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VwGH vom 17.12.1998, 98/11/0227

VwGH vom 17.12.1998, 98/11/0227

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, Churerstraße 1-3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom , Zl. Ib-277-51/98, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am um 10.00 Uhr auf einer näher bezeichneten Stelle der Inntalautobahn A 12 mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw die durch Verkehrszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 51 km/h überschritten zu haben. Mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom wurde die Berufung - abgesehen von der Herabsetzung der verhängten Strafe - abgewiesen.

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes die Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen von der Zustellung dieses Bescheides (dem ) an entzogen. Mit Vorstellungsbescheid der Erstbehörde vom wurde ausgesprochen, daß "die Entziehung ... mit Zustellung des Mandatsbescheids" beginne und "2 Wochen nach Abgabe des Führerscheins (am )" ende. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der gegen den Vorstellungsbescheid vom erhobenen Berufung keine Folge gegeben und dieser Bescheid bestätigt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß die mißverständliche Wendung in dem mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Spruch des Vorstellungsbescheides vom , wonach die Entziehung mit Zustellung des Mandatsbescheids beginne und zwei Wochen nach Abgabe des Führerscheins (am ) ende, vor dem Hintergrund des Verwaltungsgeschehens so zu verstehen ist, daß das Datum das Ende der Entziehungsdauer und nicht (wie der Wortsinn dieser Wendung ebenfalls deutbar wäre) den Beginn der zweiwöchigen Frist bezeichnet.

Der Beschwerdeführer stellt das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG nicht in Abrede. Er bringt aber vor, daß diese bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 und 5 FSG hätte gewertet werden müssen. Bei einer Wertung nach den Kriterien des § 7 Abs. 5 FSG wäre er nicht als verkehrsunzuverlässig zu qualifizieren gewesen.

Die belangte Behörde dagegen beruft sich auf die zu § 66 Abs. 2 lit. i und § 73 Abs. 3 KFG 1967 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach in (u.a.) diesem speziellen Fall die sonst erforderliche Wertung vom Gesetzgeber selbst vorgenommen worden sei und seitens der Entziehungsbehörde nicht mehr zur Anwendung zu kommen habe; sie zitiert in diesem Zusammenhang das Erkenntnis vom , Zl. 96/11/0197.

Gemäß § 7 Abs. 1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muß, daß sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand. Gemäß § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde. Gemäß § 7 Abs. 5 FSG sind für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Gemäß § 26 Abs. 3 FSG in der Fassung BGBl. I Nr. 2/1998 hat im Falle der erstmaligen Begehung einer im § 7 Abs. 3 Z. 4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde - die Entziehungsdauer zwei Wochen zu betragen.

Dem Beschwerdeführer ist zunächst entgegenzuhalten, daß es im gegebenen Zusammenhang nicht darauf ankommt, ob er sich unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde, da eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 FSG - und nicht etwa nach § 7 Abs. 4 FSG - vorliegt.

Ihm ist jedoch einzuräumen, daß der Wortlaut des Gesetzes auf den ersten Blick für seinen Standpunkt zu sprechen scheint. Das Vorliegen einer bestimmten Tatsache allein ist zwar grundsätzlich ein Indiz dafür, daß der betreffende Lenker verkehrsunzuverlässig ist. Diese bestimmte Tatsache bedarf in der Regel aber noch einer Wertung an Hand der Kriterien des § 7 Abs. 5 FSG. Daraus ergibt sich, daß es bestimmte Tatsachen gibt, deren ungeachtet der betreffende Lenker als verkehrszuverlässig anzusehen ist, wenn die geringe Verwerflichkeit der Tat dies zuläßt, die Gefährlichkeit der Verhältnisse als untypisch gering anzusehen ist und das Verhalten des Lenkers in der - hiefür ausreichend langen - Zeit zwischen der Tat und der Entziehung keinen Schluß auf eine Sinnesart nahelegt, wie sie aus der bestimmten Tatsache zunächst erschließbar gewesen zu sein schien.

Der Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmungen des FSG unterscheidet sich

aber in den entscheidenden Punkten nicht von dem Wortlaut der denselben Gegenstand regelnden Bestimmungen des KFG 1967 (insbesondere des § 66 Abs. 2 und 3). In Ansehung der damals gegebenen Rechtslage hat aber der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund der Materialien zur 18. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 162/1995, mit der die Bestimmungen des § 66 Abs. 2 lit. i und des § 73 Abs. 3 dritter Satz in das KFG 1967 eingefügt worden sind, nämlich dem Ausschußbericht 93 BlgNR 19. GP in Verbindung mit dem zugrundeliegenden Initiativantrag 122/A dem Umstand, daß eine nach den Wertungskriterien zu erfolgende Bemessung der Entziehungsdauer nicht in Betracht kommt, den Schluß gezogen, daß auch die Wertung jener bestimmten Tatsachen, in Ansehung derer im Gesetz selbst die Entziehungsdauer mit einem fixen Zeitraum normiert ist, zu entfallen hat. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß im gegebenen Zusammenhang dem FSG ein anderer Inhalt beizumessen wäre; aus den Materialien zu diesem Gesetz ergibt sich kein Anhaltspunkt, daß der Gesetzgeber eine Änderung der Rechtslage hätte herbeiführen wollen.

Ausgehend von der Überlegung, daß eine Entziehung ohne Wertung der zugrundeliegenden bestimmten Tatsache für eine dem Gesetz selbst fixierte verhältnismäßig kurze Zeit in möglichst großer zeitlicher Nähe zu der bestimmten Tatsache (hier: der Geschwindigkeitsüberschreitung) erfolgen soll, hat der Verwaltungsgerichtshof der seit der Tat verstrichenen Zeit und dem Verhalten während dieser Zeit dennoch Bedeutung beigemessen, da es nicht anginge, die Entziehung für eine verhältnismäßig geringfügige pauschale Dauer auch noch lange Zeit nach der Begehung des entsprechenden Delikts bei anschließendem Wohlverhalten zu verfügen, zumal zu diesem Zeitpunkt von einer aktuellen Verkehrsunzuverlässigkeit der betreffenden Person nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. zum diesbezüglich gleichlautenden KFG 1967 das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 97/11/0213). Die in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshof im Wege der Analogie angenommene zeitliche Grenze - nämlich ein Jahr von der Vollstreckung der Strafe bzw. der Entrichtung der Geldstrafe an (§ 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967 - vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 96/11/0254) - kommt in dieser Form im FSG nicht mehr vor. In der dem § 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967 entsprechenden Bestimmung des § 7 Abs. 6 FSG ist von der Tilgung die Strafe die Rede. Diese Bestimmung bietet sich daher im gegebenen Zusammenhang nicht mehr als nächstverwandte und daher analog anwendbare Regelung an. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt daher nunmehr die Auffassung, daß ein Delikt im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG jedenfalls dann nicht mehr die Entziehung der Lenkerberechtigung der betreffenden Person rechtfertigt, wenn zwischen der Tat und der Einleitung des Entziehungsverfahrens mehr als ein Jahr verstrichen und die betreffende Person in dieser Zeit im Verkehr nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist.

Im vorliegenden Fall bedeutet das, daß die verfügte Entziehungsmaßnahme nicht rechtswidrig ist, weil das Delikt am begangen wurde und das Entziehungsverfahren (offenbar durch Erlassung des Mandatsbescheides vom ) am eingeleitet worden ist.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am

Fundstelle(n):
VAAAE-47494