Rahmen der ursprünglich erhobenen Einwendungen hinaus. Abgesehen davon bestehe laut Flächenwidmungsplan für das gegenständliche Ortsgebiet die Widmungskategorie "erweitertes Wohngebiet" mit den gemäß § 17 Abs. 1 Z. 2 lit. c ROG 1998 zulässigen Betrieben, und stellten Fragen der Einordenbarkeit in die nähere Umgebung kein nachbarschützendes Erfordernis dar. Dabei handle es sich nämlich um die Berücksichtigung der die Umgebung kennzeichnenden baulichen (allenfalls auch gewerblichen) Nutzungen, mit anderen Worten um alle Umstände, die für den Charakter und die Funktion der in der Umgebung vorhandenen Bebauung objektiv von Bedeutung seien. Ein subjektiv-öffentliches Recht des einzelnen Nachbarn auf Beibehaltung der Eigenart der Umgebung bestehe daher ebenso wenig wie im Hinblick auf das Orts- oder Landschaftsbild. Im Übrigen sei die Beschwerdeführerin auch mit ihren Einwendungen präkludiert. Eine eingetretene Präklusion sei nicht nur von den Baubehörden aller Instanzen, sondern auch von der Aufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren zu beachten, sodass nur jene Einwendungen des Nachbarn berücksichtigt werden könnten, die bis zum Abschluss der Bauverhandlung vorgebracht worden seien. Bezüglich der im Jahre 1984 erteilten Baubewilligung für die Umwidmung der Garage in Wohnraum und der nunmehrigen Geltendmachung durch die Beschwerdeführerin als übergangener Partei im Sinne des § 8a Baupolizeigesetz sei anzumerken, dass diese Bestimmung laut Art. I Z. 17 Punkt 2 (gemeint: Novelle LGBl. Nr. 9/2001) rückwirkend mit in Kraft getreten sei, sodass eine diesbezügliche Geltendmachung bei der Baubehörde bis längstens hätte erfolgen müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

In Ausführung der Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, der Zweitmitbeteiligte habe schon länger zurückliegend an der Grundstücksgrenze eine Garage errichtet und so situiert, dass der gesetzliche Mindestabstand von 4 m bzw. drei Viertel der Traufenhöhe nicht eingehalten werde. Erst später seien der Ausbau dieser Garage und die Nutzungsänderung in Wohnnutzung bewilligt worden. Die Beschwerdeführerin habe von dieser Nutzungsänderung damals keine Kenntnis erlangt, zumindest nach Außen hin habe sich am Erscheinungsbild keine Änderung der Garage ergeben. Zu Unrecht gehe daher die Behörde davon aus, dass ab Beginn der Ausführung der baulichen Maßnahmen 6 Monate vergangen seien und somit die Beschwerdeführerin im Sinne des § 8a Baupolizeigesetz ihre Parteistellung verloren habe. Die Behörde habe diesbezüglich keine weiteren Erhebungen gepflogen oder ein Beweisverfahren durchgeführt, in welchem sich nämlich ergeben hätte, dass die Frist des § 8a Abs. 3 Baupolizeigesetz noch gar nicht oder zumindest erst mit der Kenntnisnahme durch Einsicht in den gegenständlichen Bauakt zu laufen begonnen habe. Der Zweck dieser Gesetzesbestimmung sei die Schaffung einer Rechtssicherheit gegen die erst Jahrzehnte später erfolgende Einwendung übergangener Nachbarn gewesen, nicht aber ein Rechtsverlust von übergangenen Parteien, die von der betreffenden Baumaßnahme keine Kenntnis hätten erlangen können; diesbezüglich läge Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung wohl nicht vor. Ebenso wenig lägen Beweiserhebungen dahingehend vor, welche Kubatur die Baumasse derzeit habe und welche sie nach Vollendung der beantragten Baumaßnahmen bekommen werde. Die Behörde verweise lediglich auf eine "Komfortverbesserung", die den landespolitischen Entwicklungszielen entspräche, eine Gegenüberstellung der Massenberechnung hätte aber die Behörde zur Auffassung bringen müssen, dass eine derartige Vergrößerung des Objektes auch wenn es sich nicht im reinen, sondern im gemischten Wohngebiet befände, gegen raumordnungsrechtliche Ziele verstoße. Im Übrigen vermische auch die belangte Behörde in ihrem Bescheid ständig und sinnentstellend die Begriffe der "Geschoßflächenzahl" und der "Grundflächenzahl".

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie lediglich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwies und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, dass es zwar zutrifft, dass im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Wiedergabe des Bescheides der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom (Seite 8 des angefochtenen Bescheides) ein offenkundiger Schreibfehler mitübernommen wurde, in welchem an Stelle des Begriffes der "Grundflächenzahl" jener der "Geschoßflächenzahl" verwendet wurde, dies beeinträchtigt aber die Verständlichkeit der Argumentation nicht, zumal die beiden Begriffe offenbar einander gegenübergestellt werden sollten. Ein allein durch diesen Irrtum veranlasster Begründungsmangel kann daher nicht erkannt werden.

Gemäß § 8a des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 40/1997 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 9/2001, kann ein Nachbar, der nicht gemäß § 42 AVG oder gemäß § 8 Abs 3 seine Parteistellung verloren hat und dem kein Bescheid zugestellt worden ist (übergangener Nachbar), nur innerhalb von sechs Monaten ab Beginn der Ausführung der baulichen Maßnahme nachträgliche Einwendungen gegen die bauliche Maßnahme vorbringen. Diese Bestimmung ist gemäß Art. I Z. 17 Pkt. 2. der Novelle LGBl. Nr. 9/2001 mit in Kraft getreten.

