VwGH vom 14.05.1997, 96/03/0385
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des W in E, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. 1/37-5/1995, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 Z. 7 des Güterbeförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 63/1952, in der Fassung BGBl. Nr. 222/1994, in Verbindung mit Art. 3 Z. 1 der Verwaltungsvereinbarung BGBl. Nr. 879/1992 gemäß § 16 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 2. Satz des Güterbeförderungsgesetzes mit einer Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) bestraft. Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, er habe "als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges mit den amtlichen Kennzeichen XXX (D/NL) nach am beim Zollamt Kufstein-Kiefersfelden aus Deutschland erfolgter Einreise nach Österreich am gewerbsmäßig eine Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich jedenfalls auf der Strecke von Innsbruck, wo eine Ladung Faßbier für ein Drittland (Spanien) aufgenommen wurde, über die Brennerautobahn A 13 zum Zollamt Brenner-Paß durchgeführt, wo der Beschuldigte am um 11.30 Uhr einlangte sowie in weitere Folge nach Italien ausreiste und hat der Beschuldigte dabei kein vollständig ausgefülltes Formular oder eine österreichische Bestätigung für die Entrichtung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt (genannt Öko-Karte) mitgeführt".
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet, daß es sich bei der von ihm durchgeführten Fahrt um eine dem Begriff des Straßengütertransitverkehrs im Sinne des Art. 3 Z. 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße, BGBl. Nr. 823/1992, (Transitvertrag) unterfallende Transitfahrt gehandelt habe. Er sei nämlich mit seinem in Deutschland zugelassenen Sattelkraftfahrzeug am leer von Deutschland über das Zollamt Kufstein/Kiefersfelden nach Österreich eingereist und habe erst am nächsten Tag () in Innsbruck die Ladung Faßbier aufgenommen. Der wahre Zweck der Fahrt, welcher eine Leerfahrt vorausgegangen sei, sei sohin die Verbringung einer Ware aus Österreich gewesen, sodaß die Quelle der Fahrt als in Österreich gelegen anzusehen sei. Der Annahme einer Transitfahrt stünde des weiteren entgegen, daß die gegenständliche Fahrt "durch" Österreich auch nicht nur kurzfristig unterbrochen worden sei. Die eintägige Fahrtunterbrechnung könne, insbesondere auch im Hinblick auf die Kürze der Strecke durch Tirol von Kufstein/Kiefersfelden über Innsbruck zum Brennerpaß, nicht mehr als kurzfristig angesehen werden.
Mit diesem Vorbringen vermag er der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Gemäß den Definitionen des Transitvertrages (Art. 3) gelten als
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"1. | Transitverkehr: jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen; | |||||||||
2. | Straßengütertransitverkehr: jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen, die in einer der Vertragsparteien zugelassen sind, durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind." |
Art. 3 Z. 1 Abs. 1 der gemäß Art. 24 Abs. 4 des Transitvertrages getroffenen Verwaltungsvereinbarung zur Festlegung des Zeitpunktes und der Modalitäten der Einführung des im Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Österreich über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und der Straße vorgesehenen Ökopunktesystems samt Anhängen, BGBl. Nr. 879/1992, (Verwaltungsvereinbarung) sieht vor, daß der Lenker eines Lastkraftwagens für jede Transitfahrt ein einheitliches und vollständig ausgefülltes Formular oder eine österreichische Bestätigung über die Entrichtung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt gemäß Anhang A der gegenständlichen Vereinbarung (genannt Öko-Karte) mitzuführen und jederzeit auf Verlangen den Kontrollorganen vorzuweisen hat. Gemäß Art. 4 Z. 2 Absatz 1 der Verwaltungsvereinbarung ist dieses vollständig ausgefüllte und mit der notwendigen Anzahl von Ökopunkten versehene Formular beim Grenzeintritt in das österreichische Hoheitsgebiet den Kontrollorganen abzugeben, die eine Ausfertigung des Formulars mit der Bestätigung der Abgabe zurückzugeben haben.
Aus der Zusammenschau dieser Bestimmungen ergibt sich, daß die Subsumtion der Fahrt eines in einem der Vertragsstaaten des Transitvertrages zugelassenen Lastkraftwagens von einem Ausgangspunkt außerhalb Österreichs aus durch österreichisches Hoheitsgebiet unter den Begriff des Straßengütertransitverkehrs voraussetzt, daß bereits beim Grenzeintritt in das österreichische Hoheitsgebiet feststeht, daß der Zielpunkt außerhalb Österreichs liegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/03/0290). Nicht maßgebend ist hingegen, ob bei der Fahrt ein Teil der Strecke in Österreich unbeladen zurückgelegt wurde oder ob die Fahrt kurzfristig unterbrochen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/03/0273).
