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VwGH vom 24.04.1995, 93/10/0035

VwGH vom 24.04.1995, 93/10/0035

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des E in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. Ro-146/1/1993, betreffend naturschutzbehördlichen Entfernungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am beantragte der Beschwerdeführer die naturschutzrechtliche Bewilligung für Maßnahmen zur Entwässerung seines im Landschaftsschutzgebiet St. Urban-See gelegenen Grundstückes Nr. n1 KG St. Urban. Mit Vorhalt vom teilte die BH dem Beschwerdeführer mit, sie beabsichtige, auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens die angestrebte Bewilligung zu versagen.

Am - das Bewilligungsverfahren war zu diesem Zeitpunkt in erster Instanz anhängig - stellte ein Organ der Naturschutzbehörde fest, daß der Beschwerdeführer auf dem genannten Grundstück eine Anschüttung vorgenommen hatte.

Die BH holte ein Gutachten einer Amtssachverständigen für Naturschutz ein. Diese legte dar, die Anschüttung befinde sich ca. 85 cm vom Weg entfernt auf dem Grundstück Nr. n1, umfasse eine Länge von 65 bis 70 m, eine Breite von 30 bis 35 m und sei zwischen 0 und 50 cm hoch. Die ersten sechs bis zehn Meter seien nicht als Feuchtgebiet zu qualifizieren, wohl aber die restlichen 55 bis 60 m in Richtung Seeabfluß. Es sei eine Fläche von ca. 2100 m2, die eindeutig als Sumpf- bzw. Moorfläche zu qualifizieren sei, vernichtet worden. Der Pflanzenbestand der angeschütteten Fläche sei durch im einzelnen aufgezählte Pflanzen mit hohen Ansprüchen an die Bodenfeuchtigkeit geprägt.

In seiner Stellungnahme führte der Beschwerdeführer aus, es handle sich nicht um Sumpfgrundstücke, sondern um seit eh und je landwirtschaftlich genutzte Flächen. Eine Vernässung habe nur deshalb erfolgen können, weil durch verschiedene Unwetter der Verlauf des Baches verlegt worden, dieser aus dem ursprünglichen Bachbett ausgetreten sei und das umliegende Land vernäßt habe.

Mit Bescheid vom versagte die BH die angestrebte naturchutzbehördliche Bewilligung.

Mit Bescheid vom verpflichtete die BH den Beschwerdeführer, die auf dem Sumpfgrundstück Nr. n1 KG St. Urban vorgenommene Anschüttung restlos zu beseitigen und ordnungsgemäß auf einen bewilligten Ablagerungsplatz zu verbringen. Der weitere Text des Bescheidspruches lautet:

"BESCHREIBUNG DER ANSCHÜTTUNGSFLÄCHE:

Die Anschüttung befindet sich ca. 85 cm vom Weg entfernt auf dem Grundstück Nr. n1, umfaßt eine Länge von 65 - 70 m, eine Breite von 30 - 35 m und ist von 0 - 50 cm hoch. Die ersten 6 - 10 m sind nicht als Feuchtgebiet zu qualifizieren, wohl aber die restlichen 55 - 60 m in Richtung Seeabfluß. Es wurde eine Fläche von ca. 2100 m2, die eindeutig als Sumpf- bzw. Moorfläche zu qualifizieren ist, angeschüttet.

Die Beseitigung ist wie folgt vorzunehmen:

Das Schüttmaterial ist bis auf das Niveau der an die Schüttfläche angrenzenden Feuchtfläche abzunehmen."

In seiner gegen den zuletzt erwähnten Bescheid erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer unter anderem die Auffassung, die Behörde habe "eine genaue Abgrenzung" der angeblich aufgeschütteten Fläche unterlassen. Er habe nur Unebenheiten ausgeglichen, die durch die Verschüttung des Bachbettes durch Unwetter entstanden seien. Nach der Wiederherstellung des Bachbettes in seinem ursprünglichen Zustand sei die Vernässung abgeklungen. Die Wiesenfläche verlaufe parallel zum Seeabfluß des Urban-Sees; die Feststellung der Behörde, daß die restlichen 55 - 60 m "in Richtung Seeabfluß" gelegen sein sollten, seien unrichtig und zeugten von der Oberflächlichkeit der Feststellungen. Die im Bereich des Seeabflusses gelegene Sumpffläche sei vermutlich durch den Aufstau des Urban-Sees entstanden; diese werde durch die Ausgleichung von Unebenheiten auf dem Grundstück des Beschwerdeführers in keiner Weise berührt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde begründend im wesentlichen die Auffassung, das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die mangelhafte Umschreibung der aufgeschütteten Fläche entbehre im Hinblick auf die detaillierte Beschreibung im Bescheid der BH jeder sachlichen Grundlage. Im übrigen sei dem schlüssigen und ausführlichen Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz zu folgen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das strittige Grundstück liegt im örtlichen Anwendungsbereich der auf Grund des § 3 Abs. 1 und 3 LSchG 1969 erlassenen Verordnung der Kärntner Landesregierung vom , LGBl. Nr. 31, mit der der St. Urban-See und seine Umgebung zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wird. Diese Verordnung gilt derzeit gemäß § 69 Abs. 5 des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986 idF LGBl. Nr. 4/1988 (NSchG), als landesgesetzliche Regelung weiter. Nach § 2 Abs. 4 der zitierten Verordnung bedarf die Anschüttung von Sumpf- oder Moorböden im Landschaftsschutzgebiet einer Bewilligung.

