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VwGH 11.12.1990, 90/05/0226

VwGH 11.12.1990, 90/05/0226

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §42;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauRallg;
RS 1
Der Nachbar besitzt auch hinsichtlich rechtzeitig erhobener Einwendungen nur dort ein Mitspracherecht, wo der Gesetzgeber ihm ausdrücklich ein solches eingeräumt hat(Hinweis E , 2273/64).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1990/10/16 90/05/0104 1
Normen
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauO Wr §134 Abs3;
BauRallg impl;
RS 2
Die Bestimmung des § 66 Abs 4 AVG bedeutet hinsichtlich der Befugnis, den Spruch des bei ihr angefochtenen Bescheides abzuändern, vornehmlich eine Absage an die Möglichkeit einer bloßen Kassation statt einer Reformation und eine Absage an das Verbot einer "reformatio in peius". § 66 Abs 4 AVG besagt nicht, dass in Fällen eines eingeschränkten Mitspracherechtes einer Partei auf Grund der von ihr eingebrachten Berufung über den Themenkreis hinausgegangen werden kann, indem sie mitzuwirken berechtigt ist. Sache im Sinne des § 66 Abs 4 AVG ist ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zusteht (Abkehr von dem Rechtsatz des VS E , 1381/56 VwSlg 4725 A/1958).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 3112/79 E VS VwSlg 10317 A/1980 RS 2
Normen
AVG §8;
BauO Wr §83;
BauRallg;
RS 3
Dem Nachbarn steht hinsichtlich der Wahrung des Stadtbildes kein Mitspracherecht zu.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 87/05/0205 E RS 2
Normen
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §60 Abs1 litd;
BauRallg;
RS 4
Aus § 134 Abs 3 Wr BauO läßt sich kein Mitspracherecht des Nachbarn in der Frage ableiten, ob die technische oder wirtschaftliche Abbruchreife eines in einer Schutzzone gelegenen Gebäudes gegeben ist. Selbst wenn die Baubehörde erster Instanz das Vorliegen der technischen oder wirtschaftlichen Abbruchreife des Gebäudes mangelhaft und unrichtig beurteilt hätte, wäre die Berufungsbehörde daher nicht berechtigt, diese allfällige objektive Rechtswidrigkeit auf Grund einer Berufung von Nachbarn aufzugreifen.
Normen
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §60 Abs1 litd;
BauRallg;
RS 5
Die Bestimmung des § 60 Abs 1 lit d Wr BauO, wonach die Baubewilligung für den Abbruch von Gebäuden in Schutzzonen mit Zustimmung des zuständigen Gemeinderatsausschusses ua nur dann erteilt werden darf, wenn das Gebäude nach der Instandsetzung technisch als ein anderes angesehen werden muß, liegt ausschließlich im öffentlichen Interesse (Hinweis E , 88/05/0096, , 88/05/0097).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B XVII-25 und 29/90, betreffend die Erteilung einer Abbruchbewilligung (mitbeteiligte Parteien: KS,

LW, HH, MH, WL, NW, MU, RK, IP, AP, HP, DB, PR, EP, JB, GW, WS,

AD, GD, HC, PW, BP und DK), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den Ausführungen in der Beschwerde im Zusammenhalt mit der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:

Mit Bescheid vom erteilte der Wiener Magistrat gemäß § 60 Abs. 1 lit. d der Bauordnung für Wien den Mitbeteiligten die von diesen angestrebte baubehördliche Bewilligung zum Abbruch des Hauses Wien 17, Dornbacherstraße 43, auf Grund der Zustimmung des Gemeinderatsausschusses für Stadtentwicklung und Stadtplanung vom . Die Einwendungen des Beschwerdeführers und anderer Anrainer, durch den Abbruch des in einer Schutzzone liegenden Objektes werde eine Störung des örtlichen Stadtbildes eintreten, wurden als unbegründet abgewiesen. Die Einwendungen, durch den Abbruch würde eine Wertminderung der Nachbarliegenschaften eintreten, wurden als zivilrechtliche beurteilt und die Streitteile auf den Zivilrechtsweg verwiesen. An die Abbruchbewilligung wurde eine Reihe von Auflagen geknüpft. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers und anderer Anrainer wurde mit dem Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten verletzt, weil das abzutragende Gebäude in einer Schutzzone liege und gemäß § 60 Abs. 1 lit. d der Wiener Bauordnung eine Abbruchbewilligung für solche Gebäude nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt werden dürfe. Nach der zitierten Bestimmung bestehe der maßgebliche Sachverhalt hinsichtlich der Abbruchbewilligung insbesondere in der Erörterung und Feststellung a) der Charakteristik des örtlichen Stadtbildes,