Auf dem Boden dieser Rechtslage ging die belangte Behörde im Beschwerdefall im Ergebnis zu Recht vom Vorliegen einer Transitfahrt aus, rechtfertigen die Umstände in ihrer Gesamtheit doch den Schluß, daß der Fahrt bereits im Zeitpunkt des Grenzeintrittes in das österreichische Hoheitsgebiet ein Zielpunkt außerhalb Österreichs, nämlich in Spanien, bestimmt war. Die nur zum Zweck der Beladung des Fahrzeuges in Innsbruck eingeschaltete Unterbrechung der Fahrt vermag im gegebenen zeitlichen Zusammenhang am Charakter einer Transitfahrt nichts zu ändern, da es sich hiebei nur um eine kurzfristige Unterbrechung im Sinne des oben angeführten Erkenntnisses handelte.
Soweit sich der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt auf eine Dienstanweisung des Bundesministers für Finanzen beruft, ist darauf zu verweisen, daß einer solchen schon mangels gehöriger Kundmachung die Qualität einer vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden Rechtsverordnung fehlt.
Für die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, für eine Abstrafung wegen etwaigen Nichtmitführens der Öko-Karte sei die Aufforderung eines Überwachungsorgangs zur Vorlage der Karte "(Vor)Bedingung", bietet Art. 3 Z. 1 Abs. 1 der Verwaltungsvereinbarung nicht den geringsten Anhaltspunkt. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ist nur die Verpflichtung zum Vorweisen der Öko-Karte an ein entsprechendes Verlangen eines Kontrollorganes geknüpft. Die das behauptete Unterbleiben der Aufforderung eines Kontrollorgans an den Beschwerdeführer zum Vorweisen der Öko-Karte betreffenden Ausführungen in der Beschwerde gehen daher ins Leere. Dies gilt auch für das Beschwerdevorbringen, mit dem unter Berufung auf eine im Zuge der "Ausgangsabfertigung" erteilte Auskunft eines Zollorgans ein Rechtsirrtum des Beschwerdeführers geltend gemacht wird. Ein allfälliger, zum Zeitpunkt der "Ausgangsabfertigung" vorliegender Rechtsirrtum des Beschwerdeführers kann nicht von rechtserheblicher Bedeutung sein, weil das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Delikt - das Nichtmitführen einer Öko-Karte während der Transitfahrt - zu diesem Zeitpunkt schon vollendet war. Es schlägt daher auch die Rüge der Nichtdurchführung eines in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer gestellten Beweisantrages nicht durch.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kam eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG nicht in Betracht; dies deshalb, weil nicht zu erkennen ist, daß im Beschwerdefall das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückblieb. Von einem geringfügigen Verschulden im Sinne der genannten Bestimmung kann daher nicht die Rede sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/03/0003). Ob und welche Auskünfte dem Beschwerdeführer von einem "Disponenten" seines Arbeitgebers nach der Einreise in das österreichische Bundesgebiet bezüglich der Ausreise erteilt wurden, ist im Hinblick auf die obigen Ausführungen für die Frage des Ausmaßes seines Verschuldens nicht wesentlich.
Was die in der Beschwerde vorgetragene Anregung zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art. 140 B-VG hinsichtlich der "Mindestgeldstrafdrohung von S 20.000,--" anlangt, so hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , Zl. 94/03/0273, unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VerfSlg. 12920, ausgeführt, daß verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 16 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes aus dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit von Verwaltungsstrafsanktionen nicht bestehen. Die Beschwerdeausführungen geben keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung.
Schließlich regt der Beschwerdeführer die Vorlage der Rechtssache an den EuGH gemäß Art. 177 des EG-Vertrages an. Der Transitvertrag stelle "Recht dar, welches sich am Primärrecht der EG (EU), insbesondere auch an dessen Marktgrundfreiheiten, messen und auf Vereinbarkeit prüfen lassen muß. Es erscheint fraglich, inwieweit eine - mit dem Transitvertrag sowie der dazugehörigen Verwaltungsvereinbarung geschaffene - Kontingentierung von Transitrechten bei Straßengütertransitfahrten durch Österreich (mittels Ökopunkten) mit dem freien Transportdienstleistungsverkehr vereinbar ist." Dem ist zu entgegenzuhalten, daß die wesentlichen Regelungen des Transitvertrages mit dem den EU-Beitrittsakten beigefügten Protokoll Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie dem kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/1995) übernommen wurden, wobei nach den Übergangsbestimmungen des Art. 11 Abs. 2 die durch den Transitvertrag samt Verwaltungsvereinbarung eingeführte Ökopunkteregelung zunächst während einer Übergangsfrist von drei Jahren weitergeführt werden darf (vgl. Thun-Hohenstein - Cede, Europarecht2, 234). Dieses Protokoll hat primärrechtlichen Rang und modifiziert entsprechend dem Art. 2 der EU-Beitrittsakte für Österreich und die anderen neuen Mitgliedsstaaten das am vorhandene EU-Primärrecht (vgl. Thun-Hohenstein - Cede, aaO, 70 ff). Im Hinblick darauf sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht zur Einleitung des vom Beschwerdeführer angeregten Vorabentscheidungsverfahrens veranlaßt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.