Nach § 8 NSchG ist in Sumpf- und Moorflächen, Schilf- und Röhrichtbeständen, sowie in Au- und Bruchwäldern die Vornahme von Anschüttungen, Entwässerungen, Grabungen und sonstigen, den Lebensraum von Tieren und Pflanzen in diesem Bereich nachhaltig gefährdenden Maßnahmen verboten.

Nach § 57 Abs. 1 leg. cit. ist die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes binnen angemessen festzusetzender Frist aufzutragen, wenn Maßnahmen, die nach diesem Gesetz oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung verboten oder bewilligungspflichtig sind, entgegen dem Verbot, ohne Bewilligung oder abweichend von einer Bewilligung ausgeführt wurden.

Die Beschwerde wendet sich zunächst - im Ergebnis - gegen die Auffassung der belangten Behörde, es handle sich im Beschwerdefall um eine im Sinne des § 57 Abs. 1 NSchG nach diesem Gesetz oder einer nach diesem Gesetz erlassenen Verordnung verbotene oder bewilligungspflichtige Maßnahme. In diesem Zusammenhang vertritt sie die Auffassung, es sei nicht ausreichend aufgeklärt worden, ob es sich tatsächlich um Sumpf- bzw. Moorflächen handle.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 NSchG sind wesentliche Elemente für die Qualifikation einer Fläche als Sumpffläche die häufige oder ständige Durchnässung des Bodens und das Vorhandensein von an die besonderen Wasserverhältnisse angepaßten Pflanzengemeinschaften (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 90/10/0002, und vom , Zl. 90/10/0146). Auf eine Vernässung der Fläche (infolge Verlegung des Bachbettes) hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren selbst hingewiesen; den Darlegungen der Sachverständigen betreffend das Vorkommen von Pflanzen mit hohen Ansprüchen an die Bodenfeuchtigkeit ist er im Verwaltungsverfahren nicht konkret entgegengetreten. Bei dieser Sachlage vermag die Beschwerde mit ihren gegen das Gutachten gerichteten Darlegungen keine Rechtswidrigkeit der Annahme der belangten Behörde aufzuzeigen, daß sich auf dem Grundstück des Beschwerdeführers eine Sumpffläche befunden habe. Zur Frage, ob ausreichende Feststellungen betreffend die räumliche Ausdehnung der Sumpffläche vorliegen, wird auf die folgenden Darlegungen verwiesen.

Die Beschwerde vertritt weiters - im Ergebnis zu Recht - die Auffassung, die Umschreibung der Feuchtgebietsflächen (in Abgrenzung zu den Wiesenflächen), der vorgenommenen Anschüttung und des Umfanges des Entfernungsauftrages im angefochtenen Bescheid sei nicht nachvollziehbar.

Die Frage, ob das Leistungsgebot den Bestimmtheitsanforderungen des § 59 Abs. 1 AVG entspricht, ist an Hand des Inhaltes des Spruches des angefochtenen Bescheides gegebenenfalls unter Einbeziehung weiterer, einen Bestandteil des Bescheides bildender Unterlagen, wie z.B. von Plänen zu lösen, wobei zur Auslegung des Spruches im Zweifelsfall die Begründung des Bescheides heranzuziehen ist. Der Spruch eines Bescheides, mit dem eine Verpflichtung auferlegt wird, muß so bestimmt gefaßt sein, daß einerseits dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, und andererseits ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung im Rahmen einer allfälligen - ihrem Umfang nach deutlich abgegrenzten Ersatzvornahme - ergehen kann (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/07/0014, und vom , Zl. 93/06/0078). Ein naturschutzbehördlicher Wiederherstellungsauftrag, der die Lage von Anschüttungen, deren Entfernung aufgetragen wird, durch Bezeichnung des Grundstückes, auf dem sich die Anschüttungen befinden, die Angabe des Materials, aus dem diese bestehen, und die Bezeichnung des Ausmaßes der Flächen, die von den Anschüttungen bedeckt werden, beschreibt, entspricht den soeben dargelegten Bestimmtheitsanforderungen dann, wenn im konkreten Fall weder beim Bescheidadressaten noch bei der Vollstreckungsbehörde Zweifel darüber entstehen können, welche Anschüttungen zu entfernen sind, damit dem erteilten Auftrag entsprochen werde (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 94/10/0036).

