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VwGH vom 09.02.1999, 98/11/0229

VwGH vom 09.02.1999, 98/11/0229

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des M in E, vertreten durch Dr. Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, Fallmerayerstraße 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. IIb2-3-7-1-212/1, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A bis G vorübergehend für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab der am erfolgten Zustellung des Mandatsbescheides vom , entzogen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde u.a. aus, der Beschwerdeführer habe unbestrittenermaßen am ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Auch das Verschulden eines Unfalles werde nicht bestritten, jedoch eingewendet, daß der Unfall sich auf einem Privatgrundstück ereignet habe und daher die StVO 1960 nicht anzuwenden sei.

Dem sei zu erwidern, daß nach der Rechtsprechung eine Straße mit öffentlichem Verkehr dann vorliege, wenn der Verfügungsberechtigte jeden allgemeinen, wenn auch unter Umständen auf bestimmte Personengruppen beschränkten Fahrzeug- oder Fußgängerverkehr zulasse. Behalte sich jedoch der Verfügungsberechtigte die individuelle Zulassung bestimmter Personen zum Fahrzeug- und/oder Fußgängerverkehr auf Straßen für jedermann (z.B. durch Hinweistafeln oder Schranken) erkennbar vor und stelle er diese individuelle Zulassung auch im Sinne des Ausschlusses anderer Personen von dieser Benützung durch bestimmte Maßnahmen regelmäßig sicher (z.B. durch bauliche Hindernisse, Bewachung, Einbringung von Besitzstörungs- oder Eigentumsfreiheitsklagen), so liege eine Straße ohne öffentlichen Verkehr vor. Es komme also nicht auf die Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden an, sondern auf den erkennbaren Willen des über den Weg oder die Straße Verfügungsberechtigten, bestimmte Personengruppen von der Benützung auszuschließen. Im vorliegenden Fall sei daher die StVO 1960 anzuwenden, sodaß eine Entziehung der Lenkerberechtigung für die Dauer von bloß vier Wochen nicht in Betracht gekommen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 19. KFG-Novelle BGBl. I Nr. 103/1997) hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand ein Fahrzeug in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei entweder eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1, Abs. 1a oder Abs. 1b StVO 1960, auch wenn die Tat nach § 83 SPG zu beurteilen ist, oder eine strafbare Handlung gemäß den §§ 80, 81 und 88 StGB begangen hat.

Gemäß § 73 Abs. 3 Z. 1 KFG 1967 (in der Fassung der 19. KFG-Novelle) ist im Falle der erstmaligen Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e die im Abs. 2 angeführte Zeit, wenn der Alkoholgehalt des Blutes weniger als 1,2 g/l oder der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,6 mg/l betragen hat und die Person bei Begehung dieser Übertretung nicht einen Verkehrsunfall verschuldet hat, mit mindestens vier Wochen festzusetzen.

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, daß der Alkoholgehalt des Blutes beim Beschwerdeführer mehr als 0,8 g/l und weniger als 1,2 g/l betragen hat. Streit besteht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens allein darüber, ob der vom Beschwerdeführer verschuldete Verkehrsunfall (Streifung einer Hausmauer, wobei diese und das Fahrzeug des Beschwerdeführers beschädigt wurden) sich beim Befahren einer Straße mit öffentlichem Verkehr ereignet hat oder ob dies auf einer Straße ohne öffentlichen Verkehr der Fall war. Diese Frage ist deshalb von Bedeutung, weil die vom Beschwerdeführer angestrebte Anwendung des § 73 Abs. 3 Z. 1 KFG 1967 davon abhängig ist. Wenn nämlich der Unfall beim Befahren einer Straße mit öffentlichem Verkehr (§ 1 Abs. 1 StVO 1960) geschehen ist, wäre er "bei Begehung" der Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 geschehen und würde damit die Anwendung des § 73 Abs. 3 Z. 1 leg. cit. ausschließen.

