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VwGH vom 23.04.2003, 2002/04/0112

VwGH vom 23.04.2003, 2002/04/0112

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der F in S (GB), vertreten durch Dr. Roland Gabl & Dr. Josef Kogler & Mag. Harald Papesch Partnerschaft (OEG), Rechtsanwälte in 4020 Linz, Karl-Wiser-Straße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-420326/15/Gf/La, betreffend Maßnahme nach § 360 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die beschwerdeführende Partei habe vorgebracht, dass am im Rahmen einer Fachmesse von Organen des Bürgermeisters der Stadt Linz ihr Messestand für geschlossen erklärt, die Stromzufuhr abgeschaltet und ein Computer und ein Laptop versiegelt worden sei; dadurch sei ihr die weitere Ausübung des Gewerbes faktisch verunmöglicht worden.

Im Erwägungsteil der Begründung dieses Bescheides heißt es sodann im Wesentlichen, es sei strittig, ob es für die einschreitenden Organe offenkundig gewesen sie, dass eine unbefugte Gewerbeausübung durch die beschwerdeführende Partei vorgelegen sei. Es stehe fest, dass gegenüber der beschwerdeführenden Partei bereits mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom eine Betriebsschließung gemäß § 360 Abs. 3 angeordnet worden sei, weil diese das Bauträgergewerbe ohne die hiefür erforderliche Berechtigung ausgeübt habe; der dagegen erhobenen Berufung sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom keine Folge gegeben worden. Im Übrigen sei über diese Maßnahme auch fristgerecht ein Bescheid - nämlich jener vom - erlassen worden. Hinsichtlich dieses Bescheides habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom ausgesprochen, dass dieser mangels eines Hinweises auf ein weiterhin aufrechtes Vollmachtsverhältnis nicht (mehr) jenen Rechtsvertretern, die die beschwerdeführende Partei noch in dem mit Bescheid vom abgeschlossenen Verfahren vertreten hätten, zugestellt hätte werden dürfen. Es sei daher davon auszugehen, dass im gegenständlichen Fall entgegen der Anordnung des § 360 Abs. 3 GewO 1994 nicht binnen eines Monats der erforderliche schriftliche Bescheid erlassen worden sei. Ungeachtet der Nichtzustellung des in § 360 Abs. 3 GewO 1994 vorgesehenen Bescheides hätten die einschreitenden Organe auf Grund des Schließungsbescheides vom zum Zeitpunkt der Setzung ihrer Maßnahme am jedoch davon ausgehen können, dass die beschwerdeführende Partei das Bauträgergewerbe offenkundig nach wie vor bewilligungslos ausübe. Dem Umstand, dass damals über die Berufung noch nicht entschieden worden sei, komme in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu, "weil diese mangels Eingriffes in eine bestehende Rechtsposition (vgl. § 127 GewO) a priori keine aufschiebende Wirkung hatte". Da somit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 360 Abs. 3 GewO 1994 gegeben gewesen seien und der Behörde "hinsichtlich der zu setzenden Maßnahme keinerlei Ermessen eingeräumt, sondern im Wege einer Rechtsentscheidung ausschließlich eine Betriebsschließung vorgesehen ist," liege auch die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtswidrigkeit nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist auf die Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde einzugehen. Diesbezüglich bestimmt § 359a GewO 1994 (in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2002), dass Entscheidungen in erster Instanz "in Verfahren betreffend Betriebsanlagen" unmittelbar beim unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden können. Auslegungsbedürftig ist damit im gegebenen Zusammenhang, ob unter "Verfahren betreffend Betriebsanlagen" auch solche nach § 360 GewO 1994 - sofern sie Betriebsanlagen betreffen - zu verstehen sind.

Dafür, dass Verfahren nach § 360 GewO 1994 - auch wenn sie (vom Gegenstand her gesehen) Betriebsanlagen betreffen - nicht von der Zuständigkeitsregel des § 359a GewO 1994 erfasst seien, würde sprechen, dass in der Überschrift des Unterabschnittes "i" (§§ 353 bis 359c) des IV. Hauptstückes der GewO 1994 ebenfalls von "Verfahren betreffend Betriebsanlagen" die Rede ist. Aus dieser wörtlichen Identität könnte der Schluss gezogen werden, dass vom Gesetzgeber nur die Verfahren betreffend Betriebsanlagen, die in diesem Unterabschnitt in den §§ 353 bis 359c (näher) geregelt sind, erfasst werden sollten.

