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VwGH vom 28.01.1993, 90/04/0294

VwGH vom 28.01.1993, 90/04/0294

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde 1) der A-GmbH und 2) der A-GmbH & Co. OHG, beide in W und beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom , Zl. 307.429/1-III-3/98, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Parteien: 1) I P und

2) A P, beide in S),

Spruch

1) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie von der Erstbeschwerdeführerin erhoben wurde, zurückgewiesen. Die Erstbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2) zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgrund der Beschwerde, soweit sie von der Zweitbeschwerdeführerin erhoben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.140,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom wurde der "A-Ges.m.b.H. & Co. OHG" die Änderung der Betriebsanlage einer Tankstelle an einem näher bezeichneten Standort in S unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen, gewerbebehördlich genehmigt.

Gegen diesen Bescheid wurde folgende Berufung erhoben:

"A und I P

F-Straße 30

S

Betr.: Bescheid vom Zahl 5/02-14.767/20-1988

BERUFUNG

Als Vertreter der Anrainer an der H-Str., GSt. 1089/1, 1089/4 und 1087/50 KG S - sowie aller Personen, die sich mit ihrer Unterschrift gegen den Neubau einer Tankstelle im erweiterten Wohngebiet ausgesprochen haben - erheben wir gegen oben genannten Bescheid Berufung.

Wir können uns keinesfalls der Behördenmeinung anschließen, daß eine weitere Geruchs- und Lärmbelästigung uns zugemutet werden kann Wir sind nach wie vor der Ansicht, daß die Belastung der Anrainer unterschätzt wird. Im Winter 1987/88 wurde öfters der GRENZWERT für Stickstoffdioxid überschritten. Wie viele Tonnen Benzin-Kohlenwasserstoffe beim Betanken von Kraftfahrzeugen in die Atmosphäre entweichen, wurde noch gar nicht festgestellt.

Daß wir im Stadtgebiet keine neue Tankstelle brauchen, ist nicht nur die Ansicht der Anrainer: Bereits am stellte der Magistrat Sbg fest, "daß die geplante Errichtung einer Tankstelle auf dem gegenständl. Grundstück sowohl aus der Sicht der Raumordnung wie auch aus städtebaulicher und architektonischer Sicht NEGATIV beurteilt wird." (Zahl IX/2-9134/86)

Der Planungsausschuß und der Stadtsenat sind ebenfalls dieser Ansicht und haben das Vorhaben EINSTIMMIG abgelehnt

Wir sind sicher, daß jeder vernünftig in die Zukunft blickende Mensch, der Salzburg lebenswert erhalten will, eine solche Verschandelung seiner Umwelt ablehnen wird.

Deshalb beantragen wird die Aufhebung dieses Bescheides. (5/02-14.767/20-1988)."

Über diese Berufung entschied der Bundesminister für

wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom wie folgt:

"A-Gesellschaft mbH,

Tankstelle, H-Straße, S,

Betriebsanlage - Verfahren gem. § 77 GewO 1973

Über die Berufung der I und des A P gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom , Zl. 5/02-14.767/20-1988, erläßt der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 den nachstehenden Bescheid:

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Grunde des § 77 Abs. 1

2. Satz GewO 1973 behoben.

Das Ansuchen der A-Gesellschaft mbH & Co OHG vom um gewerbebehördliche Genehmigung einer Betriebsanlage (Tankstelle) auf den GSt.Nr. 1089/1, 1089/4 und 1087/50 der KG. S, wird im gleichen Grunde abgewiesen."

