VwGH vom 10.11.1992, 90/05/0033

VwGH vom 10.11.1992, 90/05/0033

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der X-AG in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR-010301/1-1989 Stö/Pe, betreffend Benützungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin suchte am um Baubewilligung für die Errichtung eines Kundenservicegebäudes mit Reklameanlage und straßenseitiger Einfriedung auf den Grundstücken Nr. n1, n2, n3, KG Kleinmünchen, an. Ein mit dem Ansuchen vorgelegter Lageplan (eingelangt beim Baurechtsamt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz am ) sah eine Dachflächenbegrünung vor. Auch der am selben Tag vorgelegte Schnittplan (Parie A 5) wies eine solche Dachflächenbegrünung auf, nicht jedoch die darauf angebrachte, mit der Unterschrift des Planverfassers versehene Tektur vom . Im Protokoll der Bauverhandlung vom , die von SR Dr. U. geleitet wurde, heißt es unter der Überschrift "Gegenstand der Verhandlung" u.a.:

"... für das gegenständliche Gebiet gilt derzeit die am

vom Gemeinderat der Stadt Linz beschlossene

Bausperre Nr. 544 mit dem ihr zugrundeliegenden

Bebauungsplanentwurf S 121/5. Als Widmung wird für dieses

Gebiet die Widmung "Kerngebiet" festgelegt... Weiters sind

zusammenhängende Dachflächen über 500 m2 zu begrünen. Je angefangene 250 m2 Grundstücksfläche ist mit mindestens einem großkronigen Baum zu bepflanzen...."

Einem Aktenvermerk vom ist zu entnehmen, daß an diesem Tag korrigierte Pläne von der Behörde übernommen wurden.

Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz die Baubewilligung für die Errichtung des geplanten Gebäudes. Die Gestaltung der Dachbegrünung fand in den Auflagen Berücksichtigung: "54) zusammenhängende Dachflächen über 500 m2 sind zu begrünen."

Am suchte die Beschwerdeführerin um die Bewilligung zur Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben an. Das Gebäude sollte allseits um 19 cm größer, die Brandabschnitte verschoben und eine Brandmeldeanlage eingebaut werden. Am wurden dem Baurechtsamt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz Austauschpläne, datierend vom vorgelegt, die keine Dachbegrünung aufwiesen. Anläßlich der über das Ansuchen um Bewilligung zur Abweichung abgehaltenen Verhandlung am wurde festgestellt, daß der Bauwerber eine kleine Attika auf dem Flachdach aufgebracht und keine Dachbegrünung durchgeführt habe. Dem Protokoll ist unter der Überschrift "Plankorrekturen" zu entnehmen, daß im Schnittplan der Dachaufbau durch Eintragung einer Begrünung abgeändert werde. Tatsächlich weist dieser Schnittplan die handschriftliche Eintragung "begrünte Dachfläche Wachstumsschichte auf Vlies 8 cm Wärmedämmung Isolierung und Dampfausgleich 3 cm bis 11 cm Gefällebeton, 25 cm Stb-Platte" auf. Dieser Plan (Nr. 413/134) enthält auch den Stempelaufdruck des Baupolizeiamtes des Magistrates der Landeshauptstadt Linz, daß er der Bauverhandlung vom zugrundegelegen sei.

Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz erteilte mit Bescheid vom die Bewilligung zur Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben nach Maßgabe der geprüften, einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Baupläne. Auch der soeben genannte Plan Nr. 413/134 enthält den Stempelaufdruck, daß er als Bestandteil des Bescheides vom genehmigt sei. Im Bewilligungsbescheid vom heißt es ausdrücklich, daß die Auflagen des Bescheides vom mit Ausnahme des Punktes 54 vollinhaltlich aufrecht bleiben.

