VwGH vom 25.02.2004, 2002/04/0013
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Landeshauptmannes von Vorarlberg in Bregenz gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. 1- 0024/01/K3, betreffend Übertretung der GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: Dkfm. E in H), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Kostenbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom wurde die mitbeteiligte Partei wie folgt schuldig erkannt:
"Sie haben es als Gewerbeinhaber der Firma K. D und Co, H, zu verantworten, dass eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche gewerberechtliche Genehmigung geändert wurde. Die Genehmigungspflicht ergibt sich, dass laut Aufzeichnungen über Betriebsrelevante Daten der Abwasserreinigungsanlage die CSB-Befrachtung der Abwasserreinigungsanlage am 1., 2., 3., 4., 7., 8., 9., 10., 11., 12., 15., 16., 17., 18., 19., 21., 22., 23., 24., 25., 26., 29. und sowie am 1., 2., 5., 6. und 7, Juli 1999 nicht der projektmäßig festgelegten und bescheidmäßigen bewilligten Auslegung der Anlage entsprach. Der CSB-Zulauf lag an den genannten Tagen im Schnitt beim 1,5 bis 2,5- fachen der auslegungsgerechten Fracht.
Die genehmigte betriebliche Abwasserreinigungsanlage wurde daher an den oben genannten Tagen nicht so betrieben, wie sie nach dem Inhalt des Genehmigungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom , II-1301-0064/1998 genehmigt worden war. Die Anlage ist laut Bescheid für eine Abwassermenge von 500 m3/Tag und einer CSB-Fracht von 2.200 kg CSB/Tag ausgelegt. Durch diese Maßnahmen wurde die genehmigte Betriebsanlage geändert, ohne dass hiefür eine Genehmigung vorlag. Die vorgenommenen Änderungen sind geeignet, die in § 74 Abs. 2 Zi.2 GewO 1994 genannten Belästigungen durch Geruch herbeizuführen.
Übertretung gem. § 366 Abs. 1 Zi.3 GewO 1994 iVm dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom , Zl. II-1301- 0064/1998
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Geldstrafe gemäß § 366/1 Zi. 3 GewO | S 15.000,-- |
Ersatzfreiheitsstrafe: 450 Std. | |
Verfahrenskosten gemäß § 64 (2) des Verwaltungs- strafgesetzes (10 % der Strafe, mind. S 20,-- ) | S 1.500,-- |
Gesamtbetrag | S 16.500,--" ======== |
Das Straferkenntnis wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die CSB-Befrachtung der Abwasserreinigungsanlage an den im Spruch genannten Tagen nicht der projektmäßig festgelegten und bescheidmäßigen bewilligten Auslegung der Anlage entsprochen habe, sondern der CSB-Zulauf an den genannten Tagen im Schnitt beim 1,5 bis 2,5-fachen der auslegungsgerechten Fracht gelegen sei. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die mitbeteiligte Partei Berufung.
Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der im Berufungsverfahren beigezogene Sachverständige zu der maßgeblichen Frage, ob durch die nicht projektgemäß erfolgte CSB-Zulauffracht insofern die Betriebsanlage geändert worden sei, als diese Änderung geeignet wäre, Belästigungen durch Geruch herbeizuführen, dargelegt habe, dass als wahrscheinlichste Ursache der Geruchsbelästigung technische Probleme mit der Belüftung des Reaktors anzusehen seien. Durch den fehlenden Luft- und Sauerstoffeintrag hätten im Reaktor der Abwasserreinigungsanlage anaerobe Prozesse eingesetzt; diese hätten zu den intensiven und extremen Geruchsemissionen geführt. Wenn die Überfrachtung als ursächliche Maßnahme allein in Frage käme, so hätte die Geruchsbelästigung über ein Jahr lang bestehen müssen. Solange genügend Sauerstoff vorhanden sei, komme es ungeachtet des Abbauwirkungsgrades nicht zu solchen Belästigungen. Nach Ansicht des Sachverständigen wäre es auch dann zu den Geruchsbelästigungen gekommen, wenn die Grenzwerte für die CSB-Zulauffracht eingehalten worden wären. Daher könne auf Grund dieses Gutachtens im Zweifel der wider den Beschuldigten erhobene Vorwurf, der auf die Einleitung überhöhter Frachten und nicht auf einen mangelhaften Betrieb des erwähnten Reaktors abstelle, nicht aufrecht erhalten werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Landeshauptmann von Vorarlberg gemäß § 371a GewO 1994 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich nicht am verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben und begründet dies im Wesentlichen damit, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Genehmigungspflicht für eine Änderung einer Betriebsanlage bestehe, wenn die Änderung der Betriebsanlage geeignet sei, Gefährdungen, Belästigungen oder Beeinträchtigungen bzw. nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 GewO 1994 hervorzurufen. Die im vorliegenden Fall festgestellte konsenswidrige Erhöhung der Zulauffracht sei abstrakt geeignet, die Schutzinteressen der GewO 1994 zu verletzen. So ergebe sich bereits aus dem Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen, dass die Verletzung derartiger Schutzinteressen auf Grund der konsenswidrigen Überfrachtung der betriebseigenen Abwasserreinigungsanlage zumindest abstrakt möglich sei. Im Detail weist der Beschwerdeführer auf folgende Aussagen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde hin:
"... Insbesondere wurden, wie eingangs erwähnt, die notwendigen Maßnahmen zur Verringerung der Zulauffracht offensichtlich nicht umgesetzt. Theoretisch zumindest wird damit in Kauf genommen, dass dadurch kleinere Probleme der Anlage, die unweigerlich auftreten können, zu intensiven Belästigungen der Nachbarn durch Geruch führen...."(Seite 5).
"Meines Erachtens hätte über ein Jahr lang - bis zur Überführung von Abwässern in die Verbandskläranlage - diese Geruchsbelästigung bestehen müssen, wenn die Überfrachtung als hinreichende und ursächliche Maßnahme alleinig in Frage käme. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass die so hohe Fracht nicht konsensgemäß iS des Bescheides ist." (Seite 5 unten).
"...Selbstverständlich ist, dass auch überhöhte Zulauffrachten, die dazu führen, dass der Sauerstoffgehalt bzw das Sauerstoffangebot im Reaktor in Bezug zur Fracht zu gering ist, das Einsetzen von anaeroben- und Fäulnisprozessen bewirken, was ursächlich für derartige Geruchsbelästigungen sein kann..."
(Seite 9 oben).
"Es wurde damals vehement von den Sachverständigen darauf hingewiesen, dass die Zulaufmenge wesentlich reduziert werden müsse... Es war allen klar, dass Stärke bzw Maisabwässer als sehr schwer behandelbar eingestuft werden und deshalb auch innerbetriebliche Maßnahmen, die auf die Reduzierung der Abwasserfracht und Abwasserkonzentration hinzielen, unabdingbar sind. Bei Einhaltung dieser Maßnahmen betreffend die Reduktion und bei einer ordnungsgemäßen Belüftung des Reaktors wären die gegenständlichen Geruchsbelästigungen bzw generelle Geruchsbelästigungen im Dauerbetrieb vermeidbar gewesen..."
(Seite 10).
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.
Gemäß § 371a GewO 1994 ist der Landeshauptmann berechtigt, gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats, mit dem ein Straferkenntnis der Bezirksverwaltungsbehörde aufgehoben wird, Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Gemäß § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 59/1999 (GewO 1994), begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).
Gemäß § 81 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.