Zur Begründung wurde - nach Darstellung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes sowie der bezughabenden Gesetzesbestimmungen - im wesentlichen ausgeführt, im vorliegenden Fall stehe fest, daß die beantragte Betriebsanlage schon nach dem Wortlaut des Ansuchens "anstelle der abgetragenen (am selben Standort sich befunden habenden) T Tankstelle" errichtet und betrieben werden sollte, weshalb mit dem gegenständlichen Ansuchen nicht die Genehmigung einer Änderung der bestehenden Betriebsanlage, sondern die erstmalige Genehmigung einer solchen - nach Auflassung einer am selben Standort früher bestanden habenden Betriebsanlage, wenn auch der gleichen Art - begehrt werde. Gemäß § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 dürfe eine Betriebsanlage nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten sei. Das Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 sei eine solche Rechtsvorschrift. Nach § 19 Abs. 1 dieses Gesetzes dürften Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nur innerhalb des im betreffenden Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes erteilt werden. Daß die gegenständliche Betriebsanlage einer Baubewilligung bedürfe, stehe außer Zweifel. Da die betreffende Grundfläche, auf der die beantragte Betriebsanlage errichtet und betrieben werden solle, nicht als Bauland, sondern als Verkehrsfläche gewidmet sei, stehe deren baubehördlicher Genehmigung der zitierte § 19 Abs. 1 Sbg.-ROG entgegen. Auf Grund der Tatsache, daß es sich, wie oben ausgeführt, bei der gegenständlichen Betriebsanlage nicht um eine bestehende Anlage, sondern um eine neu zu errichtende handle, sei auch die Übergangsbestimmung des § 24 Abs. 1 leg. cit. nicht anwendbar. Da überdies bezüglich der verfahrensgegenständlichen Grundfläche einem Antrag gemäß § 19 Abs. 3 leg. cit. bislang noch nicht rechtskräftig stattgegeben worden sei, sei § 19 Abs. 1 leg. cit. auf den vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der mit diesem Bescheid getroffenen Entscheidung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten uneingeschränkt anwendbar, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der A-Gesellschaft m.b.H. und der Avanti Mineralöl Handelsgesellschaft m.b.H. & Co. OHG.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie und die erstmitbeteiligte Partei erstatteten je eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Die vorliegende Beschwerde ist, soweit sie von der Erstbeschwerdeführerin erhoben wurde, unzulässig.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges. Dabei muß - um die Beschwerdelegitimation bejahen zu können - die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung in einem subjektiv-öffentlichen Recht zumindest möglich sein (vgl. dazu u. a. den hg. Beschluß vom , Zl. 90/04/0138). Eine derartige Möglichkeit besteht aber nicht, wenn der angefochtene Bescheid weder an den Beschwerdeführer gerichtet war noch auch diesem gegenüber kraft Gesetzes wirkt (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom , Zl. 92/18/0276).

Im vorliegenden Fall wird die Erstbeschwerdeführerin zwar im Betreff des angefochtenen Bescheides genannt, weder der Spruch noch die Begründung beziehen sich jedoch auf diese, welcher der angefochtene Bescheid nach Lage der Akten auch nicht zugestellt wurde. Der der Erstbeschwerdeführerin gegenüber nie erlassene angefochtene Bescheid berührt daher die Rechtssphäre der Erstbeschwerdeführerin nicht und kann kein subjektiv-öffentliches Recht der Erstbeschwerdeführerin verletzen. Die Beschwerde war daher, soweit sie von der Erstbeschwerdeführerin erhoben wurde, mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

In bezug auf die Beschwerde, soweit sie von der Zweitbeschwerdeführerin erhoben wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof werden als Beschwerdepunkte geltend gemacht:

"Durch den angefochtenen Bescheid sind wir in unserem Recht

1. auf Betriebsanlagengenehmigung nach §§ 74 ff GewO durch unrichtige Anwendung des § 77 Abs. 1 (2. Satz) leg. cit. in Verbindung mit §§ 19 Abs. 1 und 24 Abs. 1 Salzburger Raumordnungsgesetz (ROG) - diese Rechtsverletzung gilt insbesondere in Bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin,

2. darauf, daß eine erstinstanzlich erteilte Betriebsanlagengenehmigung nicht ohne die Voraussetzungen der §§ 63 ff AVG und somit unzuständigerweise durch die belangte Behörde behoben wird - dies zu Lasten der Erstbeschwerdeführerin, obgleich diese überhaupt nicht Verfahrenspartei ist und somit auch im Widerspruch zu § 8 AVG - und daß gleichzeitig ein von uns, Zweitbeschwerdeführerin eingebrachtes Ansuchen um Betriebsanlagengenehmigung abgewiesen wird und zwar ohne daß dieser Bescheid an uns gerichtet wird, durch unrichtige Anwendung der vorzitierten Bestimmungen und

3. (in eventu) darauf, daß nicht entgegen der Bestimmung des § 38 AVG das Verfahren bis zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Betriebsanlagengenehmigung in Ansehung der Bestimmungen des ROG ausgesetzt oder über diese Zulässigkeit (positiv) im Sinne einer Vorfragenentscheidung nach dieser Norm befunden wird, durch unrichtige Anwendung der vorzitierten Norm sowie weiters in allen Fällen durch unrichtige Anwendung der Verfahrensvorschriften über das Ermittlungsverfahren, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 37, 39, 60 AVG) verletzt."