Die belangte Behörde ging - ebenso wie die Erstbehörde - von den in der Anzeige enthaltenen Angaben aus. Danach führt der Weg - auf dem sich der Unfall ereignet hat - um das Haus der ehemaligen Schwiegereltern des Beschwerdeführers. Die asphaltierte Zufahrt (Gemeindestraße) münde in einen Schotterweg, der um das Haus herumführe und dann wieder in die Gemeindestraße münde. Dieser Weg könne von jedermann unter denselben Bedingungen benützt werden, es sei weder eine Absperrung noch eine Beschilderung vorhanden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu u.a. die Erkenntnisse vom , Zl. 93/03/0205, vom , Zl. 94/03/0266, vom , Zl. 95/03/0009, vom , Zl. 94/11/0314, und vom , Zl. 93/03/0132) kommt es bei der Beurteilung der für die Anwendbarkeit der StVO 1960 maßgebenden Frage, ob eine Straße mit öffentlichem Verkehr vorliegt (§ 1 Abs. 1 StVO 1960), nicht auf die Eigentumsverhältnisse an der Straßengrundfläche an. Nach § 1 Abs. 1 zweiter Satz StVO 1960 gelten als Straßen mit öffentlichem Verkehr solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Es kommt hiebei auf die tatsächliche Benützbarkeit und Benützung der betreffenden Fläche an; steht diese nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung für den Fußgängerverkehr bzw. Fahrzeugverkehr frei, dann ist sie eine Straße mit öffentlichem Verkehr. Willenserklärungen des über die Fläche Verfügungsberechtigten, die auf eine Einschränkung der Benützung abzielen, jedoch nur gegenüber Einzelpersonen abgegeben werden und nicht durch allgemein erkennbare schriftliche oder durch Zeichen erfolgte Erklärungen an der Straßenfläche selbst erfolgen, vermögen an dieser Qualifikation nichts zu ändern.

Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, daß die belangte Behörde keinen Augenschein an der Unfallstelle vorgenommen habe, zeigt aber nicht konkret auf, welche für die Beurteilung im zuvor genannten Sinne maßgebenden Sachverhaltsvermerkmale dadurch hätten hervorkommen können. Die Frage, ob es sich um Privatgrund handelt, ist im gegebenen Zusammenhang - wie bereits dargelegt wurde - nicht entscheidend, weil es auf das Grundeigentum nicht ankommt. Aus welchem Grund "schon auf den ersten Blick klar" sein soll, daß die Fahrt rund um dieses Haus "weder gewünscht noch gestattet geschweige denn notwendig" sei, ist nicht erkennbar. Besucher und andere Personen, die bei dem Haus zu tun haben, werden den Weg regelmäßig benützen.

Daß die belangte Behörde nicht den rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens betreffend das vom Beschwerdeführer begangene Alkoholdelikt abgewartet hat, belastet ihr Verfahren nicht mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde war berechtigt, diese Frage - die im Verwaltungsverfahren nicht strittig war - als Vorfrage selbständig zu beurteilen. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang das Verbot der Doppelbestrafung ins Treffen führt, ist ihm zu erwidern, daß es sich bei der Entziehung der Lenkerberechtigung nicht um eine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme im Interesse der Verkehrssicherheit handelt.

Durch die Festsetzung der Entziehungszeit mit sechs Monaten, die der Beschwerdeführer unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bekämpft, wurde der Beschwerdeführer in seinen Rechten nicht verletzt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/11/0213). Umstände, die die Festsetzung der geringsten möglichen Entziehungszeit von drei Monaten (§ 73 Abs. 2 KFG 1967) als zutreffend erscheinen ließen, liegen nicht vor. Wirtschaftliche Nachteile aufgrund der Entziehung der Lenkerberechtigung spielen bei der der Festsetzung der Zeit zugrunde liegenden Prognose, wann der Besitzer einer Lenkerberechtigung die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen werde, keine Rolle.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am