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VwGH vom 16.04.1997, 96/03/0358

VwGH vom 16.04.1997, 96/03/0358

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des A in M, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. 14/195-1/1996, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Aussprüche über die Strafe und die Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. mit einer Geldstrafe von S 6.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe sechs Tage und 15 Stunden) bestraft, weil er am um

18.36 Uhr als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Pkws an einer näher bezeichneten Stelle der Inntalautobahn A 12 die durch Straßenverkehrszeichen im dortigen Bereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 66 km/h überschritten habe. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, daß in Anbetracht dessen, daß der Beschwerdeführer trotz wiederholt aufgestellter "80-km/h-Schilder" mit einer Geschwindigkeit von rund 146 km/h gefahren sei, als Schuldform von Vorsatz auszugehen sei. Der Unrechtsgehalt der begangenen Übertretung sei gravierend, da die Nichteinhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten eine der häufigsten Unfallsursachen sei. Eine Überschreitung in diesem Ausmaß könne vom Lenker eines Fahrzeuges nicht unbemerkt bleiben. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit sei um ca. 80 % überschritten worden. Von der Erstbehörde sei der mögliche Strafrahmen mit rund zwei Drittel ausgeschöpft worden, sodaß die verhängte Geldstrafe in Anbetracht der Schuldform als schuld- und tatangemessen zu bezeichnen sei. Dies auch unter dem Aspekt, daß der Beschwerdeführer nach der Aktenlage unbescholten sei.

Gegen diesen Bescheid, und zwar nur in Ansehung der Strafbemessung, richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10077/A), ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung. Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer bekämpft die Annahme der belangten Behörde, die ihm angelastete Geschwindigkeitsüberschreitung sei vorsätzlich erfolgt. Das bloße Vorhandensein von Verkehrszeichen habe nicht zwangsläufig den Vorsatz jenes Verkehrsteilnehmers zur Folge, der die verordnete Geschwindigkeit überschreite; es sei auch durchaus möglich, daß der Verkehrsteilnehmer - beispielsweise durch einen Blick in den Rückspiegel - im Zeitpunkt des Passierens dieses Verkehrszeichens dasselbe gar nicht wahrnehme. Vom Vorsatz des Verkehrsteilnehmers könne in einem derartigen Fall jedenfalls nicht gesprochen werden. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nicht damit verantwortet hat, die Vorschriftszeichen nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 nicht wahrgenommen zu haben. Wenn die belangte Behörde bei der gegebenen Sachlage von einem vorsätzlichen Handeln des Beschwerdeführers ausging, begegnet dies im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Unrechtsgehalt der Übertretung - mag die Tat auch unmittelbar keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen haben - angesichts des beträchtlichen Ausmaßes der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit als gravierend wertete, stellen doch Geschwindigkeitsüberschreitungen immer wieder die Ursache schwerer Verkehrsunfälle dar (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 13547/A). Daß der Beschwerdeführer die Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen habe (§ 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960), wurde ihm nicht zur Last gelegt.

Dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde mildernd zugutegehalten, daß er unbescholten ist. Da er auf frischer Tat betreten wurde, kann der Umstand, daß er die Tat gestanden hat, keinen Milderungsgrund abgeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 85/18/0390, 0391, 0392).

Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt. Die belangte Behörde hat nämlich nicht dargelegt, welche Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers sie ihrem Bescheid zugrundegelegt hat. Dieser Mangel ist deshalb wesentlich, weil die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von S 6.600,-- bei dem bis S 10.000,-- reichenden Strafrahmen des § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 unter Berücksichtigung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und des Umstandes, daß durch die Tat keine nachteiligen Folgen eingetreten sind, trotz des beträchtlichen Unrechtsgehaltes der vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung nur bei außergewöhnlich günstigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers gerechtfertigt erschiene.

Der angefochtene Bescheid war somit in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war mit Rücksicht darauf, daß gemäß § 28 Abs. 5 VwGG die Vorlage bloß einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides genügt, nur in dem zur Rechtsverfolgung notwendigen Ausmaß zuzusprechen.