VwGH vom 29.03.1996, 96/02/0004

VwGH vom 29.03.1996, 96/02/0004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-221043/25/Kon/Fb, betreffend Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften,

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Spruchpunktes 1. (Übertretung nach § 20 in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. k Arbeitnehmerschutzgesetz) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

II. den Beschluß gefaßt:

Im übrigen - sohin bezüglich sämtlicher weiterer Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides - wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als das für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der F. GesmbH in H zu verantworten, daß - wie im Zuge einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk in Wels am festgestellt worden sei - im Kunststofferzeugungsbetrieb dieser Gesellschaft, in welchem zum Zeitpunkt der Überprüfung 73 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien, 1. eine Sicherheitsvertrauensperson sowie im Falle deren Verhinderung eine Ersatzperson nicht bestellt gewesen sei, obwohl in jedem Betrieb, in dem regelmäßig mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigt würden, mindestens eine Sicherheitsvertrauensperson und eine Ersatzperson tätig sein müßten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. k Arbeitnehmerschutzgesetz begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Weiters wurde der Beschwerdeführer mit diesem Bescheid im Instanzenzug in den Spruchpunkten 2. bis 5. in dieser Eigenschaft vier weiterer Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften für schuldig befunden und hiefür bestraft.

I. Zum Spruchpunkt 1.:

Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Grunde des § 9 Abs. 2 und 4 VStG. Dies schon deshalb, weil es sich bei der nunmehrigen Vorlage des diesbezüglichen Zustimmungsnachweises vom - insoweit war der Beschwerdeführer beweispflichtig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/03/0049) - und dem Vorbringen in der Beschwerde, den Vorschriften des § 26 Abs. 3 in Verbindung mit § 23 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 (betreffend Mitteilung der Bestellung an das zuständige Arbeitsinspektorat) sei Genüge getan worden, um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerungen handelt.

Die Unzuständigkeit der Erstbehörde liegt - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht vor. Es entspricht nämlich der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0407), daß bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften als Ort, an dem die Übertretung begangen wurde, jener Ort anzusehen ist, an dem die gesetzlich gebotene Vorsorgehandlung unterlassen wurde; dies ist der Sitz der Unternehmensführung. Wo der Beschwerdeführer daher seinen Wohnsitz hat, ist insoweit rechtlich unerheblich.

Der Beschwerde kommt dennoch in Hinsicht auf diesen Spruchpunkt Berechtigung zu: Der Beschwerdeführer hatte bereits in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vorgebracht, es sei sehr wohl eine Sicherheitsvertrauensperson und eine Ersatzperson, und zwar Ing. M. und Gerhard K., bestellt gewesen, und hat zum Beweis hiefür die Einvernahme dieser beiden Personen beantragt. Die Einvernahme dieser beiden Personen ist jedoch nicht erfolgt.

Wohl kann der belangten Behörde in Hinsicht auf die Unterlassung der Einvernahme des Zeugen Ing. N. kein Vorwurf gemacht werden, weil der Beschwerdeführer trotz der diesbezüglichen Ankündigung in der (ersten) mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am die Adresse dieses Zeugen bekanntzugeben, dies in der Folge unterlassen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0232).

Anders verhält es sich mit der unterbliebenen Einvernahme des Zeugen Gerhard K. Diese Einvernahme ist nach der Aktenlage deshalb unterblieben, weil der erwähnte Zeuge zu beiden Verhandlungsterminen vor der belangten Behörde nicht erschienen ist, wobei der Vertreter des Beschwerdeführers jeweils diesbezüglich angegeben hatte, der Zeuge sei erkrankt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides findet sich insoweit lediglich der Hinweis, ärztliche Bescheinigungen über die Erkrankungen seien nicht vorgelegt worden.

Die belangte Behörde war allerdings nicht berechtigt, im Hinblick auf diesen Sachverhalt von der Einvernahme des Zeugen Gerhard K. abzusehen. Zunächst ist davon auszugehen, daß es entgegen der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift sehr wohl der Einvernahme dieses Zeugen bedurft hätte, wurde dies doch vom Beschwerdeführer zu einem durchaus tauglichen Beweisthema beantragt. Mit der Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben des Arbeitsinspektorates hat dies zunächst nichts zu tun, konnte doch die Beweiswürdigung erst nach Einvernahme des Zeugen Gerhard K. Platz greifen. In diesem Zusammenhang sei vermerkt, daß es Pflicht der Behörde ist, einen allenfalls unwilligen Zeugen zum Erscheinen und zur Aussage zu zwingen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0030).

Da es sohin nicht ausgeschlossen ist, daß die belangte Behörde bei Einvernahme des Zeugen Gerhard K. hinsichtlich dieses Spruchpunktes zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war mangels Erforderlichkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung abzuweisen.

II. Zu den Spruchpunkten 2. bis 5.:

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates in einer Verwaltungsstrafsache durch Beschluß ablehnen, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der unabhängige Verwaltungssenat von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde (im bezeichneten Umfang) nach dieser Gesetzesstelle sind erfüllt. Es wurde weder jeweils eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde in diesem Umfang hängt auch von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.