VwGH vom 16.09.2003, 2002/05/1033
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 06/V/11/2009/2002/14, betreffend Beschlagnahme gemäß § 39 Abs. 1 VStG (mitbeteiligte Partei: AR, Wien, weitere Partei des Verfahrens gemäß § 51 VwGG: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk, vom wurde der mitbeteiligten Partei als Eigentümerin bzw. Verwahrerin des von ihr gehaltenen Hundes (schwarzbraune Rottweilerhündin, Alter 5 Jahre) zur Last gelegt, (näher genannte) Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs. 2 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 39/1987, begangen zu haben. Zur Sicherung der Strafe des Verfalls wurde im Grunde des § 39 Abs. 1 VStG i.V.m. § 29 Abs. 2 Z. 2 und 3 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes die Rottweilerhündin in Beschlag genommen.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk, vom wurde die mitbeteiligte Partei wegen dieser Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs. 2 Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetz bestraft und gemäß § 29 Abs. 1 dieses Gesetzes der Verfall der Hündin ausgesprochen.
Gegen beide Bescheide erhob die mitbeteiligte Partei Berufung.
Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den
21. Bezirk, vom ausgesprochene Verfall aufgehoben, sofern näher angeführte "Auflagen und Bedingungen erfüllt werden".
Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/0073, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil ein bedingter Ausspruch eines Verfalls gemäß § 29 Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetz aus dem Gesetz nicht ableitbar sei. Eine Entscheidung des UVS Wien über die Berufung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk, vom auf Grund dieses aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes (Ersatzbescheid) ist nicht aktenkundig.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der "Berufung gegen den 'Bescheid über eine Beschlagnahme' vom ... insofern stattgegeben, als die Beschlagnahme der 'schwarzbraunen Rottweilerhündin, 5 Jahre alt (ergänze: auf den Namen Kyra, mittlerweile 6 Jahre alt)' unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 29 Abs. 2 Z. 2 und 3 des Gesetzes über den Schutz von Tieren vor Quälerei und mutwilliger Tötung sowie die Haltung von Tieren, LGBl. für Wien Nr. 39/1987, i.V.m. § 39 Abs. 1 VStG aufgehoben wird".
Im Wesentlichen begründete die belangte Behörde ihren Bescheid dahin gehend, dass das beschlagnahmte Tier 11 Monate in behördlichem Gewahrsam gewesen sei. Im Verfahren vor der Behörde erster Instanz habe der Sachverständige in seiner Begutachtung der Rottweilerhündin ausgeführt, beim sachgerechten Führen weise der Hund kein gesteigertes Gefährdungspotenzial auf, wenn man in Betracht ziehe, dass er auf Grund behördlicher Auflagen nur mit Beißkorb und Leine geführt werden dürfe. Fraglich sei jedoch, ob die mitbeteiligte Partei dem Hund körperlich gewachsen sei und den korrekten Umgang mit demselben beherrsche. In dem vor der belangten Behörde erstatteten Gutachten habe nunmehr der Sachverständige ausgeführt, dass beim Hund in verschiedenen Situationen keinerlei aggressives Verhalten festgestellt werden könne, das beschlagnahmte Tier mache vielmehr einen zutraulichen Eindruck. Dieses Gutachten habe auch eine ausführliche Beurteilung der mitbeteiligten Partei enthalten. Die mitbeteiligte Partei habe die Hündin korrekt behandelt und sei durchaus geeignet, das Tier zu führen; es spräche nichts dagegen, die Hündin der mitbeteiligten Partei auszufolgen. Den Parteien sei in der mündlichen Verhandlung dieses Gutachten zur Kenntnis gebracht worden. Der Beschlagnahme vom sei eine Vielzahl von Anzeigen von Anrainern vorangegangen; die Behörde erster Instanz habe daher auf Grund des Gesetzes vom Vorliegen des Verdachtes von Verwaltungsübertretungen ausgehen können. Eine Beschlagnahme sei jedoch nicht zwingend vorgesehen, insbesondere auch nicht zwingende Voraussetzung für den Verfall, könne jedoch auch Tiere betreffen. Der Behörde erster Instanz sei zuzugestehen, dass zum Beschlagnahmezeitpunkt vom gewichtige Gründe in Form mehrfacher Anzeigen das Vorliegen von Verwaltungsstraftatbeständen annehmen ließen und somit zum damaligen Entscheidungszeitpunkt den Ausspruch des Verfalls im Verfahren erster Instanz rechtmäßig erscheinen ließen. Auf Basis des nunmehrigen Beweismaterials (Gutachten des Leiters der tierpsychologischen Beratungsstelle) sei jedoch festzuhalten, dass die bekämpfte Beschlagnahme nicht mehr aufrecht erhalten werden könne. Mögen auch zum Zeitpunkt der (faktischen) Durchführung und dem Ausspruch der Beschlagnahme gemäß § 39 Abs. 1 VStG Umstände vorgelegen haben, die die Behörde erster Instanz zur Durchführung dieser Sicherungsmaßnahme verhalten hatten, so lägen jedoch nun keine Gründe mehr vor, die die zwingende Aufrechterhaltung der Beschlagnahme und den nachfolgenden Verfall bedingten. Bei der gegenwärtigen Beweislage könnten die Bedenken der Behörde erster Instanz, wonach der mitbeteiligten Partei nicht zugebilligt werden könne, die behördlichen Auflagen ordnungsgemäß einzuhalten, nicht geteilt werden. Auf Grund des vorliegenden Gutachtens sei davon auszugehen, dass nunmehr jedes Aggressionspotenzial des beschlagnahmten Tieres fehle und im Verein mit sachkundiger Führung durch die mitbeteiligte Partei keine Umstände mehr gegen eine Ausfolgung des beschlagnahmten Tieres sprächen .
