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VwGH vom 23.03.1994, 93/09/0391

VwGH vom 23.03.1994, 93/09/0391

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der Kommissärin Dr. Andrea Heiger-Wukits, Stellvertreterin des Disziplinaranwaltes bei der Disziplinaroberkommission gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 27/6-DOK/93, betreffend Disziplinarstrafe (mitbeteiligte Partei: F in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte (in der Folge: MB) ist Postbeamter und war bis zu seiner Suspendierung als Gesamtzusteller (Briefträger) beim Postamt XY im Einsatz.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , AZ 35 Vr 2071/92 - Hv 212/92, wurde der MB schuldig erkannt, er habe

"... zwischen 1990 und Juli 1992 in S und XY den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer jedenfalls großen Menge, nämlich Kokain, von Kolumbien nach Österreich eingeführt und eine jedenfalls große Menge davon durch Weitergabe an A, B, C und D in Verkehr gesetzt",

er habe hiedurch das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz (SGG) begangen. Dafür wurde der MB vom Strafgericht zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten sowie zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 70.000,-- und zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt; ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Dazu traf das Strafgericht nachstehende für das vorliegende Disziplinarverfahren gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 bindende Tatsachenfeststellungen:

"...

Der Angeklagte F war in früheren Jahren aktiv als Bobfahrer im österreichischen Nationalteam tätig und verfügte deshalb über sehr gute Beziehungen im In- und Ausland. Im Jahre 1990 lernte er einen gewissen P, Mitglied der tschechischen Bobnationalmannschaft, kennen, welcher ihm vorerst im Spitzensport verbotene Anabolika und Steroide verkaufte. In der weiteren Folge vermittelte dieser P F jedoch auch an einen in Medellin in Kolumbien wohnhaften Drogenschmuggler namens E, welcher F in den folgenden zwei Jahren regelmäßig mit Kokain aus Kolumbien versorgt hat. Man ging dabei so vor, daß E das Kokain jeweils in Briefen an mehrere ihm vorher von F bekanntgegebene Phantasienamen mit Adressen im Zustellbereich des Briefträgers F schickte. Das enthaltene Kokain differierte nach Angaben des Angeklagten F von ursprünglich einem bis später zwanzig Gramm Kokain. Es kann nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, welche Menge insgesamt E dem F geschickt hat. Einerseits führte F darüber keine Aufzeichnungen, andererseits lassen aber auch die Ergebnisse des Beweisverfahrens keinen genaueren Schluß zu. Laut einer Bestätigung der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom (S 171 des Aktes) wogen die sichergestellten drei Briefkuverts, die irrtümlicherweise nach Schweden geschickt worden sind, brutto 18,6 g, 18,6 g und 21,3 g. Es kann also keinesfalls mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß in jedem Brief 20 g Kokain enthalten gewesen sind. Der Schöffensenat begnügte sich daher mit der Feststellung, daß der Angeklagte F jedenfalls eine große Menge Kokain (§ 12 Abs. 1 SGG) nach Österreich eingeführt und ebenfalls eine große Menge Kokain in Verkehr gesetzt hat. Der Reinheitsgehalt des vom Angeklagten F nach Österreich eingeführten Kokains ließ sich ebenfalls nicht mehr genau feststellen, weil das von F in Verkehr gesetzte Kokain nicht mehr sichergestellt werden konnte. Erfahrungsgemäß ist jedoch davon auszugehen, daß aus Kolumbien kein minderwertiges Kokain nach Österreich verschickt worden sein dürfte. Der Reinheitsgehalt laut Untersuchungsbericht ON 39 ist lediglich ein Hinweis auf den ungefähren Reinheitsgehalt, keinesfalls aber eine Entscheidungsgrundlage.

