VwGH vom 25.10.1990, 90/06/0079
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde 1) des AM und 2) der HM gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A 17 - K - 5.511/1990-2, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: A-GmbH), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte A-GmbH beantragte am beim Magistrat Graz die Erteilung einer Widmungsbewilligung für das Grundstück Nr. 369/4 in EZ 281 der Katastralgemeinde W für die Errichtung einer Wohnhausanlage. Nach Einholung verschiedener Stellungnahmen und eines Gutachtens des Stadtplanungsamtes hat die Behörde erster Instanz für den eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der auch die Beschwerdeführer als Nachbarn unter Bekanntgabe des Verhandlungsgegenstandes und unter Hinweis auf die Säumnisfolgen des § 42 AVG 1950 geladen wurden. Bei dieser mündlichen Verhandlung sprachen sich die Beschwerdeführer (soweit dies für das vorliegende Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist) gegen den im Gutachten des Stadtplanungsamtes empfohlenen Bebauungsdichtewert von mindestens 0,3 bis 0,6 als zu hoch aus.
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde die beantragte Widmungsbewilligung unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt, wobei die Bebauungsdichte im Sinne des Sachverständigengutachtens mit 0,3 bis 0,6 festgelegt wurde. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden abgewiesen. In der Begründung ihres Bescheides verwies die Behörde darauf, daß das Grundstück nach dem Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz in einem "allgemeinen Wohngebiet", für welches ein maximaler Dichtewert von 0,6 festgesetzt sei, liege. Unter den hinsichtlich der Bebauungsdichte bestehenden - von der Behörde näher dargelegten - örtlichen Verhältnissen sei der mit 0,6 festgesetzte Wert für die maximale Bebauungsdichte städtebaulich gerechtfertigt.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, in der sie die Richtigkeit der im bekämpften Bescheid angegebenen Nettobaufläche bezweifeln und vorbringen, daß sich nördlich ihres Hauses "eine Einfahrt zur Garage bzw. zum hinteren Eingang (erster Stock) dieses Hauses" befinde, die zwar zur gegenständlichen Widmungsfläche gehöre, von den Beschwerdeführern aber seit über zehn Jahren ungehindert zum Gehen und Fahren benützt würde. Eine "Umfunktionierung ... als Gehweg zu den geplanten Wohnhäusern" sei daher nicht möglich, weil die Einfahrt nur eine Breite von 3 m habe. Die von der Behörde (zu ergänzen: in der Begründung des bekämpften Bescheides) angeführte Verbauungsdichte des Hauses der Beschwerdeführer von 1,1 könnten diese "nicht zur Kenntnis nehmen", da dieses Haus im Jahre 1911 mit dem gegenständlichen Widmungsgrund verbunden gewesen und demnach eine Dichte von ca. 0,1 aufgewiesen habe. Mit der Abtrennung des (numehr zu widmenden) Nachbargrundstückes könne keine "'Aufwertung' der Dichte" verbunden sein, weil dies "Bebauungsmanipulationen" Tür und Tor öffnen würde. Andere Grundstücke mit geringerer Bebauungsdichte seien von der Behörde nicht angeführt worden; die Berücksichtigung auch dieser Grundstücke hätte zu einem niedrigeren Durchschnittswert der Bebauungsdichte geführt.
