VwGH vom 18.01.2005, 2002/05/0741

VwGH vom 18.01.2005, 2002/05/0741

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Gottfried Gscheidlinger in Strengberg, vertreten durch Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-V-01075/00, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Strengberg), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Pächter des im Grünland gelegenen Grundstückes Nr. 414/6, KG Au, mit dem Altbestand eines Betriebsgebäudes einer ehemaligen Fassbinderei. Mit Schreiben vom ersuchte er um die Erteilung einer Baubewilligung, wobei er gleichzeitig einen Grundbuchsauszug, eine Baubeschreibung und ein Betriebskonzept vorlegte. Projektsgegenständlich sind ein so genanntes "Round Pen", Pferdeunterstände, ein Flugdach und verschiedene Umzäunungen. Beim "Round Pen" handelt es sich um ein Reitzelt mit 16-eckigem Grundriss und 20 m Durchmesser, wobei die Höhe der Außenwand 4 m betragen soll, die Firsthöhe (ein Mittelsteher) 6,50 m. Im ehemaligen Betriebsgebäude sind verschiedene bauliche Veränderungen vorgesehen, nach den Plänen sollen Aufenthaltsräume, eine Sattelkammer, eine Kranken- und Geburtenbox, eine Werkstatt und ein Pflegeplatz sowie ein WC eingerichtet werden. Schließlich sind ein Pferdeunterstand mit 4 Boxen und zwei Pferdeunterstände mit je 2 Boxen vorgesehen. Nach dem dem Bauansuchen angeschlossenen Betriebskonzept diene die Bauführung der Neuerrichtung einer Pferdezucht und Pferdehaltung.

Für das Baugrundstück gilt eine seit 1986 bestehende Flächenwidmung "Grünland" mit der besonderen Kennzeichnung als "Hochwasserabflussgebiet - Überflutungsgebiet". Wie aus einem Protokoll über eine Sitzung des Gemeinderates vom hervorgeht, hätten auf Grund eines Hochwasserereignisses im August 1991 22 von 60 Liegenschaftseigentümern um Aussiedlung angesucht; damit eine entsprechende Bewilligung und Förderung aus den Mitteln des Katastrophenfonds vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten erlangt werden könne, wurde vom Gemeinderat in dieser Sitzung folgender Beschluss zum örtlichen Raumordnungsprogramm gefasst:

"In der KG Au besteht ein gänzliches Bauverbot für den Neubau von Wohnbauten und landwirtschaftlichen Wohn- und Betriebsbauten.

Baumaßnahmen gemäß § 19 Raumordnungsgesetz Abs. 4 und 5 sind grundsätzlich verboten.

Dieses Bauverbot gilt auch für die als "Geb" (erhaltenswerte Bauten im Grünland) ausgewiesenen Objekte.

Instandhaltungsarbeiten und Sanierungsmaßnahmen an den in der Katastralgemeinde Au verbleibenden Liegenschaften sind auch weiterhin möglich.

Dies wird einstimmig beschlossen."

Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde unter Hinweis auf die §§ 20 und 55 Abs. 3 der NÖ BauO 1996 das Bauansuchen ab. Die Abweisung wurde mit der bestehenden Flächenwidmung und dem Gemeinderatsbeschluss vom begründet. Gemäß § 55 Abs. 3 NÖ BauO dürfe im Grünland ein Bauwerk nicht errichtet werden, wenn der Bestand oder die dem Verwendungszweck entsprechende Benutzung durch Hochwasser gefährdet sei.

In seiner Berufung verwies der Beschwerdeführer zunächst darauf, dass eine Bausperre im Sinne des § 14 NÖ BauO nicht erlassen worden sei. Der Gemeinderatsbeschluss vom entfalte gegenüber dem Beschwerdeführer keine Rechtswirkungen. Er sei weder als Verordnung kundgemacht, noch sei das im Gesetz vorgesehene Verfahren zur Änderung eines Flächenwidmungsplanes eingehalten worden. Die Behörde hätte konkret prüfen müssen, ob tatsächlich auf dem Baugrundstück der Bestand oder die Benützbarkeit des Bauwerkes durch Hochwasser gefährdet sein könnte. Vielmehr würde das Vorhaben der Bestimmung des § 19 Abs. 4 Nö ROG entsprechen.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde wies diese Berufung mit Bescheid vom ab. Zu Recht sei die begehrte Bewilligung nach § 55 Abs. 3 NÖ BauO versagt worden, weil der Verwendungszweck und die entsprechende Benützung durch Hochwasser gefährdet seien. Bei einem Hochwasserereignis im Jahr 1991 seien sämtliche Liegenschaften der Katastralgemeinde Au, auch das Baugrundstück, im Erdgeschoß überflutet worden. Der Nachweis der Beeinträchtigung durch Hochwasser sei daher gegeben. Beim Vorhaben handle es sich um die Neuerrichtung eines Betriebes, weshalb die Bewilligung zu versagen gewesen sei.

