VwGH vom 03.04.2003, 2002/05/1021

VwGH vom 03.04.2003, 2002/05/1021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Anneliese Klein in Gumpoldskirchen, vertreten durch Dr. Harald Ofner und Dr. Thomas Wagner, Rechtsanwälte in Wien XVI, Schuhmeierplatz 14, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-V-01228/00, betreffend Bauauftrag gemäß § 33 der NÖ Bauordnung 1996 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Gumpoldskirchen, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde Walter Klein die von ihm beantragte Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaus auf dem Grundstück Nr. 145, KG Gumpoldskirchen (Neustiftgasse 41), auf Grund des Ergebnisses der Bauverhandlung vom erteilt. Das Protokoll über die Bauverhandlung vom bildet ebenso einen wesentlichen Bestandteil des Baubewilligungsbescheides wie die Baubeschreibung und die mit einer Bezugsklausel versehenen Planunterlagen. In der Niederschrift über die Verhandlung vom ist Folgendes festgehalten worden:

"Der Bauwerber beabsichtigt auf der Liegenschaft an der östlichen Feuermauer angebaut einen ebenerdigen Trakt zu errichten, der bis zur Baulinie in einer Breite von 4,80 m reichen soll und 14,80 m tief gebaut wird. Dieser Trakt wird mit dem bestehenden Teil an der Neustiftgasse durch eine überdeckte Einfahrt verbunden, wobei Außenmauer und Dachfläche in Verlängerung des bestehendes Teiles errichtet werden sollen. Die Baulinie erstgenannten Nebentraktes wird bestimmt durch die Verlängerung der Straßenflucht des östlich anschließenden Objektes".

In der Baubeschreibung sind Fenstergitter, die vor den in Richtung Neustiftgasse weisenden Fenstern angebracht werden sollten, nicht beschrieben worden. In dem zum Bescheidbestandteil erklärten Plan des Baumeisters Ing. H. G. vom August 1970 sind solche Fenstergitter eingezeichnet worden und zwar ein Fenstergitter an der Straßenfluchtlinie in Verlängerung der Gebäudefront des Hauses Neustiftgasse 43 und ein Fenstergitter an einem dazu rechtwinkelig zurückspringenden Fassadenteil. Die Fenstergitter weisen nach den Plänen schräg von oben nach unten verlaufende Sprossen auf, die im rechten Winkel von schräg verlaufenden Sprossen gekreuzt werden. Sie sind jeweils in der Aufsicht dargestellt, die Sprossen weisen keine perspektivischen Verkrümmungen auf, die auf eine Auskragung schließen ließen. Der Plan enthält weiters einen Lageplan, in dem die Vorderfront im bündigen Verlauf mit jener des Nachbarhauses Neustiftgasse 43 dargestellt ist und einen Schnitt "2-2 Hofansicht" der keine Auskragung eines Fenstergitters aufweist.

Weiters wurde Walter Klein mit Bescheid vom die Baubewilligung für die Errichtung der Hauskanalisation und des Kanalanschlusses des Gebäudes Neustiftgasse 41 erteilt.

Einem Aktenvermerk vom zufolge hat sich eine Person am Fenstergitter der Beschwerdeführerin (die nunmehr unbestritten Eigentümerin des Hauses ist) den Kopf verletzt.

Sodann liegt im Akt ein undatiertes, von der Beschwerdeführerin unterfertigtes Ansuchen um Erteilung der Bewohnungs- und Benützungsbewilligung ohne Eingangsstampiglie ein. Dem Antrag sind keine Beilagen angeschlossen, er enthält keine Ausführungen, auf welches Bauvorhaben er sich bezieht. In Bleistift (und in einer anderen Schrift als jener der Beschwerdeführerin) ist angemerkt "Klein (62463) Neustiftgasse 41".

In der Folge beraumte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde einen Lokalaugenschein an, da hinsichtlich der Auskragung des straßenseitigen Fenstergitters eine Beschwerde eingebracht worden sei.

Anlässlich des am vorgenommenen Augenscheins wurde festgestellt, dass das im genehmigten Einreichplan vorgesehene Fenstergitter nicht der tatsächlichen Ausführung entspreche (einem im Akt befindlichen Foto zufolge weist das errichtete Fenstergitter senkrechte Sprossen auf, die im unteren Teil einen "Korb" bilden). Die Auskragung beträgt 42 cm.