Die belangte Behörde hat die Berufung der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Nach der in der Begründung dieses Bescheides zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung der belangten Behörde habe eine Auseinandersetzung mit dem in der Berufung erstmals erstatteten Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich der Größe der Nettobaufläche und der Zufahrt infolge eingetretener Präklusion zu unterbleiben. Hinsichtlich der Einwendungen gegen die Bebauungsdichte hätten die Beschwerdeführer die gutachtlichen Äußerungen des Sachverständigen des Stadtplanungsamtes nicht zu widerlegen vermocht. Allein durch die Ausweisung des gegenständlichen Gebietes im Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Graz im "allgemeinen Wohngebiet" mit einem Bebauungsdichtewert von 0,3 bis 0,6 und durch die Festlegungen im Stadtentwicklungskonzept 1980, wonach dieses Gebiet als "Vorranggebiet für Wohnen", in welchem zufolge der günstigen Bedingungen jedenfalls eine Verdichtung der Baumassen angebracht sei, komme es auf das Vorhandensein von Bauführungen mit geringerer als von der Unterbehörde festgestellter Dichte ebensowenig an, wie darauf, daß die (höhere) Bebauungsdichte des Hauses der Beschwerdeführer von 1,1 ursprünglich nicht gegeben, sondern erst durch die spätere (1977 erfolgte) Abtrennung von Grundstücksteilen entstanden sei. Der städtebaulichen Betrachtung sei die tatsächlich vorhandene und nicht die dereinstige Bebauungsdichte zugrunde zu legen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt,
jedoch keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit die Beschwerdeführer wie schon in ihrer Berufung neuerlich die Richtigkeit der von der Behörde erster Instanz festgestellten Nettobauplatzfläche bezweifeln und die Frage der Erreichbarkeit des zu widmenden Grundstückes über eine von den Beschwerdeführern benützte Zufahrt (in der Beschwerde erstmals als Servitutsweg bezeichnet) aufwerfen, erübrigt sich eine nähere Erörterung dieses Vorbringens schon deshalb, weil die Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom , bei der nach dem Inhalt des bei den Verwaltungsakten befindlichen Verhandlungsprotokolles auch die Nettobauplatzfläche durch den Sachverständigen des Stadtplanungsamtes erörtert wurde, keine diesbezüglichen Einwendungen erhoben haben, obwohl sie zu dieser Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 AVG 1950 unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG 1950 geladen worden waren. Dies hat nach der eben zitierten Gesetzesbestimmung zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und die Beteiligten dem Parteienantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden. Schon aus diesen Gründen durfte die belangte Behörde auf präkludierte Einwendungen der Beschwerdeführer nicht eingehen, dies ungeachtet der Frage, ob und inwieweit es sich dabei überhaupt um zulässige Einwendungen im Sinne des § 61 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, zuletzt geändert durch die Novelle LGBl. Nr. 14/1989, gehandelt hat. Die Beschwerdehinweise auf den Zusammenhang von Nettobauplatzfläche und Bebauungsdichte, sind zwar zutreffend, es ist jedoch nicht ersichtlich, worauf die Beschwerdeführer mit diesem Argument hinauswollen: Im Widmungsbescheid ist die Bebauungsdichte mit einer Verhältniszahl ausgedrückt, die sich gemäß § 23 Abs. 12 des Stmk Raumordnungsgesetzes (ROG) aus der Teilung der Gesamtfläche der Geschoße durch die zugehörige Bauplatzfläche ergibt. Das Verhältnis dieser beiden in der Bebauungsdichtezahl zum Ausdruck kommenden Größen ist für das (spätere) Baubewilligungsverfahren bindend. Selbst wenn also die Behauptung der Beschwerdeführer zuträfe, daß die dem Widmungsverfahren zugrundegelegte Nettobauplatzgröße unrichtig ermittelt worden sei, so hätte dies nicht die Unrichtigkeit der festgelegten Bebauungsdichte zur Folge, sondern würde allenfalls eine entsprechende Anpassung des konkreten Bauprojektes im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens erfordern.
Gemäß § 61 Abs. 2 Stmk BO (nach § 3 Abs. 1 BO auch im Widmungsverfahren sinngemäß anzuwenden), kann der Nachbar gegen die Erteilung der Widmungsbewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Diese Vorschriften sind in den lit. a bis k des § 61 Abs. 2 BO taxativ aufgezählt. Nach lit. b gehört dazu die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, dem Bebauungsplan und den Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist (§ 3 Abs. 2 BO), nach lit. c das Planungsermessen bei Festlegung der Bebauungsgrundlagen im Sinne des § 3 Abs. 3 BO, worin auch die Bebauungsdichte genannt ist.
