VwGH vom 19.02.2001, 98/10/0333
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde 1. des Anton F in Gaaden,
2. der Gemeinde Gaaden, beide vertreten durch Heller-Pitzal-Pitzal, Rechtsanwälte KEG in 1040 Wien, Paulanergasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 18.343/03-IA8/98, wegen Duldung des Befahrens einer Forststraße und Entschädigung (mitbeteiligte Partei:
Österreichischer Alpenverein, Sektion Österreichischer Gebirgsverein, Gruppe Baden, vertreten durch Dr. Harald Ofner und Dr. Thomas Wagner, Rechtsanwälte in 1160 Wien, Schuhmeierplatz 14), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Bemessung der Entschädigung betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich wurde über Antrag des mitbeteiligten Vereines ausgesprochen, die Erhalter einer näher bezeichneten Forststraße (die Beschwerdeführer) hätten das Befahren zur Versorgung der Rudolf-Proksch-Hütte zu ermöglichen. Hiefür seien dem mitbeteiligten Verein Schlüssel zur Öffnung der Absperrungen zu übergeben. Die vom Mitbeteiligten den Eigentümern der Forststraße zu bezahlende Entschädigung wurde mit S 3.560,40 jährlich festgesetzt. Begründend wurde nach Darlegung des Verfahrensganges unter Hinweis auf Befund und Gutachten eines Amtssachverständigen unter anderem festgestellt, der in Rede stehende Weg sei eine unbestockte Waldfläche im Sinne des Forstgesetzes. Er verlaufe inmitten eines geschlossenen Waldgebietes und diene auf Grund seiner Anlage und Struktur als Bringungsanlage für die im Osten angrenzenden Waldstücke. Über diesen 2.400 m langen Weg könne mit PKW oder LKW bis auf etwa 100 m zur Schutzhütte zugefahren werden. Die größte Steigung betrage 8 %. Der Weg durch das Große Kiental, über den nach Meinung der Antragsgegner die Hütte versorgt werden solle, könne hingegen nur mit einem geländegängigen Allradfahrzeug befahren werden. Der Weg verlaufe über eine Strecke von etwa 1.300 m durch einen Hohlweg mit teilweise nur zwei Meter Breite und einer Steigung von 19 %; es sei ein Hereinrutschen der steilen Böschungen und ein "Einschneiden" der Fahrbahn durch Niederschlagswässer festzustellen. Der Weg werde durch jedes stärkere Niederschlagsereignis in seiner Befahrbarkeit beeinträchtigt. Um ein einigermaßen gefahrloses Befahren mit einem allradbetriebenen Geländefahrzeug zu gewährleisten, müsse der Weg wenigstens einmal jährlich saniert werden. Im Übrigen enthält der erstinstanzliche Bescheid nähere Feststellungen und Berechnungen zur Frage der den Beschwerdeführern zu leistenden Entschädigung. Nach Zitat der §§ 33 Abs. 4, 14 Abs. 1 dritter bis sechster Satz ForstG vertrat die Behörde erster Instanz sodann die Auffassung, es sei nicht Voraussetzung der Duldungspflicht, dass es sich bei dem in Rede stehenden Weg um die einzige Möglichkeit handle, die Schutzhütte zu Zwecken ihrer Versorgung zu erreichen.
Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Sie brachten insbesondere vor, bei der in Rede stehenden Straße handle es sich nicht um eine Forststraße, sondern um eine "reine Privatstraße", die über eigene Wegparzellen verlaufe. § 33 Abs. 4 ForstG sei daher nicht anzuwenden. Im Übrigen sei die Benützung der Straße zur Versorgung der Hütte nicht erforderlich, weil diese auch anders möglich sei. Bei der Bemessung der Entschädigung sei zu Unrecht der "jagdrechtliche Schaden" nicht berücksichtigt worden.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides übernahm sie die Feststellungen des Bescheides der ersten Instanz und teilte deren Rechtsauffassung. Bei der Bemessung der Entschädigung habe die Behörde erster Instanz zu Recht nur auf vermögensrechtliche Nachteile forstlicher Natur Bedacht genommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 33 Abs. 1 ForstG darf jedermann, unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 3 und des § 34, Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten.
Nach § 33 Abs. 3 erster Satz ForstG ist eine über Abs. 1 hinausgehende Benützung wie Lagern bei Dunkelheit, Zelten, Befahren oder Reiten, nur mit Zustimmung des Waldeigentümers, hinsichtlich der Forststraßen mit Zustimmung jener Person, der die Erhaltung der Forststraße obliegt, zulässig.