In seiner dagegen erhobenen Vorstellung brachte der Beschwerdeführer vor, eine allfällige Ersichtlichmachung des Grundstückes im Flächenwidmungsplan als Hochwasserabflussgebiet könne keine konstitutive Wirkung entfalten. Im Einzelfall müsse geprüft werden, inwieweit tatsächlich konkrete Hochwasserabflussgefahr bestehe. Selbst wenn grundsätzlich eine Hochwasser- oder Überflutungsgefahr gegeben wäre, könnte das Vorhaben trotzdem bewilligt werden, weil § 55 Abs. 3 NÖ BauO auf die Gefährdung des Bestandes oder Gefährdung der Benützbarkeit abstelle, die keinesfalls gegeben sei.

Die belangte Behörde holte ein Gutachten der Abteilung Wasserwirtschaft der niederösterreichischen Landesregierung ein. In diesem Gutachten vom wird auszugsweise ausgeführt:

"Soweit nach der Durchsicht der vorliegenden Unterlagen beurteilbar, dürfte durch die geplanten Anlagen keine erhebliche Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses vorliegen; da jedoch im Hochwasserfall größere Strömungsgeschwindigkeiten und Hochwasserhöhen auftreten, müssen die baulichen Anlagen gegen Hochwasserangriff gesichert sein (sollte bereits im Bauverfahren nachgewiesen werden).

Nach h.a. Unterlagen muss für ein 100-jährliches Hochwasserereignis mit einer Überflutungshöhe bis 238,39 m ü.A. gerechnet werden. Es bestehen im Siedlungsraum Strengberg-Au örtliche Höhenmarken und Pegel, die die Hochwasserkoten anzeigen und zum Teil auch als Vorwarnpegel dienen. Für das Hochwasserereignis 1991 (war ein ca. 30-jährliches Hochwasser) sind vor Ort an vielen Gebäuden die Wasserhöhen markiert. Bei einem 100-jährlichen Hochwasserereignis sind um mindestens 20 cm höhere Werte zu erwarten bei einer wesentlich größeren Durchströmungsgeschwindigkeit.

Bei Hochwasser (ab einem 20-jährlichem Ereignis) ist aus wasserfachlicher Sicht die Verkehrserschließung und die Benutzbarkeit der geplanten Anlagen nicht mehr ausreichend gegeben, da es dann zu einer großflächigen Überflutung in der KG Au kommt."

In seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er auf der Liegenschaft wohnhaft und ständig anwesend sei, sodass die Evakuierung der 15 Pferde und 2 Fahrzeuge jederzeit möglich sei. Treibstoffe oder Heizöl sowie Düngemittel würden nicht gelagert werden, sodass keine wassergefährdenden Stoffe vorhanden seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten, wonach die Verkehrserschließung und Benützbarkeit der geplanten Baulichkeiten im Hochwasserfall, und zwar bereits ab einem 20-jährlichen Ereignis, nicht ausreichend gegeben sei, sei der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Der Hinweis der Berufungsbehörde auf den am gefassten Beschluss und das am stattgefundene Hochwasserereignis befreie die Behörde zwar nicht, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 NÖ BauO zu prüfen. Dieser unwesentliche Verfahrensmangel sei aber insofern beseitigt worden, als die belangte Behörde ein entsprechendes Gutachten eingeholt habe. § 55 Abs. 3 NÖ BauO gehe von einer abstrakten Gefährdung aus, die im konkreten Fall vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen nachgewiesen worden sei.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Erteilung einer Baubewilligung verletzt, wobei er inhaltliche Rechtswidrigkeit, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und "vorsichtsweise" auch infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Was zunächst die behauptete Unzuständigkeit betrifft, macht der Beschwerdeführer geltend, die Gemeindebehörden hätten kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und es hätte lediglich die Aufsichtsbehörde einen Beweis aufgenommen. Damit habe die Aufsichtsbehörde in der Sache selbst entschieden, wozu sie aber nicht zuständig sei.

