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VwGH vom 18.02.2003, 2002/05/1007

VwGH vom 18.02.2003, 2002/05/1007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Anton Meches in Biedermannsdorf, vertreten durch Dr. Werner Borns, Rechtsanwalt in Gänserndorf, Dr. Wilhelm Exner-Platz 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-V-01219/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Heimat Österreich Gemeinnützige Wohnungs- und Sieldungsgesellschaft mbH in Salzburg, vertreten durch Ploil Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Stadiongasse 4, 2. Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn, vertreten durch Mag. Michael Mendel, Rechtsanwalt in Wien III, Ungargasse 59-61), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren des Beschwerdeführer wird abgewiesen.

Begründung

Mit Ansuchen vom hat die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit insgesamt 32 Wohnungen auf dem Grundstück Nr. 28/295 in EZ 761 Grundbuch Straßerfeld einschließlich einer Tiefgarage sowie oberirdischer Stellplätze beantragt. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des an das Bauvorhaben im Bereich der Garagenrampe und der Tiefgarage angrenzenden Grundstückes. Nach Durchführung einer Bauverhandlung am , in der Anrainer, unter ihnen der Beschwerdeführer, Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben haben, wurden bautechnische, verkehrstechnische, lärmtechnische und umwelttechnische Gutachten eingeholt, die den Anrainern zur Kenntnis gebracht wurden. Mit Eingabe vom wurden abgeänderte bzw. ergänzte Pläne vorgelegt, die eine Wohnhausanlage mit Tiefgarage und oberirdischen Stellplätzen aber mit nunmehr insgesamt 30 Wohnungen, bestehend aus 4 Gebäuden (1 Gebäude mit 6 Wohnungen und 3 Gebäude mit je 8 Wohnungen) vorsahen. Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der Baubewerberin unter I. die beantrage Baubewilligung. Unter II. wurden Auflagen vorgeschrieben, unter Spruchteil III. folgte die Bauplatzerklärung und unter IV. wurden die Einwendungen als unbegründet abgewiesen bzw. als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid wurden mehrere gleich lautende Berufungen, darunter die Berufung des Beschwerdeführers, eingebracht, in der vorgebracht wird, der Beschwerdeführer habe nicht nur Einwendungen hinsichtlich der Standfestigkeit des Nachbargebäudes erhoben, sondern habe sich den Einwendungen der übrigen Anrainer in der Bauverhandlung angeschlossen.

Die Berufungsbehörde hat während des Berufungsverfahrens den bautechnischen Sachverständigen um Erläuterung und Ergänzung seines im erstinstanzlichen Verfahren abgegebenen Gutachtens zur Frage der Standsicherheit ersucht. Der bautechnische Sachverständige hat dazu zusammengefasst ausgeführt, auf Grund der einschlägigen Erfahrungen und der vorliegenden Dokumentation würden beim gegenständlichen Vorhaben nachvollziehbar die geeigneten Maßnahmen gesetzt um die Standsicherheit des angrenzenden Nachbargebäudes in jeder Phase der Errichtung des geplanten Bauwerks und auch nach Fertigstellung des Objektes sicherzustellen. Unabhängig von den Ausmaßen der einzelnen Bauteile sei das dokumentierte "abschnittsweise Vorgehen" im Einflussbereich des Nachbargebäudes von entscheidender Bedeutung. Das ergänzende Gutachten des Bausachverständigen fußte ebenso wie sein erstes Gutachten vom auf einer "Vorstatik" des D.I.P.C. vom . Der Beschwerdeführer hat sich dazu in seiner Stellungnahme vom negativ geäußert und insbesondere ausgeführt, dass die ihm vorgelegten Gutachten mangels Befundes nicht nachvollziehbar seien.

Mit seinem Berufungsbescheid vom hat der Gemeindevorstand auf Grund der eingebrachten Berufungen 4 Auflagen abgeändert, im Übrigen wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. Aus dem Gutachten des bautechnischen Sachverständigen gehe hervor, dass auf Grund der Größenordnung des so genannten "Dachraumes" auf einen Zugang aus bau- und brandschutztechnischer Sicht verzichtet werden könne. Im Firstbereich betrage der "Hohlraum" zwischen oberster Geschossdecke und Dachkonstruktion weniger als 0,5 m. Eine eventuelle Brandbekämpfung müsse in diesem Fall von Außen durch Öffnen des Daches erfolgen. Aus den eingeholten Gutachten gehe hervor, dass die erforderliche Standsicherheit des Bauvorhabens gewährleistet sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen teilte sie die Rechtsansicht des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer anlässlich der mündlichen Verhandlung nur Einwendungen hinsichtlich der Statik und eines zunächst von ihm verlangten Benzinabscheiders erhoben hat, wie der Niederschrift über die Verhandlung vom zu entnehmen ist, oder ob er sich den Einwendungen der übrigen Anrainer angeschlossen hat, weil entgegen der Vorschrift des § 41 AVG die Ladung zur Verhandlung vom nicht die Rechtsbelehrung enthalten hat, dass hinsichtlich jener Einwendungen, die nicht spätestens in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden, der Verlust der Parteistellung eintritt.

Dem Beschwerdevorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer - zusammengefasst - dadurch verletzt, dass Brandschutzbestimmungen insofern nicht eingehalten würden, als zu den Dachräumen keine Treppe vorgesehen sei und weiters, dass infolge unschlüssiger Gutachten nicht nachgewiesen sei, ob die Statik im Bereich seiner Liegenschaft gewährleistet sei.