§ 33 Abs. 4 ForstG lautet:
"Soweit es die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Wälder zulässt, hat der Erhalter der Forststraße deren Befahren durch Fahrzeuge im Rettungseinsatz oder zur Versorgung von über die Forststraße erreichbaren Schutzhütten zu dulden; einer Ersichtlichmachung im Sinne des § 34 Abs. 10 bedarf es nicht. Ist die Forststraße abgesperrt, so ist zwischen dem Erhalter der Forststraße und der für den Rettungseinsatz zuständigen Stelle eine für den Erhalter der Forststraße zumutbare Vereinbarung über die Zugänglichmachung der Forststraße zu treffen. Der Erhalter der Forststraße hat gegenüber dem Inhaber der Schutzhütte Anspruch auf eine dem Umfang der Benützung der Forststraße entsprechende Entschädigung für vermögensrechtliche Nachteile. Die Bestimmungen des § 14 Abs. 1 dritter bis sechster Satz sind sinngemäß anzuwenden."
§ 14 Abs. 1 dritter bis sechster Satz ForstG lauten:
"Über die Bemessung der Entschädigung entscheidet die Behörde mit Bescheid. Dieser tritt außer Kraft, wenn eine der Parteien innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Bescheides die Bemessung der Entschädigung bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Wald liegt, beantragt. Für das gerichtliche Verfahren gelten die Bestimmungen über das Verfahren außer Streitsachen. Das Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, BGBl. Nr. 71, ist sinngemäß anzuwenden."
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Verpflichtung der Mitbeteiligten, das Befahren der Forststraße zu Zwecken der Versorgung einer Schutzhütte zu dulden, und die ihnen hiefür zu leistende Entschädigung jeweils in der Sache. Was die Bemessung der Entschädigung mit dem erstinstanzlichen Bescheid betrifft, ist auf § 14 Abs. 1 dritter bis sechster Satz iVm § 33 Abs. 4 letzter Satz ForstG zu verweisen. Danach besteht in Angelegenheiten der Bemessung der Entschädigung die sukzessive Kompetenz der ordentlichen Gerichte. Darauf hatte die erste Instanz in der ihrem Bescheid beigegebenen Rechtsmittelbelehrung auch zutreffend hingewiesen. Die belangte Behörde war zur Sachentscheidung über die Berufung, soweit sich diese gegen die Bemessung der Entschädigung richtete, nicht zuständig; denn die sukzessive Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts schloss die Zuständigkeit der mit Berufung angerufenen Verwaltungsbehörde aus. Die belangte Behörde hätte daher im Umfang der - vom übrigen Bescheidinhalt trennbaren - Bemessung der Entschädigung nicht in der Sache entscheiden dürfen, sondern die Berufung insoweit zurückweisen müssen. Der angefochtene Bescheid war daher im erwähnten Umfang wegen der Unzuständigkeit der belangten Behörde, die von Amts wegen wahrzunehmen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben. Soweit sich die Beschwerde in der Sache gegen die Entscheidung der Berufungsbehörde über die Bemessung der Entschädigung wendet, war darauf nicht einzugehen.
Im Übrigen wiederholt die Beschwerde den schon im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Standpunkt der Beschwerdeführer, es handle sich bei dem in Rede stehenden Weg um "eigene Wegparzellen und nicht um Forststraßen". Auf das "äußere Erscheinungsbild dieser Wege, die allerdings in der Natur Forststraßen darstellen", käme es nicht an, weil sie als "gewidmete Wegparzellen reine Privatstraßen darstellen". Auch öffentliche Straßen und Wege, die durch ein Waldstück führten, würden nicht "automatisch" zu Forststraßen, auch wenn sie "rein optisch dem Wald zuzuordnen" wären.