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde (Amtsbeschwerde gemäß § 14a des Gesetzes vom über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, LGBl. Nr. 53, in der Fassung LGBl. Nr. 39/1999) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Die Voraussetzung für eine Beschlagnahme von Verfallsgegenständen, nämlich des Vorliegen des Verdachtes einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung, müsse im Zeitpunkt der Beschlagnahme gegeben sein. Gegen einen Bescheid, mit dem eine Beschlagnahme verfügt wurde, sei zwar eine Berufung zulässig, auf Grund des einem Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ähnlichem Rechtscharakters einer Beschlagnahme habe die Berufungsbehörde allerdings nur die Frage zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme im Zeitpunkt der Erlassung des Beschlagnahmebescheides vorgelegen habe oder nicht. Die belangte Behörde gehe selbst davon aus, dass im Zeitpunkt der faktischen Durchführung und des Ausspruches der Beschlagnahme die Voraussetzungen derselben vorgelegen hätten. Die Voraussetzungen der Beschlagnahme und deren Rechtmäßigkeit habe jedoch die belangte Behörde einer ex nunc-Betrachtung unterzogen; dies sei jedoch rechtswidrig. Das von der belangten Behörde herangezogene Gutachten treffe keinerlei Aussage, ob die Beschlagnahme vom rechtens erfolgt sei. Eine Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls werde durch den nachträglich verfügten Verfall gegenstandslos und läge daher für den Normunterworfenen hinsichtlich der Berufung gegen die Beschlagnahme in einem solchen Fall kein Rechtsschutzinteresse mehr vor. Ein solches wäre allenfalls dann gegeben, wenn der Verfallsbescheid von der Berufungsbehörde aufgehoben würde. Im vorliegenden Fall sei jedoch über den erstinstanzlichen Verfallsbescheid durch die Berufungsbehörde noch nicht rechtskräftig entschieden worden; dies bedeute, dass der Verfall nach wie vor aufrecht sei und somit über die Berufung bezüglich der dem Verfall vorgelagerten Beschlagnahme nicht mehr gesondert abgesprochen werden könne.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 2 des Wiener Landesgesetzes vom über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, LGBl. Nr. 53/1990 (in der Fassung LGBl. Nr. 39/1999), entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (u.a.) in Verfahren über Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes. Nach § 14a leg. cit. kann der Magistrat (der Bundeshauptstadt Wien) gegen Entscheidungen des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien in Angelegenheiten gemäß § 2 leg. cit., die in Gesetzgebung Landessache sind, Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof erheben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die von der Behörde erster Instanz auf § 39 Abs. 1 VStG gestützte Beschlagnahme, welche der Sicherung der Strafe des Verfalls eines Hundes dienen sollte, aufgehoben.
§ 29 des Wiener Tierschutz- und Tierhaltegesetzes, LGBl. Nr. 39/1987 in der Fassung LGBl. Nr. 32/2002 (in der Folge: WTschG) enthält zwar Anordnungen über den Verfall, jedoch keine Bestimmungen über die Beschlagnahme im Sinne des § 39 Abs. 1 VStG (die Bestimmung der im § 20 Abs. 1 Z. 3 genannten Maßnahmen, die bei Gefahr im Verzuge zur Sicherung des Verfalls erforderlich sind, beziehen sich ausdrücklich nur auf die Regelung des § 39 Abs. 2 VStG: vorläufige Beschlagnahme).
