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VwGH vom 28.01.1997, 96/04/0117

VwGH vom 28.01.1997, 96/04/0117

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Wirtschaftsvereines A in L, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Ge-441787/3-1996/MSch/Th, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom wurde der beschwerdeführenden Partei im Instanzenzug gemäß § 81 GewO 1994 sowie "§ 127 Abs. 1 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes 1994, BGBl. Nr. 450/1994, i. V.m. § 27 Abs. 2 und 5 des Arbeitnehmerschutzgesetzes 1972, BGBl. Nr. 234/1972 i.d.g.F., i.V.m. § 13 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 486/1983 i.d.g.F." die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung ihrer gastgewerblichen Betriebsanlage durch die Errichtung und den Betrieb einer Gasfeuerungs- und Lüftungsanlage sowie von drei begehbaren Kühlräumen unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Die Auflage Punkt 18 hat folgenden Wortlaut:

"Die straßenseitig situierte Frischluftansaugung der mechanischen Lüftungsanlage ist so auszubilden, daß die Ansaugöffnung in einer Höhe von mindestens 3 m über dem Straßenniveau situiert wird."

Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, im Rahmen der mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz habe der Vertreter des Arbeitsinspektorates beantragt, die Ansaugöffnung der Frischluftanlage zumindest 3 m über dem Straßenniveau zu situieren. Er habe seine Forderung damit begründet, durch die Nähe zur Straße könne nicht ausgeschlossen werden, daß durch Autoabgase verunreinigte Luft in die Arbeitsräume eingeblasen werde und die geplante Anbringung in einer Höhe von 1,10 m über dem Straßenniveau dem § 13 AAV widerspräche. Dieser Antrag sei von der Erstbehörde im Genehmigungsbescheid als unbegründet abgewiesen worden. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sei ein ergänzendes Gutachten eines medizinischen Sachverständigen eingeholt worden. In diesem Gutachten habe der Sachverständige ausgeführt, der gegenständliche Gewerbebetrieb liege in einem Gebiet, das durch Verkehrsabgase, vor allem vom Verkehr auf der Z-Straße, beeinflußt werde. Von der D-Straße seien fallweise Spitzenbelastungen durch Verkehrsabgase beim Aus- und Einparken von Fahrzeugen im unmittelbaren Nahbereich der Ansaugöffnungen der Raumlüftung zu erwarten. Verkehrsabgase wiesen zum Teil kanzerogene Wirkkomponenten auf, deshalb seien Belastungsminimierungen sowohl im Emissionsbereich, also bei den Fahrzeugen selbst, als auch im Immissionsbereich erforderlich. Weiters habe der Sachverständige darauf hingewiesen, es entspreche dem Stand der Technik, Absaugungen nicht im Boden-Nahbereich vorzunehmen. Obwohl im gegenständlichen Fall eine konkret faßbare Gesundheitsgefährdung oder -beeinträchtigung nicht gegeben sei, bestehe auf Grund der fehlenden Schwellendosis bei kanzerogenen Stoffen jedenfalls ein Schadstoffminierungsgebot. Abschließend habe der Sachverständige festgestellt, die Absaugöffnung sei so zu wählen, daß eine möglichst geringe Beeinflussung durch das lokale Verkehrsgeschehen erfolge. Gemäß § 13 AAV sei in Arbeitsräumen dafür zu sorgen, daß frische, von Verunreinigungen möglichst freie Luft zugeführt sowie Luft mit zu geringem Sauerstoffgehalt und zu hohem Kohlendioxydgehalt abgeführt werde. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei die Behörde in Übereinstimmung mit dem schlüssigen Gutachten des medizinischen Sachverständigen der Auffassung, in Entsprechung des § 13 AAV sei es zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer geboten, die Ansaugöffnung der Frischluftanlage in einer Höhe von mindestens 3 m über dem Straßenniveau zu situieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung der Genehmigung der in Rede stehenden Änderung seiner Betriebsanlage ohne Vorschreibung der Auflage Punkt 18 verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt er vor, § 27 des hier anzuwendenden Arbeitnehmerschutzgesetzes 1972 stelle auf die Berücksichtigung der "Belange des Arbeitnehmerschutzes" und die Vorschreibung von "zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendigen Bedingungen und Auflagen" ab. Der im § 13 AAV verwendete Begriff der "frischen, von Verunreinigungen möglichst freie Luft" sei schon nach seinem Wortlaut und nach systematischer und teleologischer Auslegung dahin zu verstehen, daß die den Arbeitsräumen zuzuführende Luft so beschaffen sein müsse, daß keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Arbeitnehmern bewirkt werde. Darüber hinausgehende Anforderungen, insbesondere ein "Schadstoffminierungsgebot" seien weder aus den gesetzlichen Bestimmungen noch aus der Verordnung abzuleiten. Dafür finde sich überhaupt keine Rechtsgrundlage. Aus dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen gehe aber eindeutig hervor, daß auch ohne die in Rede stehende Auflage eine Gesundheitsgefährdung oder -beeinträchtigung durch angesaugte Abgase nicht gegeben sei. Es sei daher auch das im § 81 Abs. 1 und § 77 Abs. 1 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" von vorzuschreibenden Auflagen nicht erfüllt und die gegenständliche Auflage sei auch nicht im Sinne des § 77 Abs. 1 leg. cit. geeignet, Gefährdungen oder Belästigungen im Sinne des § 74 leg. cit. zu vermeiden oder auf ein zumutbares Maß zu beschränken. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die beschwerdeführende Partei geltend, mit dem Hinweis, Absaugungen im Boden-Nahbereich entsprächen nicht dem Stand der Technik, habe der medizinische Sachverständige seinen Aufgabenbereich überschritten, weil es sich hiebei um technische Fragen bzw. um Rechtsfragen handle. Zur Klärung dieser Fragen hätte es vielmehr der Beiziehung eines technischen Sachverständigen bedurft.

