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VwGH vom 08.10.1996, 96/04/0174

VwGH vom 08.10.1996, 96/04/0174

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom , Zl. 306.617/1-III/A/2a/93, betreffend Verfahren gemäß § 79 GewO 1973 (mitbeteiligte Partei: S-OEG in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom wurde der mitbeteiligten Partei in Ansehung ihrer Gastgewerbebetriebsanlage gemäß § 79 GewO 1973 folgende weitere Auflage vorgeschrieben:

"Der Gastgarten darf vom 15. Juni bis einschließlich 15. September jeweils von 8.00 Uhr bis 23.00 Uhr, während des übrigen Jahres von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr betrieben werden."

In der Begründung dieses Bescheides führte der Bundesminister aus, mit seinem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom sei die gewerberechtliche Genehmigung zur Änderung der in Rede stehenden Betriebsanlage durch Errichtung und Betrieb eines Gastgartens bis 24.00 Uhr erteilt worden. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom sei unter Spruchteil II. die Betriebszeit des Gastgartens auf die Zeit von 9.00 Uhr bis 21.00 Uhr beschränkt worden. Diese Betriebszeitenbeschränkung sei auf Grund von Berufungen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom bestätigt worden. Auch gegen diesen Bescheid habe die mitbeteiligte Partei Berufung mit dem Ziel erhoben, den Gastgarten weiterhin bis 24.00 Uhr betreiben zu dürfen. Mit Schriftsatz vom habe die mitbeteiligte Partei ihr Berufungsbegehren dahingehend modifiziert, daß "ein Betrieb des Gastgartens jedenfalls von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr, vom 15.6. bis einschließlich 15.9. bis 23.00 Uhr zulässig" sein solle. Nach Darstellung des Inhaltes des § 153 Abs. 1 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, welche Bestimmung mit Rücksicht auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwenden sei, führte der Bundesminister aus, durch diese Bestimmung seien hinsichtlich der Immissionsart Lärm dem Konsensinhaber bestimmte Betriebszeiten garantiert. Es dürften daher bezüglich der Immissionsart Lärm keine strengeren betriebszeitenbeschränkenden oder sonstigen lärmmindernden Auflagen vorgeschrieben werden, als dies durch die zitierte Gesetzesstelle normiert sei. Im gegenständlichen Fall zeige sich, daß der Gastgarten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gewerberechtsnovelle 1992 rechtmäßig betrieben worden sei, weshalb die zitierte Bestimmung ohne nähere Prüfung, ob sich der Gastgarten auf öffentlichem Grund befinde oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenze, anzuwenden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Bei Behandlung der Beschwerde sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 153 Abs. 1 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 (nunmehr § 148 Abs. 1 GewO 1994) entstanden. Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag, diese Bestimmung als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom , Zl. G 211/94-12 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof § 148 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 mit Ablauf des als verfassungswidrig auf und ordnete gleichzeitig an, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrecht auf Schutz vor gesundheitsgefährdenden Immissionen aus der in Rede stehenden Betriebsanlage verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht sie geltend, die belangte Behörde gehe unrichtigerweise davon aus, daß das vorliegende Verfahren lediglich gemäß § 79 GewO 1994 geführt worden sei. Gegenstand des Verfahrens sei vielmehr eine Änderung der Betriebsanlage gemäß § 81 Abs. 1 leg. cit. gewesen, wobei die Änderung nur unter Zugrundelegung der fraglichen zeitlichen Auflage bewilligt worden sei. Die erteilte zeitliche Auflage könne niemals losgelöst von der Bewilligung der Betriebsanlagenänderung betrachtet werden. Werde die geänderte Betriebsanlage auch im Gastgarten über 20.00 Uhr hinaus betrieben, wirkten davon in die Wohnung der Beschwerdeführerin (näher dargestellte) gesundheitsgefährdende Lärmimmissionen ein. Der gegenständliche Gastgarten befinde sich weder auf öffentlichem Grund noch grenze er an öffentliche Verkehrsflächen an. Der zweite Satz des § 153 Abs. 1 GewO 1973 sei auf den gegenständlichen Gastgarten nicht anzuwenden, da hiedurch nicht die übrigen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere der Gewerbeordnung aufgehoben würden und die Auslegung im angefochtenen Bescheid im auffallenden Widerspruch zu den Bestimmungen zur Erlangung einer Betriebsgenehmigung stünden.

Gemäß § 153 Abs. 1 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 (wiederverlautbart als § 148 Abs. 1 GewO 1994) dürfen Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, jedenfalls von 8.00 bis 22.00 Uhr, vom 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23.00 Uhr, betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind. Der erste Satz gilt auch für bereits bestehende sonstige Gastgärten.

Der letzte Satz dieser Bestimmung wurde, wie bereits oben dargestellt, mit dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (unter anderem) aus Anlaß des vorliegenden Falles als verfassungswidrig aufgehoben. Da gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG die aufgehobene Bestimmung auf den Anlaßfall nicht anzuwenden ist, ist der Beurteilung des vorliegenden Falles lediglich der erste Satz des § 153 Abs. 1 GewO 1973 (nunmehr des § 148 Abs. 1 GewO 1994) zugrundezulegen. Danach ist diese Bestimmung aber nur auf solche Gastgärten anzuwenden, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen.

Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausdrücklich offenließ, ob der in Rede stehende Gastgarten sich auf öffentlichem Grund befindet oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzt, erweist sich der angefochtene Bescheid bei Anwendung der durch das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gestalteten Rechtslage schon aus diesem Grund als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das übrige Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III.