VwGH vom 03.12.1997, 96/01/0306

VwGH vom 03.12.1997, 96/01/0306

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Mehmet Uluköylü in Bregenz, vertreten durch Dr. Gerhard Preisl, Rechtsanwalt in Bregenz, Anton-Schneider-Straße 28, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. Ia 370-409/94, in der Fassung des Berichtigungsbescheides dieser Behörde vom , gleiche Zahl, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), ab. Mit Bescheid vom berichtigte die belangte Behörde den erstangeführten Bescheid gemäß § 62 Abs. 4 AVG hinsichtlich zweier in der Begründung dieses Bescheides enthaltener Daten.

Gegen den erstangeführten Bescheid in der Fassung des Berichtigungsbescheides richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungsantrages des Beschwerdeführers damit begründet, daß dieser, ein Staatsangehöriger der Türkei, der seit ununterbrochen den Hauptwohnsitz in Österreich habe, vom Amtsgericht Tettnang mit Urteil vom wegen gemeinschaftlich begangenen, schweren Diebstahls zu einer Geldstrafe von DM 2.000,-- und vom Landesgericht Feldkirch mit Urteilen vom wegen Betruges und schweren Betruges (§§ 12, 15, 146 und 147 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je S 200,-- und vom wegen des Gebrauchs gefälschter Urkunden (§ 223 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je S 270,-- verurteilt worden sei. Weiters seien gegen den Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz in den Jahren 1987 und 1988 wegen 15 Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 10.550,-- verhängt worden. Die drei gerichtlich geahndeten, vorsätzlich begangenen Straftaten, bei denen jeweils Bestimmungen zum Schutz des Eigentums verletzt worden seien und die somit auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten, zeigten die negative Einstellung des Beschwerdeführers zu den zum Schutz der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassenen Bestimmungen. Auf Grund der mehrmaligen Verletzung des Gastrechtes des ihn beherbergenden Landes und der wiederholten, gröblichen Verstöße gegen strafrechtliche Bestimmungen biete der Beschwerdeführer, auch wenn er sich seit mehreren Jahren wohlverhalten habe, noch keine ausreichende Gewähr dafür, daß er auch in Zukunft keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen werde. Der Beschwerdeführer erfülle daher die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht, weshalb der Verleihungsantrag abzuweisen gewesen sei.

Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde zunächst geltend, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, daß die von ihm begangenen, gerichtlich bestraften Verstöße nicht als schwerwiegend zu beurteilen seien, weil er jeweils nur zu Geldstrafen verurteilt und die 1988 ausgesprochene Strafe lediglich bedingt verhängt worden sei. Die belangte Behörde habe auch übersehen, daß die zugrundeliegenden Straftaten schon lange vor den Verurteilungen begangen worden seien; so beziehe sich die Verurteilung aus 1988 auf einen Sachverhalt, der sich im Jahre 1986 ereignet habe, und liege der Verurteilung aus 1990 ein im Jahre 1989 verwirklichter Sachverhalt zugrunde. Der Beschwerdeführer habe sich daher schon seit sieben Jahren wohlverhalten und stelle somit keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Aus § 10 Abs. 1 Z. 2 und Z. 4 StbG, die im Fall des Vorliegens einer gerichtlichen Verurteilung eines Einbürgerungswerbers zu einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe, der Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegenstünden, sei abzuleiten, daß nach dem Willen des Gesetzgebers, nur Verurteilungen zu einer mindestens sechsmonatigen Freiheitsstrafe ein Verleihungshindernis darstellen sollten. Auch habe es die belangte Behörde unterlassen, die für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer sprechenden Umstände (langer Aufenthalt in Österreich, Ehe mit einer Österreicherin, österreichische Staatsbürgerschaft seiner Kinder, geordnete Lebensverhältnisse) in Erwägung zu ziehen. In Ausführung der Verfahrensrüge bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, die den Verurteilungen zugrundeliegenden Sachverhalte zu prüfen, und damit gegen die ihr aufgegebene Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes verstoßen. Warum der Beschwerdeführer keine ausreichende Gewähr biete, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darzustellen, habe die belangte Behörde nicht näher dargelegt. Dem Beschwerdeführer sei auch kein Parteiengehör eingeräumt worden, sodaß es ihm nicht möglich gewesen sei, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu beweisen. Schließlich habe die belangte Behörde eine ihr in § 11 StbG bei Ausübung des freien Ermessens aufgegebene Bedachtnahme auf Rücksichten des allgemeinen Wohles, auf die öffentlichen Interessen und auf das Gesamtverhalten der Partei unterlassen.

Gemäß § 10 Abs. 1 StbG kann einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und kein Einbürgerungshindernis nach den Z. 1 bis 8 dieses Absatzes vorliegt. Insbesondere darf gemäß Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bildet. Gemäß § 11 StbG hat sich die Behörde bei der Ausübung des ihr gemäß § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen.

