VwGH vom 25.11.1997, 96/04/0238
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde
1. des Dr. G, 2. der B und 3. des G, alle in K, Zweitbeschwerdeführerin und Drittbeschwerdeführer vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. IIa-60.042/2-96, betreffend Zurückweisung von Berufungen gegen die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: R in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom wurden die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid der BH Kitzbühel vom , betreffend Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage (Gastgewerbebetrieb) durch die mitbeteiligte Partei, erhobenen Berufungen als unzulässig zurückgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten vor der mündlichen Verhandlung am , jedoch nach deren Anberaumung näher beschriebene Einwendungen gegen das von der mitbeteiligten Partei zur Genehmigung beantragte Vorhaben unter anderem wegen befürchteter Lärmbelästigung erhoben. Diese Einwendungen seien von den Beschwerdeführern in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zurückgezogen worden. Nach der Verhandlung, jedoch vor Bescheiderlassung seien von den Beschwerdeführern wiederum näher dargestellte Einwendungen gegen das Vorhaben der mitbeteiligten Partei u.a. wegen unzumtbarer Lärmimmissionen erhoben worden. Dieser Verfahrensablauf, vor allem aber die Zurückziehung der Einwendungen bei der mündlichen Verhandlung am sei den Beschwerdeführern unter Hinweis darauf, daß Einwendungen, die vor Ende der Augenscheinsverhandlung zurückgezogen werden, so zu behandeln seien, als wären sie nie erhoben worden und die Beschwerdeführer daher im Verfahren keine Parteistellung erlangt hätten, vorgehalten worden; weiters, daß eine ordnungsgemäß aufgenommene Niederschrift über die mündliche Verhandlung vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand dieser Verhandlung liefere. Den Beschwerdeführern sei Gelegenheit gegeben worden, Stellung zu nehmen bzw. den Gegenbeweis der Unrichtigkeit der Verhandlungsschrift anzutreten. Von den Beschwerdeführern sei hierauf erklärt worden, sie hätten aufgrund ihrer rechtzeitig erhobenen Einwendungen Parteistellung erworben und diese in der Augenscheinsverhandlung nicht verloren. Aufgrund der Ergebnisse dieser Verhandlung sei nämlich vereinbart worden, daß die Beschallung einer näher beschriebenen Terrasse des Gastgewerbebetriebes mittels Lautsprecher entfallen und die Terrasse entsprechend der Bestimmung des § 148 GewO 1994 betrieben werden solle. Lediglich aufgrund dieses Parteienüberkommens hätten die Beschwerdeführer ihre schriftlichen Einwendungen zurückgezogen. Dieses Übereinkommen sei jedoch in der Folge nicht eingehalten und die vereinbarten Beschränkungen seien nicht als Auflagen, sondern lediglich in den Befund des Genehmigungsbescheides aufgenommen worden. Nach Auffassung der Berufungsbehörde seien die Beschwerdeführer so zu behandeln, als hätten sie nie Einwendungen erhoben, weil sie ihre Einwendungen vor Ende der Augensscheinsverhandlung ausdrücklich zurückgezogen hätten. Daß die Verhandlungsschrift in diesem Punkt unrichtig wäre, hätten die Beschwerdeführer nicht vorgebracht, sondern vielmehr bestätigt, daß sie ihre Einwendungen zurückgezogen hätten und zwar aufgrund eines Parteienübereinkommens. Im Grunde des § 356 Abs. 3 GewO 1994 hätten sie daher Parteistellung im Genehmigungsverfahren nicht erlangt. Damit stehe ihnen gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 auch nicht das Recht der Berufung gegen den Genehmigungsbescheid zu. Abgesehen davon, daß im gewerblichen Betriebsanlagenverfahren Parteienübereinkommen nicht vorgesehen seien, werde noch darauf hingewiesen, daß die dem Parteienübereinkommen entsprechende Beschreibung der genehmigten Betriebsanlage im Befund des Genehmigungsbescheides entgegen den Befürchtungen der Beschwerdeführer verbindlich sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sie die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legt die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer erachten sich - ihrem gesamten Vorbringen zufolge - durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf meritorische Behandlung ihrer Berufungen verletzt. Sie bringen hiezu im wesentlichen vor, sie hätten durch die rechtzeitige Erhebung schriftlicher Einwendungen Parteistellung erlangt; diese hätten sie auch in der Folge nicht verloren. In der Verhandlung am sei von der mitbeteiligten Partei ihr Ansuchen dahin modifiziert worden, daß ein Terrassenbetrieb (auch im Sommer) von 10.00 bis 22.00 Uhr beantragt und von der vorgesehenen Beschallung Abstand genommen werde. In der über die Verhandlung aufgenommenen Niederschrift heißt es weiter, daß die anwesende Nachbarschaft dieses Verhandlungsergebnis zur Kenntnis nehme und aufgrund der Modifizierung des Antrages keine Einwendungen erhebe und die schriftlichen Stellungnahmen ausdrücklich zurücknehme. Dem sei zwar nicht so, denn es hätte das ausgehandelte Ergebnis (keine Beschallung der Terrasse und während des Terrassenbetriebs vom 15. Juni bis 15. September von 10.00 bis 22.00 Uhr kein Musizieren, Singen, lautes Sprechen) als Auflagen in den Bescheid aufgehommen werden sollen, was allerdings nicht erfolgt sei. Selbst wenn die Beschwerdeführer aber, wie in der Verhandlungsschrift fälschlich zum Ausdruck komme, ihre Einwendungen zufolge der Projektmodifikation durch die mitbeteiligte Partei zurückgezogen hätten, so hätten sie dadurch die bereits erworbene Parteistellung nicht verloren. Auch die Judikatur kenne nur den "Parteistellungsverlust mangels Begründung derselben", nicht aber den Verlust der Parteistellung nach der Augensscheinsverhandlung, zu der rechtzeitig Einwendungen erhoben worden seien. Die Beschwerdeführer hätten auch nur unter der Maßgabe der Aufnahme der genannten Konditionen als Auflage in den Bescheid auf ihre Einwendungen verzichtet. Im übrigen sei der (erstinstanzliche) Genehmigungsbescheid bis dato nicht gesetzmäßig erlassen worden; dieser sei von der mitbeteiligten Partei vielmehr am "intern im Amt abgeholt" worden. Eine Zustellung im Sinne des Zustellgesetzes sei nie erfolgt. Letztlich hätte der Genehmigungsbescheid auch an Nachbarparteien und die Beschwerdeführer ergehen müssen, damit seine rechtliche Existenz begründet werde.
Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 sind in Verfahren betreffend die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage und betreffend die Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage - unbeschadet des im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden zweiten Satzes dieser Bestimmung - nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendung an. Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Parteistellung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 wird von Nachbarn nur im Rahmen rechtzeitig erhobener, tauglicher Einwendungen erlangt (vgl. die bei Kobzina-Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994 (1994), 543 referierte hg. Judikatur). Die Parteistellung hängt daher zum einen von der Stellung als Nachbar, zum anderen vom Vorliegen einer entsprechenden Einwendung ab. Mit dem Verlust der Stellung als Nachbar geht auch die erlangte Parteistellung verloren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/04/0127). Nichts anderes kam aber für den Fall gelten, daß die vom Nachbarn zunächst erhobenen Einwendungen in der Folge zurückgezogen werden. Steht es dem Nachbarn nämlich frei, seine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte im Genehmigungsverfahren geltend zu machen, so ist es ihm - mangels einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung - auch nicht verwehrt, davon wieder Abstand zu nehmen und solcherart den Rahmen zu beseitigen, in dem er Parteistellung erlangt hat. Damit fällt allerdings auch die - nur in diesem Rahmen bestehende - Parteistellung weg.
Nun ist die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobenen Einwendungen zurück, nur zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen läßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/04/0090). Maßgeblich ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung.
Die der Erklärung zugrundeliegenden Motive sind nicht relevant. Hingegen wäre eine nur bedingt erklärte Zurückziehung von Einwendungen schon wegen der im allgemeinen bestehenden Bedingungsfeindlichkeit von Prozeßhandlungen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/10/0197) unzulässig und damit unwirksam.
Die Beschwerdeführer behaupten, sie hätten die Zurückziehung ihrer Einwendungen nur unter der Voraussetzung erklärt, daß näher beschriebene Auflagen in den Genehmigungsbescheid aufgenommen werden; dies werde in der die Zurückziehung der Einwendungen dokumentierenden Verhandlungsschrift fälschlich nicht zum Ausdruck gebracht.
Der über die Verhandlung vom aufgenommenen Niederschrift ist - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - zu entnehmen, daß die anwesende Nachbarschaft (somit auch die Beschwerdeführer) "aufgrund der Modifizierung des Antrages keine Einwendungen (erhebt) und ... die schriftlichen Stellungnahmen zum Betriebsanlagenverhandlungstermin ausdrücklich zurück (zieht)". Daß die von den Beschwerdeführern abgegebenen Erklärungen in der Verhandlungsschrift unvollständig ("fälschlich") wiedergegeben wären, haben die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ebensowenig vorgebracht, wie sie der - ihnen vorgehaltenen - Auffassung der belangten Behörde, die Verhandlungsschrift sei entsprechend den Bestimmungen des § 14 AVG aufgenommen worden, in tatsächlicher Hinsicht nicht entgegengetreten sind. Mit ihren erst vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobenen Vorwurf, die Verhandlungsschrift gebe ihre Erklärungen nur unvollständig wieder, fallen sie daher unter das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.
Konnte die belangte Behörde aufgrund der - oben wiedergegebenen - ausdrücklichen und eindeutigen Erklärung der Beschwerdeführer aber zu Recht von der Zurückziehung der schriftlich erhobenen Einwendungen ausgehen, so erweist sich die Auffassung, die Beschwerdeführer hätten mit der Abgabe dieser Erklärung ihre Parteistellung im Genehmigungsverfahren verloren, als frei vom Rechtsirrtum. Durch die neuerliche Erhebung von Einwendungen konnten die Beschwerdeführer im Grunde des § 356 Abs. 3 GewO 1994 Parteistellung nicht mehr erlangen. Es kam ihnen daher das Recht zur Berufung gegen den Genehmigungsbescheid nicht zu.
Soweit die Beschwerdeführer jedoch einwenden, der erstbehördliche Genehmigungsbescheid sei mangels Erlassung rechtlich nicht existent geworden, so ist ihnen entgegenzuhalten, daß dieser Umstand, selbst wenn er - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - gegeben wäre, an der mangelnden Parteistellung der Beschwerdeführer nichts ändern und daher auch eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Zurückweisung ihrer Berufungen nicht bewirken könnte.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.