Damit entfernt sich die Beschwerde von dem im Gesetz (§ 59 Abs. 2 ForstG) normierten Begriff der "Forststraße". Nach der zitierten Vorschrift ist eine Forststraße eine für den Verkehr von Kraftfahrzeugen und Fuhrwerken bestimmte nichtöffentliche Straße samt den in ihrem Zuge befindlichen dazugehörigen Bauwerken, die der Bringung und dem wirtschaftlichen Verkehr innerhalb der Wälder sowie deren Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz dient. Nach § 1 Abs. 3 ForstG gehören Forststraßen zum Wald (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 85/07/0165). Nach dem festgestellten Sachverhalt liegen alle Tatbestandselemente des Begriffes "Forststraße", nämlich die Zweckbestimmung für die Bringung und den wirtschaftlichen Verkehr innerhalb eines Waldes mit Kraftfahrzeugen und die Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz vor. Die Zuordnung der Fläche im Grundsteuer- oder Grenzkataster oder der Ausweis einer Benützungsart im Grundbuch sind für die Eigenschaft als Forststraße lediglich insoweit von Bedeutung, als die Voraussetzungen der Vermutung der Waldeigenschaft nach § 3 Abs. 1 ForstG nicht vorliegen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Slg. 10372/A, und vom , Zl. 88/10/0214). Ob ein "im Wald" gelegener bzw. von Wald umgebener nicht öffentlicher Verkehrsweg eine Forststraße ist, hängt vielmehr von der Zweckwidmung für die Waldbewirtschaftung, insbesondere die Bringung, ab. Diese ist im Beschwerdefall nicht zweifelhaft; hingegen liegt kein Anhaltspunkt für eine ausschließliche Widmung des in Rede stehenden Weges für andere Zwecke als jenen der Waldbewirtschaftung, die länger als 15 Jahre zurückliegt (vgl. § 5 Abs. 2 ForstG) oder die Erteilung einer Rodungsbewilligung im Grunde des Interesses am öffentlichen Straßenverkehr (vgl. § 17 Abs. 1 und 3 ForstG) in Verbindung mit einem entsprechenden straßenrechtlichen Widmungsakt vor. Die belangte Behörde hat daher ohne Rechtsirrtum die Eigenschaft der in Rede stehenden Verkehrsfläche als Forststraße bejaht.
Die Beschwerde macht weiters geltend, § 33 Abs. 4 ForstG sei so auszulegen, dass die Duldung nur dann gefordert werden könne, wenn die zu versorgende Schutzhütte nur über die betreffende Forststraße erreicht werden könne. Dies sei hier nicht der Fall; dass die vorhandene andere Zufahrtsmöglichkeit eine steilere Neigung aufweise als die angestrebte, begründe keinen Anspruch auf die Einräumung einer weiteren Zufahrtsmöglichkeit.
Auszugehen ist vom Begriff "zur Versorgung von über die Forststraße erreichbaren Schutzhütten"; ihre Grenze findet die Eigentumsbeschränkung des Erhalters der Forststraße durch den einleitenden Halbsatz "soweit es die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Wälder zulässt". Bei der Auslegung der Vorschrift ist ferner der allgemeine Grundsatz zu beachten, dass Lasten, die durch gesetzlich vorgesehene Eigentumsbeschränkungen entstehen, die Grenzen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit und der Adäquanz im Verhältnis zu dem der Beschränkung zu Grunde liegenden öffentlichen Interesse nicht überschreiten dürfen (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 7759, und vom , Slg. 13587). Davon ausgehend ist § 33 Abs. 4 erster Satz ForstG dahin auszulegen, dass der Erhalter der Forststraße das Befahren derselben in dem für die Versorgung einer Schutzhütte erforderlichen und zweckmäßigen Ausmaß zu dulden hat, soweit ihm dadurch nicht unzumutbare Nachteile entstehen. Als "erforderlich" ist dabei die Inanspruchnahme jenes von mehreren Wegen anzusehen, der sich unter Gesichtspunkten der Versorgung der Schutzhütte wie auch der Waldbewirtschaftung als der zweckmäßigste erweist. Der von der Beschwerde hervorgehobene Umstand, dass zu der in Rede stehenden Schutzhütte ein anderer Weg (andere Wege) führen, lässt nicht erkennen, dass das Befahren des den Gegenstand des Bescheides bildenden Weges - in einem gegebenenfalls näher festzulegenden quantitativen Umfang - für die Versorgung der Schutzhütte nicht "erforderlich" im oben dargelegten Sinn wäre, zumal den Sachverhaltsfeststellungen nicht widersprochen wurde, wonach die in Rede stehende Alternative nur mit einem allradgetriebenen Geländefahrzeug befahren werden könnte und häufig wiederkehrende Instandhaltungsmaßnahmen erfordern würde.
Im Umfang des Ausspruches über die Benützung der Forststraße, der vom Ausspruch über die Entschädigung trennbar ist, war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf eine Beilagengebühr entfallende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beilagengebühr von der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG umfasst ist.
Wien, am