Bei der gemäß § 10 Abs. 1 StbG vorzunehmenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt ist, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/01/1012, und die dort zitierte Judikatur). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hat es die belangte Behörde nicht unterlassen darzulegen, aus welchen Überlegungen und auf welchen Gründen aufbauend sie zu der Auffassung gelangt ist, der Beschwerdeführer biete keine Gewähr dafür, keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu bilden. So hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, daß es sich bei den Straftaten, derentwegen der Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt worden sei, um wiederholte gröbliche, mit Vorsatz begangene und auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Verstöße gegen strafrechtliche Bestimmungen zum Schutz des Eigentums handle, weshalb der Beschwerdeführer keine ausreichende Gewähr biete, daß er auch in Zukunft keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen werde. Die durch diese Ausführungen und den Hinweis auch auf 15 Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes begründete, wenn auch knapp ausgeführte Prognose des künftigen Verhaltens des Beschwerdeführers rechtfertigt den von der belangten Behörde daraus gezogenen Schluß, es liege das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG vor. Angesichts der Vielzahl von Verstößen gegen die Rechtsordnungen seiner Aufenthaltsländer kann der belangten Behörde Rechtswidrigkeit nicht angelastet werden, wenn sie aus dem ins Treffen geführten, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits mehr als sechs Jahre andauernden Zeitraum, in dem sich der Beschwerdeführer keine Straftaten hat zuschulden kommen lassen, sowie unter Berücksichtigung der Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers noch nicht zu einer anderen Beurteilung seines Charakterbildes gelangt ist.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie habe es unterlassen, sich mit den Umständen, die den von ihm begangenen Straftaten zugrundegelegen seien, auseinanderzusetzen, ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bei der Anführung der gegen den Beschwerdeführer verhängten gerichtlichen Bestrafungen nicht nur die Verurteilungen selbst, sondern auch die vom Beschwerdeführer verletzten gesetzlichen Bestimmungen und die den Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten angeführt und diese einer Wertung unterzogen hat. Angesichts der Art der Delikte und der jeweils doch erheblichen Strafhöhe belastet die Unterlassung eines näheren Eingehens auf die Umstände, unter denen der Beschwerdeführer diese Taten begangen hat, den angefochtenen Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit. Auch hat der Beschwerdeführer selbst nicht dargetan, welche Umstände seiner Ansicht nach geeignet gewesen wären, ein für ihn günstigeres Ergebnis herbeizuführen. Zu einer Einholung der Gerichtsakten war die belangte Behörde nicht verpflichtet.

Dem Beschwerdeführer ist auch entgegenzuhalten, daß aus den gerichtlichen Verurteilungen zu Geldstrafen nicht geschlossen werden kann, in solchen Fällen komme wegen der sich in dieser Art der Bestrafung manifestierenden Geringfügigkeit der Straftaten eine negative Prognose der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zuständigen Behörden nicht in Betracht. Vielmehr stellt § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG in keiner Weise darauf ab, ob Geld- oder Freiheitsstrafen verhängt wurden, sodaß für den Bereich dieser Gesetzesstelle von einer Geldstrafe grundsätzlich die gleichen Wirkungen wie von einer Freiheitsstrafe ausgehen können.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann auch aus § 10 Abs. 1 Z. 2 und 4 StbG nicht abgeleitet werden, daß das Verleihungshindernis des Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen nur dann in Frage kommen könne, wenn Verurteilungen zu sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafen vorlägen. Vielmehr handelt es sich bei dem in Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen normierten Tatbestand um einen solchen, der ein eigenständiges Verleihungshindernis ohne Bedachtnahme auf andere Verleihungshindernisse umschreibt. Maßgeblich ist im Fall des Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen die sich aus den Straftaten eines Einbürgerungswerbers ergebende Prognose über sein künftiges Verhalten, während in den Fällen der Ziffern 2 und 4 dieses Absatzes bereits die gerichtliche Verurteilung zu einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe das Verleihungshindernis zur Folge hat.

Weder dem Spruch noch der Begründung des angefochtenen Bescheides kann ein Hinweis darauf entnommen werden, daß die belangte Behörde ihrer Entscheidung § 11 StbG zugrundegelegt hätte. Zur Übung des ihr in dieser Gesetzesstelle eingeräumten Ermessens hätte sie nur gelangen können, wenn sie davon ausgegangen wäre, daß der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer kein Hindernis entgegenstehe. Da die belangte Behörde aber, wie sich dem angefochtenen Bescheid eindeutig entnehmen läßt, vom Vorliegen des Verleihungshindernisses des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ausgegangen ist, gehen die gegen die angebliche, auf § 11 StbG gestützte Ermessensübung durch die belangte Behörde gerichteten Einwendungen ins Leere.

Hinsichtlich der ins Treffen geführten, nach Ansicht des Beschwerdeführers für seine Einbürgerung sprechenden Umstände ist festzuhalten, daß diese - ausgenommen die bei der gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG vorzunehmenden Prognose zu berücksichtigende Dauer des Aufenthaltes - allenfalls dann hätten von Bedeutung sein können, wenn die belangte Behörde zu einer Ermessensentscheidung (§ 11 StBG) gelangt wäre. Da dies - wie dargetan in Übereinstimmung mit der Rechtslage - nicht der Fall ist, kann aus der Unterlassung einer Bedachtnahme auf diese Umstände eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht abgeleitet werden.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, es sei ihm kein Parteiengehör eingeräumt worden, ist zunächst festzuhalten, daß der in dieser Hinsicht von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift angeführten, am bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift kein Hinweis darauf zu entnehmen ist, daß diesem das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu seinem Einbürgerungsantrag zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit, hiezu Stellung zu nehmen, geboten worden wäre. Allerdings hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde das Vorliegen der im angefochtenen Bescheid angeführten Bestrafungen bestritten und auch nicht dargelegt, was er vorgebracht hätte, wäre ihm Gelegenheit geboten worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Damit hat der Beschwerdeführer aber die Wesentlichkeit des der belangten Behörde angelasteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag somit insgesamt darin, daß die belangte Behörde angesichts des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers davon ausgegangen ist, der Verleihung der Staatsbürgerschaft stehe das in § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG normierte Einbürgerungshindernis entgegen, Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.