Die Behörde hat bei Prüfung des Vorliegens einer Übertretung des § 366 Abs. 1 Z. 3 iVm § 81 GewO 1994 nicht die Genehmigungsfähigkeit der Änderung der Betriebsanlage zu prüfen; ebensowenig, ob tatsächliche Gefährdungen, Beeinträchtigungen, Belästigungen oder sonstige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO von der konkreten Betriebsanlage ausgehen; dies festzustellen und allenfalls durch entsprechende Auflagen zu verhindern, ist Sache des Genehmigungsverfahrens. Nach dem Wortlaut des § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf nicht jede Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung, sondern nur eine solche, die geeignet ist, die im § 74 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen. Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens und daher Tatbestandselement der angelasteten Tat ist somit die nach § 74 Abs. 2 leg. cit. mit der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage verbundene personenbezogene (§ 74 Abs. 2 Z. 1 und 2) oder tätigkeits- bzw. sachbereichsbezogene (§ 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5) konkrete Eignung, die in der zitierten Gesetzesstelle näher bezeichneten Auswirkungen hervorzurufen. Um dies zu beurteilen, genügt es in der Regel auf das allgemeine menschliche Erfahrungsgut zurückzugreifen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/04/0161 mwN). Es bedarf daher keiner Feststellungen im Einzelfall darüber, ob solche Gefährdungen, Beeinträchtigungen und Belästigungen von der konkreten Betriebsanlage tatsächlich ausgehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/04/0197, und vom , Zl. 94/04/0162). Die Genehmigungspflicht ist immer schon dann gegeben, wenn solche Auswirkungen auf bestimmte Personen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 GewO 1994 oder auf bestimmte Tätigkeits- oder Sachbereiche im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 GewO 1994 nicht auszuschließen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/04/0056).
Im vorliegenden Fall ist nach der Begründung des angefochtenen Bescheides davon auszugehen, dass die betriebliche Abwasserreinigungsanlage des Unternehmens der mitbeteiligten Partei Geruchsbelästigungen verursacht hat. Weiters ergibt sich, dass die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Abwasserreinigungsanlage vom projektmäßig eine Auslegung für eine CSB-Fracht von 2.200 kg CSB/Tag umfasst. Unstrittig ist, dass im vorgeworfenen Tatzeitraum
konsenswidrig eine CSB-Fracht von bis zu 6.188,5 kg (am ) bzw. 7.260 kg (am ) in die Abwasserreinigungsanlage eingeleitet wurde. Nach dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut ist bereits diese wesentliche Erhöhung der eingeleiteten CSG-Fracht ausreichender Beleg dafür, dass die damit vorgenommene Änderung der Betriebsanlage konkret geeignet ist, in § 74 Abs. 2 GewO 1994 genannte Schutzinteressen zu beeinträchtigen. Auch das von der belangten Behörde angeführte Gutachten des Sachverständigen - insbesondere wie vom Beschwerdeführer aufgezeigt - zeigt, dass Auswirkungen auf bestimmte Personen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 GewO 1994 oder auf bestimmte Tätigkeits- oder Sachbereiche im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 GewO 1994 nicht auszuschließen sind.
Im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom wird zwar das Vorhandensein von Nachbarn nicht ausdrücklich festgestellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/04/0131), doch wird ausdrücklich auf die Genehmigung der Abwasserreinigungsanlage als Betriebsanlage vom hingewiesen. Dieser Bescheid genehmigt (nach seinem Spruchteil II) die direkte Einleitung der gereinigten Abwässer in den Bodensee und hat damit auch die Vermeidung von nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer gemäß § 74 Abs. 2 Z 5 GewO 1994 zum Gegenstand. Weiters wird in diesem Bescheid festgestellt, dass die Anlage bei konsensgemäßem Betrieb keine unzumutbaren Belästigungen für die Nachbarschaft verursacht, sodass insgesamt die durch die Änderung der Betriebsanlage möglicherweise betroffenen Schutzinteressen ausreichend erkennbar sind.
Ob von der konkret geänderten Einleitung in die Abwasserreinigungsanlage tatsächliche Gefährdungen, Beeinträchtigungen, Belästigungen oder sonstige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO Betriebsanlage ausgehen, ist nach der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Genehmigungsverfahrens und nicht des Verwaltungsstrafverfahrens.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Das Kostenbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, da gemäß § 47 Abs. 4 VwGG in dem Fall des Art. 131 Abs. 2 B-VG für den Beschwerdeführer kein Aufwandersatz stattfindet.
Wien, am