VwGH vom 06.09.1993, 93/09/0137
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des I und der R N in W, vertreten durch Dr. WS, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom , Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens beantragten die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer mit Schreiben vom beim Arbeitsamt Persönliche Dienste-Gastgewerbe die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die am geborene philippinische Staatsbürgerin L. für die berufliche Tätigkeit als "Haushaltshilfe m. Kochen" mit einer Entlohnung von S 9.000,-- brutto (zus. Wohnen, Essen) pro Monat. Als spezielle Kenntnisse bzw. (besonderes) Ausbildungserfordernis gaben die Beschwerdeführer "genaueste Kenntnis der koscheren Küche" an.
In einem Begleitschreiben wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, dringend eine Haushaltskraft zu benötigen (sie hätten fünf Kinder, wobei die Zweitbeschwerdeführerin unter einer sehr starken Anämie leide und der Erstbeschwerdeführer als Kaufmann geschäftlich oft im Ausland sei), die bei ihnen übernachte und zumindest morgens von 5,30 bis 9,30 Uhr und abends von 16,00 bis 19,30 Uhr bei ihnen arbeite; L. sei seit Juni 1990 in Österreich und habe eine Schwester, die österreichische Staatsbürgerin sei. Sie seien bereit, L. einen Lohn zu bezahlen, welcher dem Kollektivvertrag entspreche. Eines der wichtigsten Kriterien sei, daß die Haushaltskraft alle notwendigen Kenntnisse der Vorschriften und Praktiken einer jüdischen koscheren Küche habe, weil die Beschwerdeführer über einen solchen Haushalt verfügten. L. habe durch langjährige Arbeit bei einer jüdischen Familie im Ausland solche Kenntnisse erworben (dies bestätigte auch der Oberrabiner der israelitischen Kultusgemeinde Wien in einem beiliegenden Schreiben). Bei L. handle es sich um einen Ersatz für eine ausgeschiedene ausländische Mitarbeiterin, die bis Mitte des Vorjahres bei ihnen gearbeitet habe; seit deren Kündigung seien sie auf der Suche nach einer neuen Arbeitskraft.
Diesen Antrag lehnte das genannte Arbeitsamt mit Bescheid vom gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Begründend führte die Behörde erster Instanz nach Wiedergabe dieser Gesetzesstelle aus, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet, und darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer im wesentlichen vor, bei einer Vorsprache beim Arbeitsamt sei ihnen bestätigt worden, daß keine inländische Arbeitskraft für diese Tätigkeit zur Verfügung stehe. Sie wären bereit, an L. einen angemessenen Lohn laut Kollektivvertrag zu bezahlen.
In der Folge teilte die Behörde erster Instanz den Beschwerdeführern mit Schreiben vom mit, sie könne ihnen aus dem Stand an arbeitslos vorgemerkten Personen Arbeitskräfte anbieten, die für die Tätigkeit, für die die Beschwerdeführer die Ausländerin beantragt haben, zur Verfügung stünden. Die Beschwerdeführer wurden eingeladen, einen Vermittlungsauftrag zu erteilen. Am langte dann bei der Behörde erster Instanz ein Vermittlungsauftrag der Beschwerdeführer - lautend auf "Haushaltshilfe" (Wohnung
m. fünf Zimmer + Kabinett Familie m. fünf Kindern) - ein. Darin wurde die vorgesehene Arbeitszeit mit morgens 5,30 bis 9,30 Uhr und abends 16,00 bis 19,30 Uhr und der Verdienst mit S 9.000,-- brutto pro Monat bei einer 38-Stunden-Woche (zusätzlich kostenlose Wohnmöglichkeit und bestimmte Mahlzeiten frei) angegeben und auf die Notwendigkeit der Kenntnis der jüdischen koscheren Küche hingewiesen.
In den Verwaltungsakten findet sich ein vom Erstbeschwerdeführer persönlich unterschriebenes und mit datieres Formular, wonach die Einstellung der angebotenen Ersatzkraft E unterblieben sei, weil diese nicht bei den Beschwerdeführern wohnen und zu den geforderten Zeiten arbeiten könne (diese sei selbst erziehende Mutter); ferner eine Niederschrift vom mit B, in welcher diese angab, die Stelle bei den Beschwerdeführern unmöglich annehmen zu können, weil jemand gesucht werde, der unbedingt im Haushalt wohne (Kenntnis der koscheren Küche besitze sie ebenfalls keine), sowie schließlich ein EDV-Ausdruck (vom ), aus dem hervorgeht, daß "ha keine Eks" vorhanden seien, die im gemeinsamen Haushalt wohnen wollten oder über die erforderlichen koscheren Kochkenntnisse verfügten.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG aus, die Beschwerdeführer hätten eine Haushaltshilfe mit Kochen und zur Betreuung von fünf Kindern gesucht und laut Antrag S 9.000,-- brutto pro Monat bei einer Arbeitszeit von 5,30 bis 9,30 Uhr und von 16,00 bis 19,30 Uhr geboten; diese Arbeitszeit verstoße gegen arbeitszeitrechtliche Bestimmungen. Weiters sei festgestellt worden, daß die Beschwerdeführer bereits zweimal eine Ablehnung für L. erhalten hätten und den Berufungen jeweils keine Folge gegeben worden sei. Dazu sei auszuführen, daß die Chance auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht mit der Zahl der Anträge wachse.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, eine ausländische Arbeitskraft beschäftigen zu dürfen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die Beschwerdeführer brachten zur Gegenschrift noch eine Gegenäußerung ein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG gestützt.
Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.
Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
§ 4 Abs. 3 AuslBG zählt weitere Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung auf. So darf gemäß § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG die Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn die Gewähr gegeben erscheint, daß der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält.
Das Arbeitsamt Persönliche Dienste-Gastgewerbe hat seine Ablehnung auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Da von diesem Versagungsgrund im angefochtenen Bescheid nicht mehr die Rede ist, war darauf auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht mehr einzugehen. Es ist daher im Beschwerdefall ausschließlich zu prüfen, ob die Versagung auf § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG gestützt werden konnte oder nicht.
Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß dem § 56 AVG grundsätzlich die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 dieses Gesetzes voranzugehen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
§ 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG regelt nicht, welchen Lohn- und Arbeitsbedingungen (einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften) der ausländische Arbeitnehmer unterliegt. Diese Bestimmung knüpft vielmehr an allen einschlägigen in Betracht kommenden Rechtsvorschriften an, die diesen Gegenstand regeln.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, bedeutet das rechtserhebliche Tatbestandsmerkmal des "Gegebenerscheinens der Gewähr", daß keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Behörde für das in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis die künftige Einhaltung der in Betracht kommenden allgemeinen und besonderen lohn- und arbeitsrechtlichen Vorschriften (seit der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 auch der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften), insbesondere der gesetzlichen, satzungsgemäßen und kollektivvertraglichen Bestimmungen sowie jener der Arbeitsverfassung und des Arbeitnehmerschutzes, als zweifelhaft erscheinen lassen. Der Begriff "Arbeitsbedingungen" ist weit zu verstehen. Er erfaßt nicht bloß die Hauptleistungen aus dem Arbeitsvertrag, also insbesondere das Entgelt und andere aus dem Arbeitsverhältnis entspringende Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien, wie ARBEITSZEIT, Freizeit, Feiertagsarbeit, sondern überhaupt jede Frage, welche die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb oder Unternehmen betrifft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/09/0142, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ihre Ablehnung ausschließlich auf § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG, und zwar primär mit dem Argument gestützt, daß die von den Beschwerdeführern (sowohl im Antrag vom als auch im Vermittlungsauftrag vom gleichlautend) angegebene Arbeitszeit von morgens 5,30 bis 9,30 Uhr und abends von 16,00 bis 19,30 Uhr gegen arbeitszeitrechtliche Bestimmungen verstoße. Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, daß die Nichteinhaltung arbeitszeitrechtlicher Bestimmungen durch den Arbeitgeber (die belangte Behörde erwähnt in ihrer Gegenschrift § 5 Abs. 3 des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes 1962, BGBl. Nr. 235, wonach Dienstnehmern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und in die Hausgemeinschaft des Dienstgebers aufgenommen sind, eine Ruhezeit von mindestens 10 Stunden zu gewähren ist, die die Zeit von 21 Uhr bis 6 Uhr einschließt) von der belangten Behörde zur Begründung des Vorliegens des Versagungstatbestandes nach § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG herangezogen werden könnte.
Im Beschwerdefall ist jedoch zu beachten, daß die von den Beschwerdeführern angegebenen Arbeitszeiten auch den auf Grund des Vermittlungsauftrages durchgeführten Vorstellungen von Ersatzkräften zugrundegelegt wurden, OHNE daß dies vom Arbeitsamt beanstandet worden wäre. Die Beschwerdeführer waren im Verwaltungsverfahren sichtlich bemüht, die Bewilligungsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG (vgl. ihren mehrfachen Hinweis auf die kollektivvertragliche Entlohnung von L.) einzuhalten, sodaß es einer Erörterung bedurft hätte, aus welchem Grund die Beschwerdeführer ihre arbeitszeitliche Forderung erhoben haben, zumal auch § 5 Abs. 6 des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes 1962 (danach ist eine Beeinträchtigung der Ruhepausen oder der Nachtruhe gemäß Abs. 3 und 4 nur gestattet, wenn die Arbeitsleistung des Dienstnehmers während dieser Zeiten aus dringenden, unaufschiebbaren oder unabwendbaren Gründen benötigt wird) erkennen läßt, daß die in Abs. 3 getroffene Regelung nicht unabänderlich ist.
Die weitere von der belangten Behörde getroffene - nicht näher spezifizierte - Feststellung, die Beschwerdeführer hätten beeits zweimal eine Ablehnung für L. erhalten, und den Berufungen sei jeweils keine Folge gegeben worden (die Chance auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung wachse nicht mit der Zahl der Anträge), kann nicht zur Begründung des von der Behörde ausschließlich angewandten Versagungstatbestandes nach § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG herangezogen werden, weil sie die dort vorgesehene Prognoseentscheidung nicht zu tragen vermag.
Da auf Grund der besonderen Umstände des Beschwerdefalles nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I A der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft S 60,-- an Beilagenstempel, weil nur die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, mit S 30,-- Stempelmarken versehen, zur Rechtsverfolgung notwendig war.