Die Beschwerdeführerin wendet ein, von der Nutzungsänderung der Garage keine Kenntnis gehabt zu haben. Mit diesem ein anderes Bauverfahren betreffenden Einwand hatte sich die Behörde auseinander zu setzen, da das notwendige Vorliegen eines rechtskräftigen Bestandes für den gegenständlichen Um- und Zubau davon abhing.

Diesem und dem weiteren Vorbringen in der Beschwerde, die Frist des § 8a Abs. 3 des Salzburger Baupolizeigesetzes sei daher im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung noch nicht abgelaufen gewesen, ist aber entgegen zu halten, dass der Lauf der Frist auf das objektive Kriterium des Baubeginns abstellt; auf die tatsächliche Kenntnis zu einem späteren Zeitpunkt kommt es somit nicht an. Die gesetzlich unter zeitlicher Beschränkung eingeräumte Möglichkeit, Einwendungen zu erheben bedeutet eben, dass nach Ablauf der eingeräumten Frist keine Einwendungen mehr erhoben werden können, zumal es sich bei dem Bauvorhaben 1984 nicht nur um die Nutzungsänderung, sondern auch um einen Wohnungsaus- und Garagenausbau gehandelt hat.

Aber selbst wenn man der Argumentation der belangten Behörde folgte und den Beginn des Laufes dieser Frist mit jenem Zeitpunkt ansetzte, in dem der übergangene Nachbar vom bewilligungspflichtigen Vorhaben zumindest nach objektiven Kriterien Kenntnis hätte erlangen können, wäre dadurch für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil sie weder im Verwaltungsverfahren noch auch in der Beschwerde konkrete Umstände geltend macht, die sie an einer früheren Kenntnisnahme der bereits im Jahr 1984 erfolgten Bauführung samt Umwidmung gehindert hätten. Vielmehr wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, Behauptungen zur Unanwendbarkeit des § 8a leg. cit. aufzustellen, zumal - wie sie selbst zutreffend in der Beschwerde ausführt - diese Regelung der Schaffung von Rechtssicherheit diente und im Regelfall davon auszugehen ist, dass ein Grundeigentümer innerhalb der gesetzten Frist von der Durchführung einer baulichen Maßnahme, die seine Rechtssphäre berührt, Kenntnis erlangen kann, sei es durch eigene Wahrnehmung oder im Falle längerer Abwesenheit durch beauftragte Personen. Grundeigentümern, die ihr Eigentum und die damit verbundenen Rechte wahren und schützen wollen, obliegt es, sich in gewissem Rahmen über das Baugeschehen in ihrer näheren Umgebung (etwa durch Einsicht in die Bauakten) selbst zu informieren oder jemanden darum zu ersuchen (vgl. auch Anm. von Hauer, Slbg. Baurecht, zu § 8a leg. cit.).

Es kann sohin keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, wenn die Behörden des Verwaltungsverfahrens in Anwendung der Bestimmung des § 8a BauPolG im Ergebnis vom Vorliegen eines rechtmäßigen Bestandes ausgegangen sind.

Aber auch mit ihren auf einen Widerspruch des Bauprojekts mit raumordnungsrechtlichen Bestimmungen abzielenden Behauptungen gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Es ist vielmehr darauf zu verweisen, dass dem Nachbarn gemäß den gesetzlichen Bauvorschriften im Lande Salzburg im Sinne der hg. Judikatur zu § 9 Abs. 1 Z. 6 BauPolG (vgl. als Beispiel für viele das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/06/0191) in Bezug auf die Einhaltung der Widmung immer nur dann ein Nachbarrecht zukommt, wenn die widmungsrechtliche Regelung im Interesse des Nachbarn gelegen ist (z.B. wenn ein Immissionsschutz in der Widmungsregelung vorgesehen ist). Das gegenständliche Objekt befindet sich in einem als "Erweitertes Wohngebiet" gewidmeten Gebiet.

Nach § 17 Abs. 1 Z. 2 lit. c des Salzburger Raumordnungsgesetzes, LGBl. Nr. 44/1998, in der Fassung LGBl. Nr. 68/2000, - ROG 1998, sind erweiterte Wohngebiete Flächen, die bestimmt sind für Betriebe, die keine erhebliche Geruchs- oder Lärmbelästigung, sonstige Luftverunreinigung oder Erschütterung für die Nachbarschaft und keinen übermäßigen Straßenverkehr verursachen und keine Gefährdung der Umgebung durch Explosion oder Strahlung zu verursachen geeignet sind. Dem Nachbarn kommt somit ein Mitspracherecht nur zu, insoweit § 17 Abs. 1 Z. 2 lit. c ROG 1998 vorsieht, dass diese Flächen nur für Betriebe zulässig sind, die keine erhebliche Geruchs- oder Lärmbelästigung, sonstige Luftverunreinigung oder Erschütterung für die Nachbarschaft und keinen übermäßigen Straßenverkehr verursachen und keine Gefährdung der Umgebung durch Explosion oder Strahlung zu verursachen geeignet sind. Dass einer dieser Fälle vorliege hat die Beschwerdeführerin aber weder im Verwaltungsverfahren noch in ihrer Beschwerde behauptet.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Pauschalierungsverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das den Vorlageaufwand überschreitende Mehrbegehren der belangten Behörde war

abzuweisen, weil der bloße Verweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht den Kriterien einer Gegenschrift entspricht.

Wien, am