Die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist im Falle von Rechtsmitteln einer Partei mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf die Beschwerdeführer als Nachbarn aufgrund des § 61 Abs. 2 BO zutrifft, auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer das Mitspracherecht als ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung besteht (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 10317/A). Wegen dieser Einschränkung des Mitspracherechtes können Nachbarn auch Verfahrensmängel nur soweit geltend machen, als sie dadurch in der Verfolgung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte beeinträchtigt werden können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 8713/A, und vom , Slg. 9170/A).
Soweit sich die vorliegende Beschwerde auf die nach Meinung der Beschwerdeführer zu hoch festgelegte Obergrenze für die Bebauungsdichte von 0,6 bezieht, macht sie ein im Sinne des § 61 Abs. 2 lit. c in Verbindung mit § 3 Abs. 3 BO eingeräumtes Nachbarrecht geltend. Die Beschwerde ist allerdings auch in diesem Punkt nicht berechtigt:
Nach den im gesamten Verfahren unbestritten gebliebenen Feststellungen der Behörde erster Instanz liegt das zu widmende Grundstück im Bauland und ist im geltenden Flächenwidmungsplan gemäß § 23 Abs. 5 lit. b ROG als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Dabei handelt es sich um Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten u. a., soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen) errichtet werden können.
Nach § 2 Abs. 2 lit. a der Bebauungsdichteverordnung, LGBl. Nr. 60/1987, betragen die zulässigen Mindest- und Höchstwerte der Bebauungsdichte für allgemeine Wohngebiete 0,1 bis 1,2. Nach dem Flächenwidmungsplan ist auf der gegenständlichen Liegenschaft eine Bebauungsdichte von 0,3 bis 0,6 vorgesehen, die von den Beschwerdeführern ebenfalls nicht in Zweifel gezogen wird. Gegen die Ausschöpfung der vollen Bandbreite der zulässigen Bebauungsdichte durch den Widmungsbescheid besteht kein Bedenken, erfolgte doch diese Festlegung aufgrund des Sachverständigengutachtens des Stadtplanungsamtes vom , dessen Befund und schlüssigen Gutachten die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sind. In diesem Gutachten sind die tatsächlichen bzw. die zulässigen Bebauungsdichtewerte der umliegenden Grundstücke berücksichtigt; einen Widerspruch zwischen dem schließlich festgelegten Höchstmaß der Bebauungsdichte mit dem tatsächlichen bzw. sich aus den zulässigen planerischen Absichten (wie sie im Flächenwidmungsplan und im Stadtentwicklungskonzept zum Ausdruck kommen) ergebenden Gebietscharakter vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen kommt es bei der Festlegung der Bebauungsdichte im Rahmen der Vorgaben des Flächenwidmungsplanes nicht - wie die Beschwerdeführer meinen - auf denjenigen Gebietscharakter an, der im Jahre 1911 bestanden haben mag, sondern auf den, der sich aus den tatsächlichen Gegebenheiten und den gültigen planerischen Zielsetzungen im Zeitpunkt der Erteilung der Widmungsbewilligung ergibt. Es ist daher ohne Bedeutung, ob die tatsächlich vorhandene Bebauungsdichte der Liegenschaft der Beschwerdeführer mit 1,1 nur dadurch entstanden ist, weil das Widmungsgrundstück vom Grundstück der Beschwerdeführer abgeteilt wurde.
Ebensowenig verfängt schließlich die Verfahrensrüge der Beschwerdeführer, wonach die belangte Behörde ihrer sich aus § 13a AVG 1950 ergebenden Manuduktionspflicht nicht nachgekommen sei. Es ist auch unter dem Gesichtspunkt des § 13a AVG 1950 nicht Aufgabe der Behörde, die Parteien des Verfahrens zur Erhebung bestimmter Einwendungen und zu deren inhaltlicher Ausgestaltung anzuleiten (vgl. die bei HAUER - LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, zu § 13a unter Nr. 6 bis 8 zitierten hg. Erkenntnisse sowie das Erkenntnis vom , Zl. 87/06/0025). Auf die Notwendigkeit der rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG 1950 wurden die Beschwerdeführer - wie sie nicht bestreiten - in der Ladung ohnehin hingewiesen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.