Dagegen spricht aber (in den Gesetzesmaterialien findet sich keine Aussage zum hier anzuwendenden § 359a GewO 1994), dass in diesem Unterabschnitt Sonderverfahrensregeln betreffend Betriebsanlagen getroffen werden und nicht allgemein das Verfahren betreffend Betriebsanlagen (oder bestimmter Betriebsanlagen) geregelt wird, wie dies auch in der Überschrift des (zweiten) - diesen Unterabschnitt enthaltenden - Abschnittes zum Ausdruck kommt, nämlich "Besondere Verfahrensbestimmungen". Dazu kommt, dass das Gesetz kein streng systematisches System vorsieht, "besondere Verfahrensbestimmungen" (betreffend Betriebsanlagen) nur im Unterabschnitt "i" des IV. Hauptstückes der GewO 1994 zu treffen. So enthält etwa § 77a Abs. 5 GewO 1994 besondere Bekanntgabepflichten hinsichtlich der Entscheidung über die Genehmigung einer in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführten Betriebsanlage, andererseits aber wieder im § 356a GewO 1994 "besondere Verfahrensbestimmungen" für sog. IPPC-Anlagen. Weiters wird etwa im Umfang des Anzeigeverfahrens das "Verfahren betreffend Betriebsanlagen" im Unterabschnitt "c" (§ 345 Abs. 8 Z. 6 GewO 1994) geregelt.

Wenn im Unterabschnitt "i" (im § 356 Abs. 3 GewO 1994) die Parteistellung der Nachbarn in den so genannten Folgeverfahren - und auch hinsichtlich der Vorschreibung nachträglicher Auflagen nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 - geregelt wird und daraus - bei einer Auffassung, dass vom Gesetzgeber nur die Verfahren betreffend Betriebsanlagen, die im Unterabschnitt "i" (näher) geregelt sind, erfasst werden sollten - eine Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates abzuleiten wäre, so wäre (umgekehrt) in solchen Folgeverfahren bei Betriebsanlagen, bei denen es keine Nachbarn gibt, der Landeshauptmann (als Berufungsbehörde) zuständig. Ob ein solches Auslegungsergebnis im Hinblick darauf, dass die Zuständigkeit (auch) von derartigen tatsächlichen Umständen abhängig wäre, - unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit - noch mit dem Gebot einer klaren und eindeutigen Zuständigkeitsregelung (vgl. etwa VfSlg. 13029/1992) vereinbar wäre, kann insofern dahin gestellt bleiben, als dem Gesetz kein Anhaltspunkt zu entnehmen ist, dass der Gesetzgeber eine derartiger unterschiedliche Regelung der Zuständigkeit (bei einem der Art nach gleichem Regelungsobjekt) treffen wollte. In die selbe Richtung geht es auch, wenn § 356 Abs. 3 GewO 1994 eine Parteistellung hinsichtlich der Genehmigung der Sanierung, nicht aber hinsichtlich der Vorschreibung eines Sanierungskonzeptes vorsieht (jeweils nach § 79 Abs. 3 GewO 1994); nichts deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber bei der Vorschreibung eines Sanierungskonzeptes und bei der (in der Art eines contrarius actus) Genehmigung der Sanierung eine unterschiedliche Behördenzuständigkeit hinsichtlich der Berufungsbehörde schaffen wollte.

Der Verwaltungsgerichtshof ist daher der Auffassung, dass die Zuständigkeitsregel des § 359a GewO 1994 alle Verwaltungsverfahren erfasst, die sich auf Betriebsanlagen beziehen, also auch solche nach § 360 GewO 1994.