In beiden Belangen kommt dem Beschwerdeführer auf Grund der Bestimmung des § 6 Abs. 2 Z. 1 NÖ BO 1996 ein Mitspracherecht zu, der Beschwerdeführer hat seine Parteistellung in beiden Belangen auch nicht etwa dadurch verloren, dass er nicht rechtzeitig diesbezügliche Einwendungen erhoben hätte, weil, wie bereits ausgeführt, die Ladung zur Verhandlung den entsprechenden Hinweis auf den Verlust der Parteistellung nicht enthielt.

Gemäß § 6 Abs. 2 Z. 1 NÖ BO 1996 hat der Nachbar ein subjektiv-öffentliches Recht insoweit, als baurechtliche Vorschriften die Standsicherheit, Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn gewährleisten sollen. Einen allgemeinen Anspruch auf Einhaltung aller denkbaren brandschutztechnischen Vorschriften kann der Nachbar aus dieser Bestimmung aber nicht ableiten. Die Behauptung, dass der 0,5 m hohe Dachraum aus feuerpolizeilichen Gründen zugängig sein müsste, ist überdies objektiv unrichtig. Die brandschutztechnischen Anforderungen an Dächer sind in den §§ 59 bis 63 der NÖ Bautechnikverordnung 1997 (BTV) geregelt. Gemäß § 63 Abs. 1 BTV müssen die Zugänge zu nicht ausgebauten Dachräume mindestens brandhemmende Abschlüsse haben. Die Zugangstüren müssen nach Außen aufschlagen und selbstschließend sein. Dass für einen 0,5 m hohen Spitzboden über ausgebauten Dachräumen ein Zugang angebracht werden müsste, kann dieser Bestimmung nicht entnommen werden. Überdies hat der bautechnische Sachverständige während des Verwaltungsverfahrens ausgeführt, dass Türen in diesem Bereich aus Brandschutzgründen nicht erforderlich sind, diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Das Gutachten ist auch insofern schlüssig, als nicht erkannt werden kann, wie - mangels entsprechender Bewegungsfreiheit- in einem 0,5 m hohen Spitzboden anders als durch Öffnen der Dachaußenhaut Löschvorgänge durchgeführt werden sollten. Der Beschwerdeführer hat auch während des gesamten Verwaltungsverfahrens nicht vorgebracht, dass wegen der Ausgestaltung des Bauvorhabens selbst davon eine Brandbelastung auf seine Bauwerke ausginge. Ein Recht auf eine besondere Art der Löschmöglichkeiten ist aber dem Nachbarn nicht eingeräumt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0025 zur NÖ Bauordnung 1976). Eine Erweiterung des Mitspracherechtes des Nachbarn hinsichtlich der Durchführungsart von Löschvorgängen kann der diesbezüglichen Bestimmung des § 6 Abs. 2 Z. 1 NÖ BO 1996 nicht entnommen werden.

Grundsätzlich berechtigt ist aber das Beschwerdevorbringen zur Unschlüssigkeit der vorgelegten Gutachten im Bezug auf die Statik.

Wie bereits ausgeführt, ist der Beschwerdeführer Eigentümer jenes Grundstückes, das an die Rampe und die anschließende Tiefgarage unmittelbar anschließt. Dem Lageplan zufolge befindet sich in diesem Bereich auch ein Bauwerk des Beschwerdeführers. Sowohl die Gutachten des bautechnischen Amtsachverständigen vom als auch jenes vom fußen auf der im Akt einliegenden "Vorstatik" des D.I. C. vom . Zutreffend wird in der Beschwerde ausgeführt, dass keines der Gutachten des Amtsachverständigen und auch nicht die "Vorstatik" des D.I. C. einen Befund enthalten. In der "Vorstatik" findet sich auf Seite 6 die Bemerkung: "Annahme der Bodenkennwerte", es folgen zahlreiche Berechnungen. Eine Beschreibung der vorgefundenen Bodenbeschaffenheit oder ein Hinweis, weshalb der Sachverständige zu dieser "Annahme" gelangt, lässt sich weder dieser Vorstatik noch den darauf beruhenden Gutachten des Amtsachverständigen entnehmen. Damit sind aber sowohl die Vorstatik als auch die darauf aufbauenden Gutachten des Amtsachverständigen nicht nur für den Beschwerdeführer, sondern auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar: Mangels Beschreibung der vorgefundenen Bodenverhältnisse kann nicht nachvollzogen werden, ob die nachfolgenden Berechnungen zutreffen.

Diesen Mangel hat der Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens bereits gerügt. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde und der mitbeteiligten Parteien des Verwaltungsverfahrens sind Anrainer nicht verpflichtet, einem Gutachten, das keinen Befund enthält, durch ein Sachverständigengutachten zu begegnen. Vielmehr ist die Behörde verpflichtet, ein Gutachten auf seine Schlüssigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen und zwar unbeschadet einer Mitwirkungspflicht einer Partei (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 264 zu E 46a zitierte hg. Judikatur). Da die belangte Behörde nicht erkannt hat, dass das Verwaltungsverfahren auf Gemeindeebene mangels eines tauglichen Gutachtens ergänzungsbedürftig geblieben ist, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Aufwandersatz für den Schriftsatz die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am