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VwGH vom 20.12.1996, 96/02/0296

VwGH vom 20.12.1996, 96/02/0296

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-03/P/34/00911/95, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten, vom wurde der Beschwerdeführer wegen zweier Übertretungen der StVO für schuldig befunden und über ihn entsprechende Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. In der Rechtsmittelbelehrung wurde unter anderem ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dem Beschwerdeführer innerhalb von zwei Wochen das Recht, Berufung "mittels Fax" einzubringen, zusteht.

Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer Gebrauch und brachte durch seine Rechtsvertreter die mit datierte Berufung mittels Fax bei der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten, ein. Wie aus dem den vorgelegten Verwaltungsakten zuliegenden Fax zu ersehen ist, wurde in der Kopfzeile dieses Faxes unter anderem der Übertragungszeitpunkt wie folgt festgehalten: "08/02/96 17:22" (auf der dritten und letzten Seite des Faxes ist "17:23" als Uhrzeit festgehalten). Dieses Fax erhielt von der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten, einen Eingangsstempel mit folgendem Datum:

"09.FEB.1995".

Aufgrund dieser Berufung wurde vor der belangten Behörde am eine mündliche Verhandlung durchgeführt, wobei die Entscheidung durch die belangte Behörde vorbehalten wurde. Auch wurde ein "Verzicht auf mündliche Verkündung" zu Protokoll genommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung hinsichtlich der Schuldfrage keine und hinsichtlich der Strafhöhe insoweit Folge, als sie die verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen herabsetzte. Dieser Bescheid wurde durch die belangte Behörde - wie aus den vorgelegten Verwaltungsakten hervorgeht - dem Beschwerdevertreter am mittels Telefax und der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz am zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 51 Abs. 7 erster Satz VStG gilt der angefochtene Bescheid als aufgehoben und ist das Verfahren einzustellen, wenn eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb von 15 Monaten ab Einlangen der Berufung erlassen wird.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die Berufung bei der belangten Behörde bereits am mittels Telefax eingelangt sei, weshalb der angefochtene Bescheid erst nach Ablauf der 15-monatigen Frist, nämlich am , erlassen worden sei. Der angefochtene Bescheid sei daher inhaltlich rechtswidrig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Bestimmungen des § 51 Abs. 7 (früher Abs. 5) VStG eingehalten wurden (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 1067 unter E 113a zu § 51 Abs. 7 VStG wiedergegebene hg. Judikatur). Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers stellt daher - entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift geäußerten Rechtsmeinung - keine unzulässige Neuerung im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG dar.

Wie die belangte Behörde zutreffend unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/07/0176, ausführt, ist das Datum der Eingangsstampiglie kein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß ein Schriftstück an diesem Tag bei der Behörde eingelangt ist. Auch ein mittels Telekopie (Fax) eingebrachtes Rechtsmittel ist als schriftliches Anbringen im Sinne des § 13 Abs. 1 AVG anzusehen (vgl. zutreffend Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Aufl., Rz. 155). Aufgrund des der Rechtslage entsprechenden Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses konnte der Beschwerdeführer von der Zulässigkeit der Übermittlung seiner Berufung im Wege der Telekopie ausgehen.