Am hat die Beschwerdeführerin angegeben, dass die Grundgrenze schräg verlaufe, was bedeute, dass sich die Fenstergitter auf Eigengrund und der Gehsteig teilweise auf Privatgrund befände. Daraufhin hat die Baubehörde der mitbeteiligten Marktgemeinde auf Grund der Überprüfung der Naturmaße mit den Entfernungen der Grenzpunkte festgestellt, dass die Lage des Hauses in der Natur und die Angaben der Katastermappe bzw. des Teilungsplanes GZ. 653/79 vom als identisch erachtet werden können und daher die Außenmauern der Gebäude auf der Liegenschaft Neustiftgasse 41 direkt an der Grundgrenze zum öffentlichen Gut stünden.

Einem Aktenvermerk vom zufolge hat die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie einen Geometerplan habe, aus dem ersichtlich sei, dass die Fenstergitter auf ihrem Grund angebracht seien, sie würde eine Kopie vorbeibringen. Mit Schreiben vom und wurde die Beschwerdeführerin von der Baubehörde aufgefordert, den von ihr erwähnten Geometerplan zu übermitteln.

Dies hat die Beschwerdeführerin der Aktenlage zufolge nicht getan. Laut einem Aktenvermerk vom hat die Beschwerdeführerin erklärt, dass beim Bau im Jahre 1970 "zurückgerückt worden sei und die tatsächliche Grundgrenze weiter vorne sei". Mit Schreiben vom hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Beschwerdeführerin den bisher ermittelten Sachverhalt zur Kenntnis gebracht und ihr die geplanten Maßnahmen (Anordnung eines Ortsaugenscheins zur Überprüfung der bewilligungsgemäßen Ausführung des Zubaus und des Kanalanschlusses für die keine Benützungsbewilligungen vorhanden seien sowie die Anordnung, die montierten Fenstergitter auf das Ausmaß von 20 cm zu reduzieren bzw. zu entfernen) mitgeteilt.

Mit Schreiben vom hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, sie habe die Bauvollendung angezeigt, die ungewisse Datierung und das Fehlen der beigelegten Befunde und Atteste könnten ihr nicht angelastet werden. Es habe eine Kollaudierungsverhandlung stattgefunden und es sei eine Benützungsbewilligung bescheidmäßig erteilt worden. Der im Jahre 1970 errichtete Zubau sei bloß 1,91 m und nicht mehr wie der Altbestand 2,22 m über die straßenseitige Baulinie des Altbaues hervorgetreten. Die Bestimmung der "Baulinie in Verlängerung der Straßenflucht des östlich anschließenden Objektes" im Zuge der Bauverhandlung vom bedeute ein Zurückrücken des neuen Zubaus, aber noch keine Verlegung der Grundgrenze. Mit "Baulinie" sei die vordere Baufluchtlinie gemeint und die Grundgrenze sei die Straßenfluchtlinie.

Mit Bescheid vom hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Überprüfung des Bauvorhabens "Errichtung eines Zubaus" (Bescheid vom ) gemäß § 30 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 1976 auf seine bewilligungsgemäße Ausführung und die Überprüfung des Bauvorhabens "Errichtung des Kanalanschlusses" (Bescheid vom ) auf seine bewilligungsgemäße Ausführungen angeordnet sowie der Beschwerdeführerin aufgetragen, die nicht bewilligten Fenstergitter an den straßenseitigen Fensteröffnungen auf das Maximalmaß von 20 cm über die Straßenfluchtlinie zu reduzieren oder komplett zu demontieren. Die Durchführung der Arbeiten habe bis spätestens zu erfolgen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom keine Folge gegeben. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens wurde im Wesentlichen ausgeführt, für den im Jahre 1970 bewilligten Zubau sei keine Benützungsbewilligung erteilt worden. Die Fenstergitter seien in den Einreichunterlagen in dem vom Baumeister Ing. G. H. im August 1970 verfassten Plan eingezeichnet und in der dort abgebildeten Form bewilligt worden. Der derzeitige Bestand stimme nicht mit den in den Plänen eingezeichneten Fenstergittern überein. Die bestehenden Fenstergitter seien auch nicht später bewilligt worden. Die beiden Fenstergitter seien als vorstehende Bauteile, die der Gliederung und Gestaltung der Schauseite dienen, zu werten. Derartige Vorbauten dürften gemäß § 52 Abs. 1 Z. 5 NÖ BO 1996 bis 15 cm nicht aber 42 cm über die Straßenfluchtlinie ragen. Nach § 52 Abs. 1 letzter Satz NÖ BO 1996 sei über einer Fahrbahn und bis zu 60 cm außerhalb ihres Randes ein Vorbau erst ab einem Höhenabstand von 4,50 m, über einem Gehsteig erst ab einem Höhenabstand von 2,50 m zulässig. Da die Fenstergitter 42 cm über die Straßenfluchtlinie ragen, seien sie in der nunmehr bestehenden Form nicht bewilligungsfähig und unzulässig im Sinne des § 35 Abs. 2 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1996, weshalb sie zu entfernen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996 (NÖ BO) in der Fassung LGBl. 8200-6 hat der Eigentümer eines Bauwerks dafür zu sorgen, dass dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten wird. Er hat Baugebrechen, durch welche die Standsicherheit, die äußere Gestaltung, der Brandschutz, die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt werden oder die zu unzumutbaren Belästigungen (§ 48) führen können, zu beheben. Kommt der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, so hat die Baubehörde nach Abs. 2 dieser Bestimmung nach Überprüfung des Bauwerks, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.

