VwGH vom 30.09.1998, 96/02/0105
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel, und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde 1. des HK in Wien, vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer und 2. des AF in Wien, gegen den Bescheid der Grundverkehrslandeskommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 8-22 Ki 1/3 - 95, betreffend Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben zu gleichen Teilen dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom begehrte der Erstbeschwerdeführer die grundverkehrsbehördliche Genehmigung für den Kauf eines näher genannten Grundstückes vom Zweitbeschwerdeführer in Stubenberg für die Nutzung als Zweitwohnsitz. Die Grundverkehrsbezirkskommission bei der Bezirkshauptmannschaft Hartberg versagte mit Bescheid vom die diesbezügliche Genehmigung.
Gegen diesen Bescheid erhoben beide Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diese Berufung unter Hinweis auf § 66 Abs. 4 AVG und § 45 Abs. 1 Steiermärkisches Grundverkehrsgesetz (kurz: GVG), LGBl. Nr. 134/1993, als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, das gegenständliche Grundstück sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Stubenberg am See - einer Vorbehaltsgemeinde gemäß § 14 GVG - als Bauland der Kategorie "Reines Wohngebiet" ausgewiesen. Der Käufer (Erstbeschwerdeführer) beabsichtige, darauf einen Zweitwohnsitz zu errichten. Der vorgelegte Kaufvertrag müsse daher den Genehmigungskriterien des § 19 Abs. 2 leg. cit. entsprechen. Würden die vom Käufer angegebenen Gründe als soziales, volkswirtschaftliches oder kulturelles Interesse am Rechtsgeschäft anerkannt werden, würde die Bestimmung des § 19 Abs. 2 leg. cit. Zweitwohnsitzbegründungen in den steiermärkischen Vorbehaltsgemeinden kaum beschränken können. Es würden sich nämlich eine Vielzahl von Paaren mit einem Kleinkind finden, die einen "festen Urlaubswohnsitz" in den attraktivsten Gemeinden der Steiermark suchten. Der Einsatz von ortsansässigen Professionisten für die Errichtung eines Wohnhauses könne die regionale oder örtliche Wirtschaft fördern, nicht jedoch ein volkswirtschaftliches Interesse an einer Zweitwohnsitzbegründung in einer Vorbehaltsgemeinde begründen. § 19 Abs. 4 GVG könne nicht herangezogen werden, weil an einem unbebauten Grundstück keine Art von Wohnsitz begründet werden könne.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom , B 2365/95, ablehnte und sie an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat erwogen:
Gemäß § 12 GVG ist es Ziel der Bestimmungen des II. Abschnittes, im Interesse der Sicherung von Grundstücken für den ständigen Wohnbedarf die Nutzung von Baugrundstücken für Zweitwohnsitze einzuschränken.
Nach § 13 Abs. 3 Z. 1 leg. cit. sind Baugrundstücke in einem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz als Bauland ausgewiesene Grundstücke.
Die Gemeinde Stubenberg (Bezirk Hartberg) ist gemäß § 14 leg. cit. eine Vorbehaltsgemeinde. Nach dem ersten Satz dieses Paragraphen gelten die Bestimmungen dieses Abschnittes für Baugrundstücke, die in einer Vorbehaltsgemeinde liegen.
Rechtsgeschäfte (§ 16) sind nach § 19 Abs. 1 leg. cit. genehmigungspflichtig, wenn das Baugrundstück als Zweitwohnsitz genützt werden soll.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. stellt die Übertragung des Eigentums ein solches Rechtsgeschäft dar.
Ein Rechtsgeschäft ist nach § 19 Abs. 2 leg. cit. zu genehmigen, wenn soziale, volkswirtschaftliche oder kulturelle Interessen für die Begründung eines Zweitwohnsitzes sprechen und der Antragsteller einen Hauptwohnsitz (Sitz) in Österreich hat oder während eines Zeitraumes von insgesamt fünf Jahren gehabt hat.