Diese Briefe mit Kokain fing der Angeklagte F ab und bunkerte sie zum Großteil in einem leerstehenden Briefkasten im Haus I, NN-Straße 20. Das Kokain wurde in der Folge von ihm an A, B, C und D weiterverkauft. F verlangte dafür durchschnittlich pro Gramm S 500,--, obwohl er umgerechnet lediglich ca. S 100,-- pro Gramm an seinen Lieferanten bezahlt hat.

Nach der nicht zu widerlegenden Verantwortung des Angeklagten F hat dieser insgesamt ca. 7 bis 8 Briefsendungen retourniert, weil er inzwischen den Entschluß gefaßt hatte, mit dem Kokaingeschäft aufzuhören.

...

Der Angeklagte F wußte, daß eine Menge, wie er sie nach Österreich eingeführt und in Verkehr gesetzt hat, groß und daher geeignet ist, im Falle der Weitergabe in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Jedermann weiß inzwischen, daß schon ganz geringe Mengen dieses Suchtgiftes eine Abhängigkeit bewirken. F, der mit Anabolikas und Steroiden gehandelt hat, mußte das umso mehr bewußt sein."

Bei der Strafbemessung wurden folgende Strafzumessungsgründe berücksichtigt:

"Erschwerend: die große Menge gemäß § 12 Abs. 1 SGG wurde sicherlich mehrfach erreicht; er hat als Nichtsüchtiger Suchtgift nach Österreich eingeführt und in Verkehr gesetzt; er hat eine große Menge Suchtgift nicht nur eingeführt, sondern auch in Verkehr gesetzt;

mildernd: qualifiziertes Geständnis (der Angeklagte hat Verfehlungen zugegeben, welche ihm ansonsten nie nachgewiesen werden hätten können); Unbescholtenheit; psychische Ausnahmesituation wegen des Todes seiner Lebensgefährtin und schließlich die Tatsache, daß er eigentlich von selbst mit dem Suchtgiftgeschäft aufgehört hat."

In dem dieselbe Vorgangsweise des MB betreffenden, im Anschluß an das gerichtliche Strafverfahren durchgeführten Disziplinarverfahren wurde der MB mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (DK) vom schuldig erkannt, er habe

"... in der Zeit zwischen 1990 und Juli 1992 in S und XY unter Ausnützung seiner Amtsstellung als Gesamtzusteller beim Postamt XY den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer jedenfalls großen Menge, nämlich Kokain, von Kolumbien nach Österreich eingeführt und in Verkehr gesetzt, indem er sich die Briefsendungen mit Kokain aus Medellin, dem Sitz des kolumbianischen Drogenkartells, auf eine mit falschen Namen versehene und vorher bekanntgegebene Adresse in seinem Zustellbezirk zusenden ließ, diese abfing und in einem leerstehenden Fach der Hausbrieffachanlage im Haus I, NN-Straße 20, bis zur Weitergabe versteckte."

Der MB habe hiedurch in Verbindung mit § 91 BDG 1979 die in § 43 Abs. 1 und Abs. 2 BDG 1979 niedergelegten Dienstpflichten des Beamten verletzt, es werde daher über ihn gemäß § 126 Abs. 2 iVm § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