Der vorgelegte Bauakt, der seit 1939 geführt wird, enthält keine Benützungsbewilligung für den im Jahre 1970 bewilligten Zubau. Hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Zubaus enthält er das Baugesuch vom , die Baubeschreibung, Grundbuchsauszug, Bauplan, Ladung zur Bauverhandlung, Niederschrift über die Bauverhandlung vom sowie den Baubewilligungsbescheid vom mit Zustellnachweisen. Der anschließende Inhalt des Bauaktes bezieht sich auf die Kanalherstellung im Jahre 1975 und weist ebenfalls weder einen Benützungsbewilligungsbescheid für den Kanal noch für den Zubau auf.

Die Beschwerdeführerin konnte keinen Benützungsbewilligungsbescheid für den Zubau vorlegen, die von ihr namhaft gemachten Zeugen machten keine dezidierte Aussage über das Vorliegen eines schriftlichen Benützungsbewilligungsbescheides.

Da keine besonderen Hinweise hervorgekommen sind, weshalb der seit dem Jahre 1939 geführte Bauakt lückenhaft geführt sein soll und auch die Beschwerdeführerin nicht in der Lage war, den Benützungsbewilligungsbescheid vorzulegen, durften die Baubehörden und damit auch die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen, dass für den Zubau keine Benützungsbewilligung erteilt wurde. Damit war aber die Baubehörde berechtigt, gemäß § 30 Abs. 3 NÖ BO 1996 eine Überprüfung des Bauwerks auf seine bewilligungsgemäße Ausführung durchzuführen.

Wie bereits oben ausgeführt, wurden die Fenstergitter an den zur Neustiftgasse gerichteten Fenstern nicht in einer auskragenden Form bewilligt. Da auf Grund der nicht mit schräg verlaufenden Sprossen sondern mit senkrecht verlaufenden, auskragenden Sprossen hergestellten Fenstergitter nicht nur die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wurde, sondern infolge der Auskragung die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt wird (vgl. die unbestritten gebliebene Ausführung im Aktenvermerk vom , die auch im angefochtenen Bescheid festgehalten wurde), hat die Baubehörde zu Recht einen Beseitigungsauftrag hinsichtlich der Auskragung der Fenstergitter erlassen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist bei der Erlassung eines Auftrages gemäß § 33 NÖ BO 1996 nicht entscheidungswesentlich, ob das Bauwerk bzw. der Bauwerksteil über die Straßenfluchtlinie reicht oder nicht, weil es genügt, dass das Bauwerk entgegen der Bewilligung bzw. der Anzeige errichtet wurde und entweder die Standsicherheit, die äußere Gestaltung, der Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt werden oder unzumutbare Belästigungen herbeigeführt werden können.

Da es nicht relevant ist, ob der gefährdende Bauteil (Gitterkorb) über Eigengrund oder öffentlichem Straßengrund errichtet wurde, erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung damit, ob anlässlich der Verhandlung vom die "Baulinie" oder die "Straßenfluchtlinie" festgesetzt wurde, über die mit dem Bauwerk nicht vorgerückt werden durfte. Aus dem oben geschilderten Plan geht eindeutig hervor, dass die Bauführung ohne Auskragung in Verlängerung des Hauses Neustiftgasse 43 beantragt und bewilligt worden war.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am