Aufgrund des Ansuchens um Benützungsbewilligung fand am eine Verhandlung statt. Die bei dieser Verhandlung anwesende Vertreterin des Planungsamtes/Abteilung Raumplanung stellte fest, daß die Auflagenerfüllung der Begrünung der Dachfläche nicht gegeben und noch durchzuführen sei. Die Aufbringung von Zwischenattiken könne nicht als Unterteilung einer zusammenhängenden Dachfläche angesehen werden. Dem erwiderte der Vertreter der Beschwerdeführerin, daß bei der Bauverhandlung vom vom Verhandlungsleiter SR. Dr. U. erklärt worden sei, bei Ausführung einer Attika sei eine zusammenhängende Dachfläche von 500 m2 nicht mehr gegeben (Zwischenattika) und somit eine Dachbegrünung nicht mehr erforderlich. Aufgrund dessen seien die betreffenden Einreichpläne im Einvernehmen mit dem Verhandlungsleiter mittels Tekturen am dahingehend korrigiert worden, daß die Dachbegrünung aus den Plänen herausgenommen wurde. Erst im Zuge der Planänderungsverhandlung vom sei die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen worden, daß die fehlende Dachbegrünung rechtswidrig sein soll. Deswegen habe man damals die Pläne korrigiert, worauf mit Bescheid vom die beantragte Planabweichungsbewilligung erteilt worden sei.

Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Baurechtsamt, die Benützungsbewilligung. Als Auflage wurde u.a. vorgeschrieben, daß die in den als Bestandteil des Bescheides vom genehmigten Projektsunterlagen ausgewiesene Dachbegrünung auszuführen sei.

Gegen diese im Benützungsbewilligungsbescheid enthaltene Auflage richtete sich die Berufung der Beschwerdeführerin, welcher der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom keine Folge gab. In der Begründung wurde insbesondere darauf abgestellt, daß die der Bauverhandlung vom zugrunde gelegten Pläne eine Begrünung aufgewiesen hätten; auf der aufgeklebten Planklappe, die lediglich die Unterschrift des Planverfassers enthielt, hätten sich keine behördlichen Vermerke befunden, die darauf hindeuteten, daß diese Planklappe Teil des genehmigten Bauplanes gewesen sei. Auch Gegenstand der Bewilligung vom sei ein Plan gewesen, der eine Begrünung aufgewiesen hätte.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Unabhängig davon, ob die am in den Einreichplan eingefügte Planklappe ohne Dachflächenbegrünung vom Konsens des Baubewilligungsbescheides vom umfaßt worden wäre, stehe jedenfalls fest, daß der Baukonsens des Planabweichungsbewilligungsbescheides vom aufgrund der dem Bescheid zugrundeliegenden Änderungspläne die Dachflächenbegrünung wiederum enthalten habe.

Über die dagegen erhobene Beschwerde, die von der belangten Behörde unter Vorlage der Bauakten erstattete Gegenschrift und die Gegenschrift der Mitbeteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Allein entscheidend ist die Frage, welches Bauvorhaben mit Bescheid vom bewilligt wurde. Welche baulichen Herstellungen der Bauwerber durchzuführen beabsichtigt, ist den Bauplänen und der Baubeschreibung zu entnehmen. Aufgabe der Baubehörde ist es, zu prüfen, ob der auf diese Weise dargestellte Bauwille mit der Bauordnung und den sonstigen baurechtlichen Vorschriften in Übereinstimmung steht. Der Inhalt der Baubewilligung ist den eingereichten und allenfalls im Zuge des Bauverfahrens geänderten, dem Baubewilligungsbescheid zugrunde gelegten Plänen und der Baubeschreibung zu entnehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1287/61, ergangen zur Tiroler Bauordnung). Die von der Behörde mit dem "Genehmigungsvermerk" versehenen Pläne und Baubeschreibungen bilden einen wesentlichen Bestandteil der Baubewilligung (Krzizek, System des österreichischen Baurechts II, 85).