Begründend verwies die DK auf die im Strafurteil getroffenen Feststellungen und auf ihre Bindung daran gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979. Die DK bejahte ferner das Vorliegen eines "disziplinären Überhangs" iS des § 95 Abs. 1 BDG 1979 und führte aus, der MB habe über einen langen Zeitraum von zwei Jahren wiederholt und nahezu regelmäßig seine dienstliche Stellung dazu ausgenützt, Kokain in einer großen Menge nach Österreich einzuführen und hier in Verkehr zu setzen. Entgegen seiner ursprünglichen Verantwortung, man hätte ihm das Rauschgift ohne sein Zutun zugeschickt, habe der MB im Zuge des Verfahrens zugeben müssen, daß er in dieser Angelegenheit selbst sehr aktiv geworden sei, indem er seinem Lieferanten den fingierten Namen und die Adresse bekanntgegeben, die Lieferungen bezahlt und verteilt und sich zum Abwiegen des Rauschgiftes eine Briefwaage beschafft habe. Es möge zwar sein, daß der MB, als der erste Brief aus Kolumbien eingetroffen sei, wegen des tödlichen Absturzes seiner Lebensgefährtin in einer psychisch labilen Situation gewesen sei, doch könne damit das spätere aktive Handeln des MB nicht entschuldigt werden. Auch habe sich der MB in keiner finanziellen Notlage befunden und sei selbst nicht süchtig gewesen. Der MB habe seine dienstlichen Möglichkeiten bewußt eingesetzt, welche geradezu Voraussetzung für die relativ gefahrlose Beförderung des Rauschgiftes gewesen sei und für ihn einen "Schutzschild" gebildet habe. Er sei sich auch dessen bewußt gewesen, daß er damit disziplinär zu ahndende Dienstpflichtverletzungen gesetzt habe und im Entdeckungsfalle das Vertrauen seines Dienstgebers eben so wie jenes der Bevölkerung verlieren würde. Ein Bediensteter, der sich so lange Zeit hindurch regelmäßig und aktiv an derartig schmutzigen Geschäften beteilige, nehme seine dienstlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß wahr; das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstgeber sei nicht mehr gegeben. Auch sei das Ansehen der Post durch die verbrecherischen Tätigkeiten des MB schwer geschädigt worden. Aus generalpräventiver Sicht wäre Milde unangebracht und geradezu eine Aufforderung, es dem MB gleichzutun. Die Bestrafung solle auch ein Signal an andere Bedienstete sein und deren normgerechtes Verhalten bestätigen. Die Aufrechterhaltung des Dienstleistungsbetriebes der Post erfordere ein intaktes und ungetrübtes Vertrauensverhältnis auch zwischen den Bediensteten untereinander. In dieser Hinsicht wäre es anderen Postbediensteten gegenüber nicht zumutbar, den MB weiterhin im Dienst zu belassen. Postsendungen genössen einen besonderen gesetzlichen Schutz, woraus die Verpflichtung für die Postverwaltung resultiere, alle Maßnahmen gegen Mißbräuche zu ergreifen. Dieses Privileg gegenüber anderen Beförderungsunternehmen dürfe auch im Hinblick auf Deregulierungsbestrebungen keinesfalls durch strafbare Handlungen in Frage gestellt werden. Im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis zwischen der Post und der Bevölkerung sei überdies auf das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden zu achten, um das Ansehen des Beamtentums wahren zu können. Dabei habe der MB als Zusteller ein besonderes Naheverhältnis zu den Kunden gehabt. Es könne nicht angenommen werden, daß eine Person, die des Rauschgifthandels überführt worden sei und Zugriff auf Postsendungen sowie Zutritt zu Wohnungen und damit insbesondere auch zu Jugendlichen habe, auf allgemeines Verständnis in der Bevölkerung treffen würde. Allgemein herrsche tiefe Besorgnis und Abscheu in der Bevölkerung über den zunehmenden Rauschgiftkonsum und das damit zusammenhängende organisierte Verbrechen, zu dem der MB offensichtlich in Kontakt gestanden sei. Als erschwerend kämen die lange Dauer und die mehrfache Begehung hinzu, wogegen die dem MB allenfalls zuzubilligenden Milderungsgründe (disziplinäre Unbescholtenheit, anfängliche psychische Ausnahmesituation, teilweises Geständnis, Umkehrabsicht) in Anbetracht der Schwere der Dienstpflichtverletzung keine entsprechende Berücksichtigung finden hätten können. Dazu habe der MB einen disziplinären Überhang bestritten und in seiner Verantwortung sogar versucht, seine Taten durch den Hinweis auf die in seinem Zustellbezirk angeblich andere Einstellung der Bevölkerung zum Rauschgiftkonsum zu verniedlichen.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies der MB erneut auf das Fehlen eines "disziplinären Überhanges" und beantragte unter Hinweis auf seine im übrigen gegebene Zuverlässigkeit als Postbediensteter sowie auf in der Bevölkerung für ihn gesammelte Unterschriften, ihn von der wider ihn erhobenen "Disziplinaranklage" freizusprechen, in eventu jedenfalls die ausgesprochene Entlassung in ein "gelinderes Sanktionsmittel" umzuwandeln.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung der Berufung des MB teilweise Folge und änderte den Bescheid der DK in seinem Strafausspruch dahin ab, daß über den MB gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von S 60.000,-- verhängt wurde, deren Abstattung in 15 Monatsraten dem MB bewilligt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verlaufes des erstinstanzlichen Verfahrens, des Inhaltes der Berufungsverhandlung sowie der Ergebnisse der Berufungsverhandlung zu der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allein noch umstrittenen Straffrage neben allgemeinen Hinweisen auf die Rechtslage und auf die zur Entlassung vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgendes aus:

"Der Beschuldigte hat durch seine Verfehlungen zweifellos in schwerwiegender Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen und das in ihn gesetzte Vertrauen zutiefst erschüttert. Verfehlungen dieser Art sind daher mit der nötigen Strenge zu ahnden.

Da die Suchtgiftkriminalität mehr und mehr um sich greift und unbestritten eine große Gefahr für die Bevölkerung, insbesondere für die Jugend, darstellt, ist der Suchtgiftbekämpfung ein sehr großes öffentliches Interesse beizumessen.

Der erkennende Senat ist dennoch mehrheitlich - entgegen den Ausführungen der Erstinstanz - zu dem Entschluß gekommen, daß auf Grund der besonderen Umstände des Falles das Vertrauen in den Beschuldigten nicht in einem Ausmaß zerstört erscheint, daß die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses mit dem Beschuldigten für die Dienstbehörde unzumutbar wäre.

...

Die besonderen Umstände des Falles haben den Senat dazu bewogen, von der Entlassung des Beschuldigten abzusehen und ihm die Chance für einen Neubeginn zu geben.

Wesentlich erschien dem Senat der gesamte Verlauf der Geschehnisse.

Der Beschuldigte verfügte als ehemaliger aktiver Bobfahrer im österreichischen Nationalteam (über) gute Kontakte zu Spitzensportlern im In- und Ausland. So trat im Jahre 1990 ein tschechischer Sportler namens P an ihn heran und bot ihm - nach vorerst Anabolika und Steroiden - auch Suchtgift an. Der Beschuldigte versuchte zunächst zwar abzuwehren, dennoch kam in der Folge ein Brief mit der Aufforderung, eine Adresse bekanntzugeben. Auf den zweiten Brief reagierte der Beschuldigte, er gab die Sendung an einen Sportkollegen weiter, welcher das Kokain für ihn verkaufte. Nach anfänglich nur spärlichen Sendungen kamen dann in der Folge immer häufiger Briefe, adressiert an vom Beschuldigten bekanntgegebene Phantasienamen mit Adressen in seinem Zustellbereich.

Geplagt von Gewissensbissen, faßte der Beschuldigte - kurz vor Aufdeckung des Falles - den Entschluß, aus dem Kokaingeschäft auszusteigen. Er retournierte in der Folge insgesamt ca. 7 bis 8 Briefsendungen.

Der Beschuldigte war - mitbedingt durch den plötzlichen Tod seiner Lebensgefährtin in einer psychisch labilen Situation - offenkundig zu schwach, den Anfängen zu wehren und ist damit in ein Abenteuer geschlittert, dessen Folgen er zunächst wohl nicht richtig eingeschätzt hat.

Als mildernd zu berücksichtigen sind weiters das volle Geständnis des Beschuldigten, wodurch die Aufklärung des Falles und die strafrechtliche Verfolgung von weiteren Personen wesentlich erleichtert oder gar erst ermöglicht wurde.