Zwar dürfen die Bestimmtheitsanforderungen nicht überspannt werden; auf kleinste Entfernungseinheiten bezogene wörtliche oder vermessungstechnische Angaben über die Position von Anschüttungen innerhalb einer hinreichend bestimmt umschriebenen Fläche sind insbesondere dann entbehrlich, wenn auf Grund der Verhältnisse in der Natur, vor allem auf Grund einer deutlichen Unterscheidbarkeit der zu entfernenden Anschüttungen von den von diesen nicht betroffenen Flächen, beim Verpflichteten und der Vollstreckungsbehörde kein Zweifel über den räumlichen Umfang des Entfernungsauftrages bestehen kann. Daß hier ein solcher Fall vorläge, wurde ungeachtet des schon im Berufungsverfahren erhobenen Einwandes des Beschwerdeführers betreffend die Bestimmtheit des erteilten Auftrages nicht festgestellt.

Auch sonst kann der Umfang des erteilten Entfernungsauftrages an Hand der im Bescheid enthaltenen Angaben nicht zweifelsfrei festgestellt werden: Nach der vom angefochtenen Bescheid rezipierten Umschreibung der von den Anschüttungen betroffenen Fläche im Bescheid der BH befinde sich die Anschüttung "ca. 85 cm vom Weg entfernt"; die "ersten 6 - 10 m" - offenbar bezogen auf die Anschüttung, gemessen vom oben erwähnten Weg - "sind nicht als Feuchtgebiet zu qualifizieren, wohl aber die restlichen 55 - 60 m in Richtung Seeabfluß". Die Formulierung läßt völlig offen, ob sich die Grenze der vom Entfernungsauftrag betroffenen Fläche - vom erwähnten, in Lage und Verlauf nicht näher beschriebenen Weg gesehen - in einer Entfernung von "6 - 10 m" oder von 85 cm befindet. Im letztgenannten Fall könnte der Entfernungsauftrag nicht auf § 57 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 NSchG bzw. § 2 Abs. 4 der zitierten Verordnung gestützt werden, weil die belangte Behörde offenbar selbst nicht von der Sumpfflächeneigenschaft jenes Bereiches ausgeht, der sich vom Weg 6 - 10 m in Richtung See erstreckt. Schon diese Unklarheit bedeutet einen Verstoß gegen § 59 Abs. 1 AVG. Ebensowenig entsprechen unter den Verhältnissen des Beschwerdefalles - mangels Feststellungen über die deutliche Unterscheidbarkeit zwischen Anschüttungen und ursprünglichem Gelände in der Natur - Längenangaben von 6 bis 10 m, 65 bis 70 m, 30 bis 35 m und 55 bis 60 m den Bestimmtheitsanforderungen. In der vorliegenden Form entspricht die Umschreibung der vom Entfernungsauftrag betroffenen Fläche somit nicht den Anforderungen des § 59 Abs. 1 AVG. Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Nicht zu beanstanden ist hingegen die Bezeichnung der Höhe der Anschüttung mit 0 bis 50 cm, die im Zusammenhang mit der Anordnung zu sehen ist, das Schüttmaterial bis auf das Niveau der an die Schüttfläche angrenzenden Feuchtflächen abzunehmen. Die Beschwerde bestreitet nicht, daß die Anschüttungen in der Natur - offenbar bedingt durch vor der Anschüttung bestehende Niveauunterschiede - eine Höhe zwischen 0 und 50 cm aufweisen; im Zusammenhalt mit der soeben erwähnten Anordnung kann in einem solchen Fall beim Verpflichteten kein Zweifel bestehen, daß seine Verpflichtung durch Abtragung des Anschüttungsmaterials bis auf das Niveau der umgebenden Feuchtflächen erfüllt wird. Die Darlegungen der Beschwerde, die Erfüllung der Verpflichtung würde die Entstehung einer Vertiefung von 50 cm im Verhältnis zu den angrenzenden Wiesenflächen nach sich ziehen, weil die gegenständlichen Flächen mit diesen eine Ebene bildeten, verkennen, daß die Anschüttungen nach dem Inhalt des erteilten Auftrages jedenfalls nicht unter das Niveau der angrenzenden FEUCHTflächen abzutragen sind. Allerdings erfordert § 59 AVG im vorliegenden Zusammenhang auch eine nähere Bezeichnung der Lage der "angrenzenden Feuchtflächen" im Bescheid.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.