Dementsprechend bildet der mit einem Bewilligungsvermerk versehene Austauschplan (Parie Plan 5), der eine im gegebenen Zusammenhang bedeutsame Schnittdarstellung enthält, einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides vom , mit dem Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben genehmigt wurden. Dieser Plan sieht eine Dachbegrünung vor (ausgenommen hiervon ist nur der Bereich des Flachdaches über dem "Technikgeschoß"). Die Dachbegrünung ist somit Bestandteil des letztendlich bewilligten Projekts geworden. Aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin das Projekt geändert hat, ist aus folgenden Erwägungen rechtlich bedeutungslos:

Das von der Beschwerdeführerin herangezogene hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/01/0210, ZfVB 1985/1658, kann für eine Rechtswidrigkeit des in Beschwerde gezogenen Bescheides schon deshalb nicht ins Treffen geführt werden, weil es sich auf einen Fall bezieht, in dem eine PARTEIENERKLÄRUNG (Berufung) auszulegen war. Dagegen ist im Beschwerdefall ein Bestandteil eines Bescheides, nämlich der Bauplan, auszulegen. Für Bescheide sind die für Gesetze zu beachtenden Auslegungsregeln analog heranzuziehen. Auch Bescheide haben, wie Gesetze, normativen Charakter, wenn auch (zum Unterschied von Gesetzen) nur in bestimmten einzelnen Angelegenheiten der Verwaltung gegenüber individuell bestimmten Personen, während das Vorliegen eines Vertrages den übereinstimmenden Willen mindestens zweier Personen auf die Weise, daß eine von ihnen ein Versprechen abgibt und die andere von ihr dieses annimmt, voraussetzt (§ 861 ABGB). Erläßt eine Behörde im Rahmen der Hoheitsverwaltung einen Bescheid, so stellt dies dagegen eine behördliche Erledigung dar, durch die in einer förmlichen und der Rechtskraft fähigen Weise über Rechtsverhältnisse in materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art abgesprochen wird, sei es, daß bestehende Rechtsverhältnisse festgestellt oder neue Rechtsverhältnisse gestaltet werden. Die durch einen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Willensäußerung einer Behörde verkörpert einen individuelllen Rechtssatz. Der Bescheid bildet eine neue Rechtsgrundlage für Rechte und Pflichten und hat Normqualität. Damit stehen Bescheide Gesetzen (im materiellen Sinne) viel näher als privatrechtlichen Verträgen, sodaß es angebracht scheint, die Auslegung von Bescheiden nach den Grundsätzen der §§ 6 und 7 ABGB vorzunehmen (siehe das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 10.163/A, m.w.N.).

Davon abgesehen hat auch bei der Vertragsauslegung wie bei der Gesetzesauslegung die wörtliche Auslegung am Anfang des Interpretationsvorganges zu stehen (Rummel in Rummel, Kommentar zum ABGB I2 Rz. 4 zu § 914 ABGB). Die im Beschwerdefall vorliegende Schnittdarstellung (Austauschplan, Parie Plan 5 vom ) bringt - objektiv gesehen - durch eine verbale und zeichnerische Darstellung zum Ausdruck, daß eine Dachbegrünung vom gegenständlichen Projekt erfaßt ist. Das von der Behörde genehmigte Projekt umfaßte daher ohne jeden Zweifel die Dachbegrünung.

Irgendwelche Hinweise, die Beschwerdeführerin sei berechtigt gewesen, in Abweichung von dem am bewilligten Bauvorhaben eine anderweitige "Ersatzbegrünung" vorzunehmen, können dem Bescheid nicht entnommen werden. Auszugehen ist davon, daß der Baubewilligungsbescheid gemäß § 49 Abs. 1 O.Ö. Bauordnung schriftlich zu erlassen ist und daß Bescheiden nach diesem Gesetz gemäß § 64 Abs. 1 O.Ö. Bauordnung grundsätzlich dingliche Wirkung zukommt. Auch diese Umstände schließen die Berücksichtigung allfälliger mündlicher Zusagen, die von der Behörde gar nicht festgestellt wurden, jedenfalls aus.