Liegt das Baugrundstück in einem Gebiet, das in einem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz als Ferienwohngebiet ausgewiesen ist, ist das Rechtsgeschäft gemäß § 19 Abs. 3 leg. cit. zu genehmigen, wenn keine sozialen, volkswirtschaftlichen oder kulturellen Interessen dagegensprechen. Ein Rechtsgeschäft ist gemäß § 19 Abs. 4 leg. cit. jedenfalls zu genehmigen, wenn das Baugrundstück unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes während eines Zeitraumes von einem Jahr ausschließlich als Zweitwohnsitz genutzt wurde.
Unter einem Zweitwohnsitz ist nach § 19 Abs. 7 leg. cit. ein Wohnsitz zu verstehen, der ausschließlich oder überwiegend dem vorübergehenden Wohnbedarf zum Zwecke der Erholung oder Freizeitgestaltung dient.
Unbestritten ist, daß das gegenständliche Baugrundstück für Zwecke der Begründung eines Zweitwohnsitzes in einer sogenannten Vorbehaltsgemeinde vom Erstbeschwerdeführer erworben werden soll, weshalb eine Genehmigung im Sinne des § 19 Abs. 1 GVG für das zugrundeliegende Rechtsgeschäft erforderlich ist.
Der angefochtene Bescheid stellt nicht auf ein allfälliges Verbot der Begründung eines Zweitwohnsitzes auf dem gegenständlichen Grundstück im Sinne des § 23 Abs. 5a des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 1/1995, sondern auf das Fehlen der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 19 Abs. 2 und 4 GVG ab. Auf das Fehlen einer allfälligen Verordnung im Sinne des § 23 Abs. 5a ROG kam es daher - entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen - nicht an.
In der Beschwerde wird im Hinblick auf § 19 Abs. 4 GVG u.a. ausgeführt, das gegenständliche Grundstück sei "seit über 20 Jahren - zumindest seit 1972 - ausschließlich zu Zwecken der Erholung bzw. Freizeitgestaltung" genutzt worden, weil es unbebaut sei und "jedenfalls nicht als Hauptwohnsitz, wohl aber zum vorübergehenden Aufenthalt" genutzt werden habe können. Es sei aus dieser Bestimmung nicht abzuleiten, daß von dieser Ausnahmeregelung nur bebaute Grundstücke mit Baulandwidmung in Vorbehaltsgemeinden "ohne Ausweisung als Ferienwohngebiet" betroffen sein sollten, nicht aber unbebaute derartige Liegenschaften.
Die Beschwerdeführer übersehen, daß das Erfordernis der Nutzung eines Baugrundstückes "während eines Zeitraumes von einem Jahr ausschließlich als Zweitwohnsitz" nach § 19 Abs. 4 leg. cit. eben den Erfordernissen eines Zweitwohnsitzes zu entsprechen hat. Gemäß § 19 Abs. 7 leg. cit. hat aber der Zweitwohnsitz definitionsgemäß u.a. einem "vorübergehenden Wohnbedarf" zu dienen. Es ist jedoch offenkundig, daß ein unbebautes Grundstück - wie es im Beschwerdefall gegeben war - auch nicht einem vorübergehenden Wohnbedarf mangels Errichtung einer entsprechenden Wohngelegenheit dienen konnte. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 GVG im Beschwerdefall nicht gegeben waren.
Unbestritten ist, daß das Gebiet, in dem das Baugrundstück liegt, nicht in einem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz als Ferienwohngebiet ausgewiesen war, sodaß schon aus diesem Grund § 19 Abs. 3 GVG nicht anzuwenden war. Insoweit die Beschwerdeführer unter Hinweis auf eine diesbezüglich noch nicht erlassene Verordnung durch die Gemeinde Stubenberg die Auffassung vertreten, die belangte Behörde hätte das Verfahren zu unterbrechen gehabt, wobei sie nach einer etwaigen Fortsetzung des Verfahrens zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, ist ihnen entgegenzuhalten, daß § 38 AVG einer Partei keinen Anspruch auf Aussetzung des Verfahrens einräumt und ein solches Recht nur aus der jeweils in Betracht kommenden Vorschrift abgeleitet werden kann (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 249, unter E 21a zu § 38 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Dem GVG, insbesondere der Bestimmung des § 19 Abs. 3 leg. cit., ist aber ein solches Recht der Parteien auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Erlassung der entsprechenden Verordnung nicht zu entnehmen, sodaß die diesbezügliche Verfahrensrüge ins Leere geht.