Der dem gegenständlichen Verwaltungsverfahren zugrunde liegende Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Genehmigung der in Rede stehenden Änderung seiner Betriebsanlage ist am bei der Erstbehörde eingelangt. Es ist daher zufolge § 127 Abs. 1 ASchG (1994) auf dieses Verfahren weiterhin das Arbeitnehmerschutz 1972 anzuwenden.

Nach dem § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz 1972 ist bei Betrieben, für die durch eine andere bundesgesetzliche Vorschrift eine Bewilligung vorgeschrieben ist, sowie bei sonstigen Betrieben, die unter die Bestimmungen der Gewerbeordnung fallen, eine Bewilligung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz nicht erforderlich. In dem betreffenden Bewilligungsverfahren sind jedoch die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen und die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendigen Bedingungen und Auflagen vorzuschreiben, soweit dies unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 24 erforderlich ist.

Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung sind daher im Rahmen einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes Bedingungen und Auflagen nur vorzuschreiben, wenn dies zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer notwendig ist.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, daß die in Rede stehende Situierung der Frischluftansaugung 3 m über dem Straßenniveau zwar möglicherweise dem vom medizinischen Amtssachverständigen erwähnten "Schadstoffminierungsgebot" entspricht, jedoch mit der im Projekt vorgesehenen Lage dieser Frischluftansaugung "eine konkret faßbare Gesundheitsgefährdung oder -beeinträchtigung" der im Betrieb der beschwerdeführenden Partei beschäftigten Arbeitnehmer nicht verbunden ist. Damit mangelt es aber der Vorschreibung der in Rede stehenden Auflage auch unter dem Gesichtspunkt der Bestimmung des § 13 AAV an dem in § 27 Abs. 2 ASchG 1972 für die Vorschreibung von Auflagen normierten Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Da im gegenständlichen Verwaltungsverfahren eigene rechtliche Interessen des Arbeitsinspektorates nicht berührt werden können, kommt diesem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch nicht die Stellung einer mitbeteiligten Partei im Sinne des § 21 Abs. 1 VwGG zu. Es war daher auch die Vorlage einer weiteren, für das Arbeitsinspektorat bestimmten Gleichschrift der Beschwerde nicht erforderlich, weshalb das Begehren auf Ersatz des diesbezüglichen Stempelgebührenaufwandes abzuweisen war.