Der Beschwerdeführer hat von dem in § 61 Abs. 1 NÖ Gemeindeordnung gewährleisteten Recht, nach Erschöpfung des innergemeindlichen Instanzenzuges eine Vorstellung an die Aufsichtsbehörde zu erheben, Gebrauch gemacht. Diese Bestimmung stellt allein darauf ab, dass ein letztinstanzlicher Gemeindebescheid ergangen ist, nicht aber auf den Inhalt dieses Bescheides oder auf das diesem Bescheid vorangegangenen Verfahren. Die Aufsichtsbehörde kann nach Abs. 3 dieser Bestimmung nötige Erhebungen selbst vornehmen oder durch die Gemeindebehörden vornehmen lassen. Die Auffassung des Beschwerdeführers, ein unzureichendes Verfahren auf Gemeindeebene würde zur Unzuständigkeit der Vorstellungsbehörde führen, steht mit dieser Rechtslage nicht in Einklang.

Die Baubehörden haben das vorliegende Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens abgewiesen. Die diesbezügliche Bestimmung des § 20 NÖ BauO, LGBl. Nr. 8200-3 (BO) lautet auszugsweise:

"§ 20

Vorprüfung

(1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben

1. die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks, seine Erklärung zur Vorbehaltsfläche oder Aufschließungszone,


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2.
der Bebauungsplan,
3.
eine Bausperre,
4.
die Unzulässigkeit der Erklärung des betroffenen Grundstücks im Bauland zum Bauplatz,
5.
ein Bauverbot nach § 11 Abs. 5 oder
6.
eine Bestimmung dieses Gesetzes, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210, oder einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze entgegensteht.
...

(2) ....

(3) Wenn die Baubehörde eines der im Abs. 1 angeführten Hindernisse feststellt, hat sie den Antrag abzuweisen. Hält sie dessen Beseitigung durch eine Änderung des Bauvorhabens für möglich, dann hat sie dies dem Bauwerber binnen 8 Wochen ab dem Einlangen des Antrags mitzuteilen.... "

Als Hindernis, welches in Anwendung des § 20 Abs. 3 BO zur Abweisung des Bauansuchens führte, wurde gemäß § 20 Abs. 1 Z. 6 BO die Bestimmung des § 55 Abs. 3 BO angesehen. Diese Bestimmung lautet:

"(3) Im Grünland darf ein Bauwerk unbeschadet § 19 Abs. 4 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-10, nicht errichtet werden, wenn der Bestand oder die dem Verwendungszweck entsprechende Benützbarkeit des Bauwerks durch Hochwasser, Steinschlag, Rutschungen, Grundwasser, ungenügende Tragfähigkeit des Untergrundes, Lawinen, ungünstiges Kleinklima oder eine andere Auswirkung natürlicher Gegebenheiten gefährdet oder die für den Verwendungszweck erforderliche Verkehrserschließung nicht gewährleistet ist."

Ein Versagungsgrund liegt somit dann vor, wenn der Bestand oder die dem Verwendungszweck entsprechende Benützbarkeit durch Hochwasser gefährdet ist.

Zur Klärung dieser Frage hat die belangte Behörde ein wasserbautechnisches Gutachten eingeholt; der Gutachter gelangt auch auf Grund der Erfahrung nach einem Hochwasser im Jahr 1991 zum Ergebnis, dass bei einem Hochwasser ab einem 20-jährlichen Ereignis die Benützbarkeit der Anlage nicht mehr ausreichend gegeben ist, weil es dann zu einer großflächigen Überflutung der Katastralgemeinde kommt. Diese konkrete Aussage steht im Einklang mit der Kenntlichmachung im Flächenwidmungsplan (siehe § 10 ROG), wonach das Baugrundstück im Hochwasserabfluss- und Überflutungsgebiet liegt (nach § 38 Abs. 3 WRG gilt ein bei 30- jährlichen Hochwässern überflutetes Gebiet als Hochwasserabflussgebiet).

Der entscheidenden Feststellung dieses Gutachtens, dass alle 20 Jahre mit einer Überflutung des Grundstückes zu rechnen ist, ist der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zum Gutachten nicht entgegen getreten.

Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde diese Feststellung des Sachverständigen ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt hat. Das Gesetz stellt auf die dem Verwendungszweck entsprechende Benützbarkeit ab, das ist hier, wie aus dem Betriebskonzept ersichtlich, die Pferdezucht; nicht abgestellt wird im Gesetz auf Evakuierungsmöglichkeiten, wie sie der Beschwerdeführer bezüglich der 15 Pferde und seiner beiden Fahrzeuge behauptet.

Da ausgehend vom gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers weder eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung noch sonst eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erkannt werden kann, erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am