Nach Ansicht der Beschwerdeführer habe die belangte Behörde die Interessensabwägung des § 19 Abs. 2 GVG unrichtig vorgenommen. Sie nehme nur dann ein soziales Interesse an einem Rechtsgeschäft an, wenn dem Käufer mit dem Erwerb die Rückkehr an seinen Geburtsort oder zu seinen nächsten Verwandten oder ein längerer Aufenthalt in einer Gegend, die ihm nachweislich zur Besserung einer schweren Krankheit dienen könne, ermöglicht werde. Abgesehen davon, daß gemäß diesem starren System der Interessensabwägung nur äußerst selten ein soziales Interesse vorliege, bleibe jedwede individuelle Betrachtung des Einzelfalles von vornherein ausgeschlossen, sodaß auch die vom Beschwerdeführer (offenbar gemeint: vom Erstbeschwerdeführer) in den Jahren seiner Aufenthalte "eingegangenen persönlichen Beziehungen" keine Berücksichtigung fänden.
Der Aufbau und die Vertiefung von vom Erstbeschwerdeführer nicht näher konkretisierten sozialen Beziehungen im Rahmen von mehrfachen Aufenthalten auf einem, in derselben Gemeinde gelegenen Campingplatz während der letzten Jahre vermag für sich allein noch nicht ein soziales Interesse im Sinne des § 19 Abs. 2 GVG darzutun, weil dem GVG angesichts der Zielsetzung der Einschränkung der Nutzung von Baugrundstücken für Zweitwohnsitze (siehe § 12 leg. cit.) nicht unterstellt werden kann, daß diese Bewilligungsvoraussetzung möglichst geringe, in der Regel von jedermann leicht erfüllbare Anforderungen stellt, wodurch der beabsichtigte Schutz von Zweitwohnsitznutzungen auf Baugrundstücken in Vorbehaltsgemeinden praktisch wertlos werden würde.
Insoweit die Beschwerdeführer allgemein die von der belangten Behörde gegebene Auslegung hinsichtlich des Vorliegens von "kulturellen Interessen" in Zweifel ziehen, behaupten sie nicht - wofür im übrigen auch im Zuge des Verwaltungsverfahrens keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind -, daß derartige Interessen in bezug auf den Erstbeschwerdeführer (als Käufer der Liegenschaft) tatsächlich vorliegen würden.
Schließlich rügen die Beschwerdeführer noch, daß die belangte Behörde bei der Beurteilung der volkswirtschaftlichen Interessen übersehe, daß diese nicht nur aus dem Einsatz von ortsansässigen Professionisten für die Errichtung eines Wohnhauses bestünden, sondern daß der Erstbeschwerdeführer als Käufer auch darüberhinaus vermehrt die Bedürfnisse seines täglichen Lebens in der Vorbehaltsgemeinde befriedigen werde und zwar in "unvergleichlich höherem Ausmaß" als er es bereits seit Jahren in seinem Wohnwagen getan habe. Auch diese wirtschaftlichen Effekte im Falle der Gründung eines Zweitwohnsitzes und eines (vorübergehenden) Aufenthaltes an diesem zeigen im Hinblick auf die zu beachtende Zielsetzung nach § 12 GVG für sich allein noch nicht das Vorliegen von volkswirtschaftlichen Interessen auf. Die Genehmigung wurde daher mangels Erfüllung einer der im § 19 Abs. 2 GVG genannten Interessen zu Recht versagt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am