In Ausführung der so bezeichneten Beschwerdepunkte wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vorgebracht, die Zuständigkeit der belangten Behörde zur meritorischen Entscheidung - zumindestens jene nach § 66 Abs. 4 AVG, welche sie allein in Anspruch nehme - setze eine wirksame Berufung voraus. An einer solchen fehle es jedoch in concreto. Zunächst sei es jedenfalls und offensichtlich völlig unrichtig, daß eine Berufung "der I und des A P" vorliege, was die belangte Behörde ihrer Entscheidung ausdrücklich zugrundelege. A und I P hätten eine Berufung ausdrücklich nur ALS VERTRETER anderer Personen zu erheben erklärt. Es liege daher eine weitere Rechtswidrigkeit darin, daß die belangte Behörde über ein Begehren von Personen als Berufungswerber entscheide, welche sich selbst überhaupt nicht als solche (als Berufungswerber) erklärt hätten. Die belangte Behörde sei nicht zuständig gewesen, über eine Berufung "der I und des A P" zu entscheiden, weil es eine solche Berufung überhaupt nicht gebe. Das bezughabende Schreiben vom stelle aber auch abgesehen davon und trotz seiner Bezeichnung eine (wirksame) Berufung überhaupt nicht dar. Dies deshalb, weil die Berufungswerber, nämlich die durch A und I P Vertretenen nicht ausreichend bezeichnet würden. Schon die Formulierung "der Anrainer" sei zu unbestimmt, erst recht aber die überhaupt nicht klar abgrenzbare Bezeichnung "aller Personen, die sich mit ihrer Unterschrift gegen den Neubau einer Tankstelle im erweiterten Wohngebiet ausgesprochen haben", womit irgendwelche Unterschriftenaktionen gemeint sein könnten. Dieser Mangel sei nicht sanierbar. Die Frage, wer Berufung erhebe, stelle keine Formfrage dar, sondern sei ein derart wesentliches Erfordernis, daß bei seinem Fehlen von vornherein und überhaupt von einer Berufung nicht gesprochen werden könne. Selbst wenn aber die Sanierung möglich und zulässig gewesen wäre, hätte sie als Voraussetzung für eine zulässige (inhaltliche) Berufungsentscheidung vorgenommen werden müssen. Auch diesen Weg habe die belangte Behörde jedoch nicht beschritten. Es sei ihr offensichtlich durchaus aufgefallen, daß eine gehörige Bezeichnung der Berufungswerber nicht erfolgt sei, anstatt jedoch eine Konsequenz im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu ziehen, habe sie etwas unterstellt, was mit der Aktenlage noch weniger in Einklang gebracht werden könne, nämlich daß I und A P selbst die Berufungswerber seien, obgleich diese sich ausdrücklich nur als Vertreter bezeichnet hätten. Die belangte Behörde sei somit mangels wirksamer Berufung nicht zuständig gewesen, als Berufungsbehörde (meritorisch) zu entscheiden.

Weiters wird vorgebracht, die belangte Behörde habe ohne Parteiengehör gewahrt zu haben, anders als die erste Instanz angenommen, die frühere Tankstellenanlage sei bereits gänzlich abgebrochen worden. Schon die erstinstanzliche Behörde habe sich jedoch davon überzeugen können, daß diese Annahme nicht zutreffe. Nicht einmal in der "Berufung" sei behauptet worden, die erstinstanzliche Annahme eines bloß teilweisen Abbruchs der Tankstelle sei unrichtig. Insofern sei das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde mangelhaft gewesen.

Darüber hinaus wird eine unrichtige Anwendung des Raumordnungsgesetzes sowie die Nichtanwendung des § 38 AVG gerügt.

Die Beschwerde ist begründet:

Die Prüfung, ob eine Berufung von einem hiezu Berechtigten erhoben wurde, hat sich am äußeren Tatbestand zu orientieren (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 82/10/0012, 0013, und die dort zitierte weitere hg.

Rechtsprechung). Nach diesem haben I und A P gegen den

erstinstanzlichen Bescheid Berufung ausdrücklich "ALS

VERTRETER der Anrainer ... sowie aller Personen, die sich mit

ihrer Unterschrift gegen den Neubau ... ausgesprochen haben,"

erhoben. Berufungswerber waren daher nicht A und I P, sondern die von diesen als vertreten Bezeichneten.

Dadurch, daß die belangte Behörde jedoch nicht über die Berufung der als Rechtsmittelwerber Bezeichneten, sondern AUSDRÜCKLICH über die Berufung "DES A UND DER I P", denen nach dem äußeren Tatbestand der Prozeßhandlung nicht die Stellung der Rechtsmittelwerber sondern (nur) der Parteienvertreter zukam, entschied, verkannte sie die Rechtslage. Die belangte Behörde belastete damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen bedurfte.

Bei diesem Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Prüfung, kann es für den vorliegenden Rechtsstreit dahingestellt bleiben, ob I und A P im Verwaltungsverfahren Träger von subjektiven Rechten wurden, wie sie in der Gewerbeordnung 1973 als subjektive Rechte für jene Nachbarn vorgesehen sind, die durch das rechtzeitige Erheben von Einwendungen Parteistellung erlangt haben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.