Insofern die belangte Behörde im Zuge der Gegenschrift behauptet, daß die Festlegung der Übertragungsdaten (sei es auf dem Original des beim Empfänger einlangenden Schriftstückes, sei es auf dem beim Sender verbleibenden Übertragungsprotokoll) vom sendenden Telekopiegerät "gesteuert" werde und daher "im "Belieben" des (Ab)Senders" gelegen sei - wie dies für jene Aufgabedaten von Briefsendungen zutreffe, die mittels "Freistempelmaschine" aufgebracht werden -, vermag sie damit nicht schlüssig zu widerlegen, daß die Übermittlung der Berufung im Wege der Telekopie (Fax) im Beschwerdefall nicht doch bereits - wie der Beschwerdeführer ausführt - am stattgefunden hat. Es ist nicht einsichtig, aus welchem Grund seitens der Beschwerdevertreter auf dem Fax ein falsches Datum protokolliert werden sollte, wenn die Einbringung der Berufung sowohl am 8. als auch am rechtzeitig war und von den Beschwerdevertretern nicht vorhergesehen werden konnte, daß infolge der langen Verfahrensdauer vor der belangten Behörde dem Datum des Einlangens der Berufung im Hinblick auf § 51 Abs. 7 erster Satz VStG noch eine besondere Bedeutung zukommen könnte. Insbesondere bleibt die belangte Behörde einen Nachweis dafür schuldig, daß durch allfällige "Manipulationen" die Übermittlung der Berufung erst am "" stattgefunden hätte. Zwar ist die Behörde zur Entgegennahme schriftlicher Eingaben gemäß § 13 Abs. 5 AVG grundsätzlich nur während der Amtsstunden verpflichtet, jedoch hat die Behörde im Beschwerdefall offenbar das Telefax-Gerät empfangsbereit gehalten, sodaß den Beschwerdevertretern - wie diese auch im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens behaupteten und wie auch jeweils aus der ersten Zeile der im vorgelegten Verwaltungsakt zuliegenden Telekopie der Berufung hervorgeht - offenbar die Übermittlung der Berufung im Beschwerdefall am in der Zeit von 17.22 bis 17.23 Uhr möglich war. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Zusammenhang mit Fernschreibgeräten in seinem Erkenntnis vom , VwSlg. Nr. 13.733/A, ausführte, ist die Behörde dadurch, daß sie ihr Fernschreibgerät auch außerhalb der Amtsstunden in Betriebsbereitschaft gehalten hat, in der Lage, fernschriftliche Anbringen entgegenzunehmen. Dieser Grundsatz hat auch - aufgrund der Vergleichbarkeit des Übermittlungsvorgangs - für schriftliche Anbringen (etwa Berufungen) zu gelten, die mittels Telekopie an ein betriebsbereit gehaltenes Telefax-Gerät der Behörde außerhalb der Amtsstunden übermittelt wurden. Ferner vermag die belangte Behörde mit dem Hinweis auf die Kanzleiordnung der Bundespolizeidirektion Wien nicht zu widerlegen, daß bei der Protokollierung mit "9.FEB.1995" durch die Kanzlei der Behörde erster Instanz Fehler unterlaufen sein könnten. Wenn sich daher die belangte Behörde - trotz des lesbaren und erkennbaren Widerspruchs zwischen dem auf der Telekopie festgehaltenen Datum der Übermittlung der Berufung () und dem von der Behörde erster Instanz aufgestempelten Einlaufdatum () - ohne nähere Ermittlungssschritte und Begründung im angefochtenen Bescheid, wo lediglich von einer "fristgerechten" Einbringung der Berufung die Rede ist, darauf verlassen hat, daß das im Eingangsstempel festgehaltene Datum richtig sei, vermag sie damit nicht überzeugend das durchaus glaubhafte Vorbringen des Beschwerdeführers zu widerlegen, daß die Berufung von der Kanzlei des Beschwerdevertreters am Tag ihrer Abfassung, nämlich am , an die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz im Wege der Telekopie übermittelt wurde und somit bereits am bei der Behörde im Sinne des § 51 Abs. 7 erster Satz VStG eingelangt ist.

Gemäß § 32 Abs. 2 erster Satz AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Bezeichnung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Bezogen auf den Beschwerdefall hat daher die 15-monatige Frist nach § 51 Abs. 7 erster Satz VStG am geendet. Es ist auch im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht hervorgekommen, daß der angefochtene Bescheid vor Ablauf dieser Frist erlassen worden wäre.

Galt das Straferkenntnis jedoch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gemäß § 51 Abs. 7 erster Satz VStG bereits als aufgehoben, war eine meritorische Entscheidung über die Berufung durch den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid unzulässig (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, S. 1068, unter E 117 zu § 51 Abs. 7 VStG wiedergegebene hg. Judikatur zur vergleichbaren Rechtslage nach § 51 Abs. 5 VStG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 299/1984).

Der dennoch erlassene angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.