Der Beschwerdeführerin muß der Bescheidwortlaut entgegengehalten werden, wonach die Baubewilligung nach den "geprüften Plänen" erteilt werde und der gegenständliche Schnittplan den Bewilligungsvermerk enthält. Ihrer Auffassung, die Dachbegrünung sei vom Konsens nicht erfaßt, hätte sie in einer Berufung gegen diesen Bewilligungsbescheid zum Ausdruck bringen müssen. Soweit sie sich in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz von Treu und Glauben beruft, muß ihr entgegengehalten werden, daß das im Art. 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsgebot stärker als jeder andere Grundsatz wirkt. Da die Durchsetzung der Rechtsordnung Vorrang hat, kommt dem Grundsatz von Treu und Glauben nur dann Bedeutung zu, wenn die betroffene Vorgangsweise der Behörde nicht gegen zwingendes Recht verstößt (hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 6.166/F). Mit einer Auskunft, die Partei solle etwas in die Pläne einzeichnen, was sie nicht ausführen müsse, hätte die Behörde gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen, sodaß ein Vertrauen auf diese rechtswidrige Auskunft keineswegs schutzwürdig gewesen wäre.

Zweck der Benützungsbewilligung ist es, die Plan- und Gesetzmäßigkeit der Bauführung festzustellen. Der Bewohnungskonsens ist nach der Tendenz des Gesetzes nur eine Beurkundung, daß die Voraussetzungen für die Bewohnung bzw. Benützung der Lokalitäten gegeben sind (hg. Erkenntnis vom , Zl. 1515/58, m.w.N.). Aus der Benützungsbewilligung kann kein anderes Recht als das auf Benützung abgeleitet werden (hg. Erkenntnis vom , Zl. 1311/70). Auch nach der Bauordnung kann eine erteilte Benützungsbewilligung bestehende Planabweichungen nicht sanieren; ein ansonsten zulässiger baubehördlicher Auftrag zur Beseitigung der Planabweichungen kann auch bei Vorliegen einer Benützungsbewilligung erteilt werden (hg. Erkenntnis vom , Zl. 05/3569/80, 05/3570/80, m. w.N.).

Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß die Erteilung der Benützungsbewilligung nur unter der Auflage erfolgen konnte, daß die in den als Bestandteil des Bescheides vom genehmigten Projektsunterlagen ausgewiesene Dachflächenbegrünung auszuführen sei.

Im Verfahren über die Benützungsbewilligung war die Frage nicht zu prüfen, ob die konsentierte Dachbegrünung überhaupt gesetzlich erforderlich sei; allerdings wird darauf hingewiesen, daß die Auffassung, das Anbringen einer 90 cm hohen Zwischenmauer (Attika) würde aus einer zusammenhängenden Dachfläche mehrere nicht zusammenhängende Dachflächen machen, in der Rechtslage keine Begründung findet.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Gegenstand des Parteiengehörs ist demnach nur der von der Behörde ermittelte und als erwiesen angenommene Sachverhalt, nicht aber dessen rechtliche Beurteilung bzw. die von der Behörde im Hinblick auf den als maßgeblich festgestellten Sachverhalt ins Auge gefaßte Vorgangsweise in rechtlicher Hinsicht (hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0391). Die beabsichtigte Lösung der Frage, ob das Bauvorhaben mit Dachflächenbegrünung von dem dem Baubewilligungsbescheid vom zugrundeliegenden Baukonsens umfaßt gewesen sei, stellte ein Element der rechtlichen Beurteilung dar und unterlag daher nicht dem Parteiengehör. Die Beschwerdeführerin ließ im übrigen auch offen, inwieweit sie ein weiteres Parteiengehör genutzt hätte.

Da die Beschwerde somit weder eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides noch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dartun konnte, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.