In der Beschwerde wird im Wesentlichen geltend gemacht, bei der am verfügten Betriebsschließung handle es sich ebenfalls um eine einstweilige Maßnahme nach § 360 Abs. 3 GewO 1994, welche die am einschreitenden Organe nicht davon entbunden hätten, die Voraussetzungen des § 360 Abs. 3 GewO 1994 nochmals selbständig zu überprüfen. Insbesondere entbinde das Vorliegen eines derartigen Maßnahmenbescheides nicht davon, die rechtliche Voraussetzung der Offenkundigkeit der bewilligungslosen Bauträgergewerbeausübung zu überprüfen. Dabei komme dem Umstand, dass am über die Berufung gegen die Verfügung vom noch nicht entschieden worden sei, Bedeutung zu. Zwischen dem Bescheid vom und der Amtshandlung vom lägen im Übrigen sieben Monate, sodass die bloße Betreibung eines Messestandes durch die Einschreiterin ohne Überprüfung weiterer Umstände nicht die Offenkundigkeit der bewilligungslosen Ausübung des Bauträgergewerbes begründe. Eine Offenkundigkeit könne niemals nur auf einen Bescheid der eigenen Behörde gestützt werden, der zudem auf Grund EU-rechtlicher Erwägungen bekämpft worden und daher die Richtigkeit der im Bescheid zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht keineswegs verbürgt sei. Die mangelnde Offenkundigkeit einer unbefugten Gewerbeausübung ergebe sich des Weiteren daraus, dass gemäß § 373g GewO 1994 Staatsangehörige eines EWR-Vertragsstaates die gewerblichen Tätigkeiten unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer ausführen dürften (und wird dies in der Folge näher ausgeführt und zur Stützung des Standpunktes der beschwerdeführenden Partei auf ein Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom verwiesen). Schließlich wird die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung gerügt.

Ist eine Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 offenkundig, so hat gemäß § 360 Abs. 3 GewO 1994 die Behörde ohne vorangegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides, den gesamten der Rechtsordnung nicht entsprechenden Betrieb an Ort und Stelle zu schließen; eine solche Betriebsschließung liegt auch dann vor, wenn eine Gewerbeausübung unterbunden wird, die keine Betriebsstätte aufweist; hierüber ist jedoch binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt. Der Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn er gemäß § 19 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, wegen Unzustellbarkeit an die Behörde zurückgestellt worden ist.

Eine Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist im Sinne des § 360 Abs. 3 GewO 1994 "offenkundig", wenn bei Bedachtnahme auf den der Behörde offenliegenden Sachverhalt daran keine Zweifel bestehen (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung, Ergänzungsband, 491, sowie Kienast, Die einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen nach der GewO 1994, ZfV 1995, 303; vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/04/0305).

Die belangte Behörde stützt ihre Auffassung, es liege offenkundig eine Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 vor, im angefochtenen Bescheid allein darauf, dass die einschreitenden Organe auf Grund des Schließungsbescheides vom von einer solchen bei ihrer Maßnahme am hätten ausgehen können.

Soweit damit gemeint sein sollte, dass diesem Bescheid Tatbestandswirkung (für die Frage der Offenkundigkeit des Vorliegens einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994) zugekommen sei, ist darauf zu verweisen, dass es für das Vorliegen einer Tatbestandswirkung eines Bescheides entscheidend ist, ob die entsprechende Rechtsvorschrift auf einen (tatsächlichen) Sachverhalt oder auf einen Bescheid (ein Urteil) darüber abstellt (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 475; vgl. auch Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 534). Die hier in Frage kommende Regelung knüpft weder ausdrücklich an einen Bescheid (oder ein Urteil; vgl. z.B. § 13 Abs. 1 GewO 1994) an, noch an eine durch einen Bescheid (oder ein Urteil) geschaffene Rechtslage (was der Fall wäre, wenn im Gesetz etwa von einer "Bestrafung" oder einem "Bestraften" die Rede wäre).

Die Auffassung der belangten Behörde über die "Offenkundigkeit" (einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994) vermag auch nicht mit einer als Bindungswirkung oder Verbindlichkeit bezeichneten Rechtswirkung von Bescheiden gestützt zu werden und zwar schon deshalb, weil nach AVG die Verbindlichkeit eines Bescheides erst mit seiner Unanfechtbarkeit eintritt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/08/0099; siehe auch Walter/Mayer, a.a.O., Rz 471) und im Beschwerdefall unstrittig zum Zeitpunkt der Setzung der Maßnahme nach § 360 Abs. 3 GewO 1994 infolge der noch offenen Berufung gegen den Bescheid vom eine Unanfechtbarkeit dieses Bescheides nicht gegeben war.

Soweit aber die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift (inhaltlich) die "Offenkundigkeit" einer Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 darzulegen sucht, vermag damit der Spruch des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht gestützt zu werden, weil der Mangel einer (ausreichenden) Bescheidbegründung nicht durch Ausführungen in der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Gegenschrift beseitigt werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/07/0013, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Da die belangte Behörde aus den oben dargelegten Gründen offensichtlich die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den für Umsatzsteuer geltend gemachten Betrag, weil diese bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am