§ 39 VStG hat folgenden Wortlaut (auszugsweise):
"Beschlagnahme von Verfallsgegenständen
§ 39. (1) Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen.
(2) Bei Gefahr im Verzug können auch die Organe der öffentlichen Aufsicht aus eigener Macht solche Gegenstände vorläufig in Beschlag nehmen. Sie haben darüber dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen und der Behörde die Anzeige zu erstatten.
(3) Die Behörde kann an Stelle der Beschlagnahme den Erlag eines Geldbetrages anordnen, der dem Wert der der Beschlagnahme unterliegenden Sache entspricht.
...
(6) Gegen den Bescheid, mit dem eine Beschlagnahme angeordnet wird, ist in sinngemäßer Anwendung des § 51 Berufung, jedoch ohne aufschiebende Wirkung zulässig."
Die Beschlagnahme nach § 39 Abs. 1 VStG setzt das Vorliegen von Tatsachen voraus, die die Annahme nahe legen, dass eine Verwaltungsübertretung, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, begangen wurde (Verdacht). Der im § 29 WTschG vorgesehen Verfall erfolgt im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens (vgl. dazu sinngemäß auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/0073), weshalb auch die hier zu beurteilende, auf § 39 Abs. 1 VStG gestützte Beschlagnahme und deren Aufhebung durch die zur Strafverfolgung berufene Behörde zu erfolgen hatte (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/07/0083).
Die Ausführungen in der Beschwerde, die Beschlagnahme habe einen ähnlichen Rechtscharakter wie ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, verkennt, dass dies nur für die vorläufige Beschlagnahme gemäß § 39 Abs. 2 VStG gilt (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), E 26 zu § 39 VStG wiedergegebene Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes).
Die bescheidmäßige Anordnung der Beschlagnahme von Gegenständen gemäß § 39 Abs. 1 VStG dient der Sicherung der Verwaltungsstrafe des Verfalls (§ 17 VStG), sie ist aber nicht unbedingt Voraussetzung für den Verfall. Die Behörde ist also nicht verpflichtet, jedenfalls - auch bei Vorliegen der Voraussetzungen - die Beschlagnahme anzuordnen. Gemäß Abs. 3 des § 39 VStG kann sie vielmehr auch an Stelle der Beschlagnahme den Erlag eines Geldbetrages anordnen.
Da eine gemäß § 39 Abs. 1 VStG erfolgte Beschlagnahme der Sicherung des Verfalls dieser Gegenstände dient, tritt sie durch den rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls - zu dessen Sicherung sie verfügt wurde - mangels einer normativen Weiterwirkung außer Kraft (vgl. hiezu Walter/Thienel, a.a.O., E 49 und 50 zu § 39 VStG). Da infolge des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2002/05/0073, die Berufungsentscheidung des UVS Wien über die Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den erstinstanzlichen Verfallsbescheid offenbar noch offen ist, kann allerdings im Beschwerdefall nicht von einem rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls ausgegangen werden.
§ 39 Abs. 6 VStG ordnet ausdrücklich ein Berufungsrecht gegen den Bescheid, mit dem eine Beschlagnahme angeordnet ist, an. Für die Berufung gilt sinngemäß § 51 VStG.
Die Berufungsbehörde hat in einem solchen Fall die Voraussetzungen für die Beschlagnahme im Sinne des § 39 Abs. 1 VStG neuerlich zu prüfen und auch eine geänderte Sachlage ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen, da im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat kein Neuerungsverbot besteht (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, a.a.O., E 97 ff zu § 51 VStG referierte hg. Rechtsprechung). Sind daher die Voraussetzungen für die Beschlagnahme im Zuge des Berufungsverfahrens weggefallen, kann auch die Berufungsbehörde bei Überprüfung eines auf § 39 Abs. 1 VStG gestützten Beschlagnahmebescheides der Strafbehörde erster Instanz eine zunächst rechtmäßig erfolgte Beschlagnahme aufheben (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/07/0038). Dies hindert die Strafbehörde in der Folge nicht, einen Verfall auszusprechen, weil die Beschlagnahme gemäß § 39 Abs. 1 VStG nicht Voraussetzung für den Verfall des § 29 WTschG ist.
Die Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde werden in der Beschwerde nicht bestritten, weshalb - auf Grund der in einem mängelfreien Verfahren erfolgten Feststellungen der belangten Behörde - davon auszugehen ist, dass die Beschlagnahme für den hiezu vorgesehenen Zweck im Beschwerdefall nicht mehr erforderlich ist.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher frei von Rechtsirrtum.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am