Zu berücksichtigen ist weiters der eigene Entschluß des Beschuldigten, aus dem Drogengeschäft auszusteigen und seine glaubhaft bekundete Absicht, damit nichts mehr zu tun haben zu wollen.

Wesentlich für den erkennenden Senat, von der Entlassung Abstand zu nehmen, war vor allem der vom Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung gewonnene gute persönliche Eindruck, die vom Beschuldigten glaubhaft bekundete Einsicht in seine verwerflichen Verfehlungen und die zum Ausdruck gekommene Reue sowie sein ernsthafter Wille, seinen Dienstpflichten in Zukunft treu und gewissenhaft nachkommen zu wollen.

In Rechnung zu stellen waren weiters seine bisherige Unbescholtenheit und anstandslose Dienstverrichtung während seiner schon 20-jährigen Tätigkeit bei der Post.

Daß der Beschuldigte mit seinen Verfehlungen und der dadurch verursachten breiten medialen Berichterstattung dem Ansehen der Post in der Öffentlichkeit einen beträchtlichen Schaden zugefügt hat, steht auch für den erkennenden Senat unzweifelhaft fest.

Die dem Beschuldigten nach der von der Disziplinarbehörde erster Instanz ausgesprochenen Entlassung entgegengebrachten Vertrauensbeweise im lokalen Bereich seines Zustellbezirkes (von einer Postkundin organisierte umfangreiche Unterschriftenliste sowie schriftliche Bestätigung des Bürgermeisters der Gemeinde S, daß der Beschuldigte auch weiterhin das volle Vertrauen der Gemeindeführung in seiner Tätigkeit als Gemeindekassier genießt) haben den Senat davon überzeugt, daß das Vertrauen der Allgemeinheit nicht in einem Ausmaß zerstört erscheint, daß eine Weiterbeschäftigung des Beschuldigten als Postbediensteten für den Dienstgeber unzumutbar wäre.

Es ist schließlich nicht ganz außer Betracht zu lassen, daß der Beschuldigte vom Gericht rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten, wovon 8 Monate bedingt nachgesehen wurden, und zu einer Geldstrafe von S 70.000,-- verurteilt wurde. Im Wege des Finanzstrafverfahrens und des Abgabenverfahrens wird ein weiterer namhafter Betrag (ca. S 100.000,--) zu leisten sein.

Aus den obigen Darlegungen folgt für den erkennenden Senat, daß die vorliegenden Milderungsgründe den einzigen erschwerenden Umstand, nämlich die wiederholte Begehung der Dienstpflichtverletzungen durch längere Zeit, sowohl nach ihrer Anzahl als auch nach ihrem Gewicht erkennbar überwiegen. Die Gesamtheit der Umstände führte beim Senat zur Überzeugung, daß das Verbleiben des Beschuldigten im öffentlichen Dienst gerade noch zu rechtfertigen ist. Der in der mündlichen Verhandlung vom Beschuldigten gewonnene persönliche Eindruck bestärkte den Senat in der Ansicht, daß auch eine Geldstrafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 in Höhe von S 60.000,-- geeignet ist, den Beschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Verhältnisse (Sorgepflicht für ein Kind) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten (Einkünfte aus den Nebenbeschäftigungen als Gemeindekassier und beim Verein "PSK N" in Höhe von ca. S 11.000,-- netto monatlich, ab Dienstantritt wieder einen Nettomonatsgehalt von ca. S 14.000,--) wurde die Abstattung der Geldstrafe in Teilbeträgen gewährt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid, und zwar ausdrücklich nur "wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes hinsichtlich der Strafbemessung (§ 93 BDG 1979)" richtet sich die vorliegende, vom Disziplinaranwalt gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG im Zusammenhalt mit § 103 Abs. 4 BDG 1979 erhobene Beschwerde, in welcher ausgeführt wird, der MB sei auf Grund des festgestellten Sachverhaltes für seinen Dienstgeber untragbar geworden und habe das Vertrauen der Öffentlichkeit in seine Person und in die Post so schwer erschüttert, daß im Sinne der Erwägungen der DK mit seiner Entlassung vorzugehen sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch der MB hat eine Gegenschrift erstattet, in der er

beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Berechtigung des Disziplinaranwaltes, gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG gegen Entscheidungen der Disziplinaroberkommission Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, ist in § 103 Abs. 4 BDG 1979 normiert. Im vorliegenden Beschwerdefall wird das Erkenntnis der belangten Behörde vom ausschließlich hinsichtlich der Strafbemessung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten.

In der Beschwerde wird ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen der Disziplinaranwalt die Auffassung vertritt, als Strafe für den MB hätte nur die Entlassung dem Gesetz entsprochen. Die belangte Behörde sei bei ihrer Strafbemessung einem Rechtsirrtum unterlegen, weil nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Disziplinarstrafe der Entlassung ausschließlich dem Zweck diene, das Dienstverhältnis mit einem Beamten aufzulösen, dessen Vertrauenswürdigkeit zerstört ist. Die Entlassung diene nicht der Sicherung der Gesellschaft oder der Resozialisierung des Täters, sondern bilde eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Beschwerdefall sei das Vertrauensverhältnis zerstört, denn wenn auch ein familiärer Unglücksfall und eine dadurch herbeigeführte psychisch labile Situation die Widerstandskraft des MB gegen den Rauschgifthandel geschwächt habe, sei doch zu bedenken, daß ein ähnlicher Anlaßfall jederzeit wieder eintreten könnte, und daß auch andere Menschen mit solchen Situationen fertig werden müßten. Jedenfalls habe der MB nach dem "Hineinschlittern in das Abenteuer" durch später einsetzendes, zielgerichtetes und über längere Zeit erfolgtes aktives und planmäßiges Handeln ein erhebliches Ausmaß an krimineller Energie gezeigt. An der von der belangten Behörde festgestellten tiefen Besorgnis und am Abscheu über den zunehmenden Rauschgiftkonsum und über das damit zusammenhängende organisierte Verbrechen könne auch eine im lokalen Bereich des MB durchgeführte Unterschriftenaktion zu seinen Gunsten nichts ändern. Die belangte Behörde habe rechtsirrig Vertrauensbeweise aus einem offensichtlich lokalen Bereich dem abstrakt zu sehenden Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der österreichischen Beamtenschaft gleichgesetzt. Auch eine Abwägung der Milderungs- und Erschwerungsgründe könne nichts daran ändern, daß der MB für seinen öffentlich-rechtlichen Dienstgeber untragbar geworden sei. Der von der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung gewonnene gute persönliche Eindruck stelle demgegenüber kein ausreichend tragfähiges Argument dar. Es könne der Post- und Telegraphenverwaltung nicht zugemutet werden, eine Person weiter zu beschäftigen, die das Vertrauen der Bevölkerung in die Post und in deren ordnungsgemäße Verrichtung ihrer Beförderungsaufgaben dermaßen erschüttert habe wie der MB. Dieser müsse deshalb im Wege der Entlassung aus dem Dienstverhältnis entfernt werden.

Diesen Ausführungen kommt aus den nachstehenden Gründen Berechtigung zu.

Disziplinarstrafen sind nach dem Katalog des § 92 Abs. 1 BDG 1979 1. der Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage,

3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Haushaltszulage, sowie 4. (als strengstes Strafmittel) die Entlassung.

Das Maß für die Höhe der Strafe ist gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen, weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt Rechtswidrigkeit nicht vor, soweit die Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und die Bestimmung dieses Verhaltens der Behörde überläßt, die Behörde aber von diesem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargetan, daß die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung im Sinne dieser Bestimmung des B-VG ist (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 10077/A, und vom , Slg. 11804/A).