b) der Wirtschaftlichkeitsprüfung einer allfälligen Instandsetzung, c) der technischen Abbruchreife. Der maßgebliche Sachverhalt sei von der Baubehörde nicht festgestellt worden; in der Beschwerde näher angeführte Umstände, die für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung unabdingbar seien, habe die Behörde nicht erörtert. Zur "technischen Abbruchreife" führe die Behörde aus, daß die Gebäude nach einer Instandsetzung "technisch als andere angesehen werden müßten" und damit ein weiteres Kriterium für den Abbruch erfüllt sei. Die Behörde zitiere hier lediglich den Gesetzestext, ohne diese Bestimmung inhaltlich näher zu determinieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 (BO) sind Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften im Baubewilligungsverfahren dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen. Hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben.

Aus dieser Regelung über die Rechtsstellung des Nachbarn des Baubewilligungsverfahrens ergibt sich, daß dem Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur eine beschränkte Parteistellung zukommt. Darüber hinaus ergibt sich aus § 42 Abs. 1 und 2 AVG 1950, daß ein ordnungsgemäß zur Bauverhandlung geladener Nachbar nur dann mit seinen Einwendungen durchdringen kann, wenn er sie rechtzeitig vor oder während der Verhandlung vorgebracht hat; hinsichtlich später erhobener Einwendungen ist ein Nachbar als präkludiert anzusehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. N.F. Nr. 10317/A, zum Ausdruck gebracht, daß ein Nachbar nur hinsichtlich rechtzeitig erhobener Einwendungen dort ein Mitspracherecht besitzt, wo der Gesetzgeber ihm ausdrücklich ein solches eingeräumt hat. In diesem Erkenntnis wurde weiters ausgeführt, daß die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Falle einer beschränkten Parteistellung des Berufungswerbers, wie es für den Nachbarn im Baubewilligungsverfahren typisch ist, auf jenen Themenkreis eingeschränkt ist, in dem diese Partei mitzuwirken berechtigt ist.

Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeutet dies insbesondere, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend festgestellt hat, daß dem Nachbarn nach § 134 Abs. 3 BO in der Frage einer Störung des Ortsbildes ein subjektiv-öffentliches Recht nicht zusteht (vgl. etwa schon das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 3600/A, vom , Zl. 90/05/0104, u.a.).

Aus § 134 Abs. 3 BO läßt sich aber auch kein Mitspracherecht des Nachbarn in der Frage, ob die technische oder wirtschaftliche Abbruchreife eines in einer Schutzzone gelegenen Gebäudes gegeben ist, ableiten. Die Bestimmung des § 60 Abs. 1 lit. d BO, wonach die Baubewilligung für den Abbruch von Gebäuden in Schutzzonen mit Zustimmung des zuständigen Gemeinderatsausschusses u.a. nur dann erteilt werden darf, wenn das Gebäude nach der Instandsetzung technisch als ein anderes angesehen werden muß, liegt ausschließlich im öffentlichen Interesse (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/05/0097). Selbst wenn die Baubehörde erster Instanz das Vorliegen der technischen oder wirtschaftlichen Abbruchreife des Gebäudes mangelhaft oder unrichtig beurteilt hätte, wäre die belangte Behörde im Hinblick auf das zitierte Erkenntnis des verstärkten Senates vom nicht berechtigt gewesen, diese allfällige objektive Rechtswidrigkeit auf Grund einer Berufung von Nachbarn aufzugreifen.

Da sich somit schon aus dem Inhalt der Beschwerde im Zusammenhang mit dem angefochtenen Bescheid ergibt, daß der Beschwerdeführer in den behaupteten Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §42;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §60 Abs1 litd;
BauO Wr §83;
BauRallg impl;
BauRallg;
Schlagworte
Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht
Diverses) Parteien BauRallg11/1
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen
Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die
Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung
der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung
Anspruch auf meritorische Erledigung)
Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person
des Berufungswerbers
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die
Person des Bescheidadressaten
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche
Rechte BauRallg5/1
Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion
(AVG §42 Abs1)
Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht
Diverses) Berufungsverfahren BauRallg11/2
Stadtbild
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1990:1990050226.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAE-47204