Innerhalb solcher gesetzlicher Strafrahmen darf der Verwaltungsgerichtshof in die Ermessensübung der belangten Behörde nicht etwa dadurch eingreifen, daß er aus Anlaß einer dagegen erhobenen Beschwerde sein Ermessen an die Stelle jenes der Behörde setzen würde (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 840/A, vom , 53/58, und vom , Slg. 6139/A).

Anders verhält es sich jedoch bei der Entscheidung der Frage, ob von den mehreren im Katalog des § 92 Abs. 1 BDG 1979 aufgezählten Strafmitteln über den Beschuldigten deren schwerstes, nämlich die Entlassung, zu verhängen ist, weil hier eben kein gesetzlicher Strafrahmen, sondern verschiedene Strafmittel normiert sind. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , 91/09/0186, ausgeführt:

"Die Entlassung ist die schwerste Disziplinarstrafe gegen aktive Beamte. Sie bezweckt, daß sich die Dienstbehörde von einem Beamten, der sich infolge seines Fehlverhaltens untragbar gemacht hat (Untragbarkeitsgrundsatz), unter Auflösung des Beamtenverhältnisses trennen kann. Nur die im Fehlverhalten des Beamten offenbar gewordene Untragbarkeit, die es der Dienstbehörde unzumutbar macht, mit dem Beamten weiterhin das Beamtenverhältnis fortzusetzen, darf Grund für die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung sein. Damit bewirkt die Entlassung zugleich die Reinigung der Beamtenschaft von einem Organwalter, der sich nicht mehr als würdig erwiesen hat, ihr noch weiterhin anzugehören (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 10007/A, vom , Slg. 10008/A, vom , Slg. 10060/A, vom , Slg. 10174/A, u.v.a.)."

...

"Das Disziplinarrecht erfüllt eine Ordnungsfunktion. Es soll einer durch ein Dienstvergehen (Dienstpflichtverletzung) verursachten Störung des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses mit dem Ziel begegnen, die Sauberkeit und die Leistungsfähigkeit des österreichischen Beamtentums zu erhalten und sein Ansehen zu wahren (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 10007/A).

Wenn schon unter Bedachtnahme auf die Schwere der Pflichtverletzung und die daraus entstandenen Nachteile die "Untragbarkeit" des Beschwerdeführers für seinen Dienstgeber folgt, kann anderen Strafzumessungsgründen, wie dem Grad des Verschuldens oder dem bisherigen Verhalten, keine für die Frage der Strafbemessung ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 83/09/0079).

Ist durch das konkrete Verhalten des Beamten die Verletzung der Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 als so schwer zu werten, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Beamten nicht mehr gegeben ist, so rechtfertigt dies die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses durch die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 83/09/0093)."

...

"Angesichts der Art und Schwere der begangenen Straftat kommt eine andere Disziplinarmaßnahme als jene der Entlassung von vornherein nicht in Betracht, weshalb alle möglicherweise sonst gegebenen Milderungsgründe dahinstehen. Rechtfertigen nämlich die aus der Schwere des Dienstvergehens entstandenen Nachteile die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses durch Entlassung, ist also der Gesetzesbefehl, auf diese Nachteile Rücksicht zu nehmen, nur durch die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung befolgt, so können andere Gründe (Existenzvernichtung, Arbeitslosigkeit) nicht mehr entscheidend sein (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 10174/A, und vom , 88/09/0148)."

Diese Erwägungen haben für den nunmehrigen Beschwerdefall uneingeschränkt Geltung, was in der Beschwerde eingehend dargelegt wird. Hingegen vermögen die im angefochtenen Bescheid sowie in den Gegenschriften der belangten Behörde und des MB vorgetragenen Argumente nicht zu überzeugen. Auch die belangte Behörde stellt an die Spitze ihrer Überlegungen zur Strafbemessung die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und den Vertrauensverlust infolge des vom MB gesetzten diesbezüglichen kriminellen Verhaltens. Dennoch sei das Vertrauen in den MB nicht in einem für eine Entlassung ausreichenden Maße zerstört, und es sei ihm, vor allem auch wegen des guten persönlichen Eindrucks, den die belangte Behörde von ihm gewonnen habe, "die Chance für einen Neubeginn" zu geben. Weiters maß die belangte Behörde auch der psychischen Situation des MB durch den Tod seiner Lebensgefährtin, seiner bisherigen Unbescholtenheit sowie seinem Entschluß, aus dem Drogengeschäft auszusteigen, besondere Bedeutung bei. Ferner seien dem MB "Vertrauensbeweise im lokalen Bereich seines Zustellbezirkes" entgegengebracht worden. In ihrer Gegenschrift hat die belangte Behörde diese Begründungselemente weiter zu untermauern versucht. Dieser Argumentation hat sich der MB in seiner Gegenschrift angeschlossen; er hat insbesondere betont, daß in seinem Falle nach dem Ergebnis der Ermittlungen Gründe der Spezialprävention seine Entlassung nicht rechtfertigen würden. Das Vertrauensverhältnis und das Ansehen der Post seien zwar gestört, aber nicht zerstört worden. Die Bevölkerung habe für den MB votiert und ihn als Briefträger "wieder mit Freude aufgenommen". Auch das Strafgericht habe bewußt eine Strafe verhängt, mit welcher der Amtsverlust nicht ex lege verbunden gewesen sei (§ 27 StGB).

Alle diese für den MB ins Treffen geführten Überlegungen lassen letztlich außer acht, daß bereits die Schwere der vom MB unter Ausnützung seiner dienstlichen Möglichkeiten gesetzten Verfehlungen seine Untragbarkeit für den öffentlichen Dienst nach sich zieht. Mit Recht wurde dazu wiederholt auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität für Leben und Gesundheit von Menschen, vor allem von jungen Menschen, sowie auf den gerade im Zusammenhang damit unvermeidlichen Kontakt mit dem einschlägigen, organisierten internationalen Verbrechertum hingewiesen. Weder das "Hineinschlittern ins Abenteuer", wie es die belangte Behörde nennt, noch das Aufrechterhalten dieser Aktivitäten und dieser Kontakte durch einen langen Zeitraum kann damit entschuldigt werden, daß der MB einen Todesfall zu beklagen hatte, oder etwa damit, daß er als Spitzensportler schon wegen des angeblich allseits üblichen Dopings besonders gefährdet gewesen sei. Mit Recht weist die Beschwerde auch darauf hin, daß dem MB entgegengebrachte (und offenbar zentral organisierte) lokale Vertrauensbeweise durch Unterschriftslisten keineswegs als repräsentativ für die Einstellung der Allgemeinheit zur Drogenkriminalität und zu dem im vorliegenden Disziplinarverfahren zu bewertenden Verhalten des MB angesehen werden können. Auch ein guter persönlicher Eindruck des MB in der Berufungsverhandlung und die Prognose für sein künftiges Wohlverhalten vermögen nichts an der objektiven Tatsache zu ändern, daß sich der MB, und zwar durchaus mit dienstlichem Bezug, auf Drogengeschäfte eingelassen und deshalb für eine Aufrechterhaltung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses untragbar erwiesen hat (siehe auch dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/09/0186).

Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, der strafgerichtlichen Strafbemessung die Bedeutung beizumessen, daß eine Strafe unter der Grenze des § 27 StGB eine Entlassung des Beschuldigten als gesetzwidrig oder auch nur als unerwünscht erkennen lassen sollte, dann hätte er die einschlägigen Bestimmungen des StGB und des BDG 1979 anders gestaltet; insoweit kommt dem Strafurteil indes keineswegs Bindungswirkung zu, aber auch sonst kein maßgeblicher Einfluß auf die Bemessung der Disziplinarstrafe (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/09/0166, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Auf Grund dieser rechtlichen Überlegungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.