VwGH vom 16.02.2000, 96/01/0233
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des JL in F, vertreten durch Mag. Martin Mennel, Rechtsanwalt in Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. 2-005/93/E2, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers wegen behaupteter Rechtswidrigkeit einer Hausdurchsuchung sowie wegen Verletzung des Rechtes auf persönliche Freiheit gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurück und gab gleichzeitig dem Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers gemäß § 79a AVG keine Folge.
Mit Beschluss vom , B 1791/94, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde ab und trat diese gleichzeitig dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigebrachten Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen.
Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines wegen des Verdachtes nach §§ 214, 215, 216 StGB und § 33 Finanzstrafgesetz ergangenen richterlichen Befehls am gegen 16.30 Uhr von Gendarmeriebeamten in vorläufige Verwahrung genommen und anschließend in sein Haus verbracht worden sei, wo in Anwesenheit von Finanzbeamten eine Hausdurchsuchung stattgefunden habe, in deren Verlauf auch mehrere Gegenstände des Beschwerdeführers beschlagnahmt worden seien. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer zum Gendarmerieposten V. überführt worden, wo die Vorerhebungen fortgesetzt worden seien. Am sei der Beschwerdeführer um 16.15 Uhr über Antrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch und Aufforderung der zuständigen Untersuchungsrichterin auf freien Fuß gesetzt worden. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in ihrer gesamten Dauer sei ebenso wie die Hausdurchsuchung durch richterliche Befehle gedeckt gewesen. Die Modalitäten und näheren Umstände, unter denen die Hausdurchsuchung erfolgt sei, stellten keine vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat bekämpfbaren Maßnahmen dar. Vielmehr sei die Vorgangsweise bei Durchführung einer auf richterlichem Befehl beruhenden Hausdurchsuchung dem Gericht zuzurechnen. Eine Überschreitung des Hausdurchsuchungsbefehls habe auch nicht dadurch stattgefunden, dass für die Untersuchung nicht bedeutsame Gegenstände beschlagnahmt worden seien, weil dieser Befehl auf eine umfassende Untersuchung und gegebenenfalls Sicherstellung aller für die gerichtlichen Erhebungen in Betracht kommenden Gegenstände abgezielt habe. Aus der ins Treffen geführten Verzögerung der Hausdurchsuchung infolge der Abnahme eines vom Vertreter des Beschwerdeführers verwendeten Films ergebe sich keine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers, weil dieser Vorfall keinen unmittelbaren Einfluss auf die Gesamtdauer der vorläufigen Verwahrung gehabt habe.
Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Demgegenüber können Akte von Verwaltungsbehörden, die in Durchführung richterlicher Befehle gesetzt werden, dann nicht dem Bereich der Hoheitsverwaltung zugeordnet werden, wenn es sich um Angelegenheiten der Gerichtspolizei im engeren Sinn handelt; das sind in der StPO vorgesehene Akte, bei denen eine unmittelbare Heranziehung von Sicherheitsorganen durch gerichtliche Organe möglich ist, so zB bei der Vollstreckung eines richterlichen Befehls zur Hausdurchsuchung - §§ 139 ff in Verbindung mit § 24 StPO, zur Verhaftung - §§ 174 ff in Verbindung mit § 24 StPO, oder im Rahmen der Sitzungspolizei; dazu kommt noch die Tätigkeit von Exekutivorganen im Zug einer gerichtlichen Vollstreckung nach der Exekutionsordnung. In solchen Fällen hat die Zuordnung der von Verwaltungsorganen gesetzten Handlungen zur Gerichtsbarkeit zu erfolgen und sind als solche richterlicher Hilfsorgane oder als abgeleitete richterliche Akte zu qualifizieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/01/0120, mit weiteren Nachweisen). Ein derartiger richterlicher Befehl und dessen tatsächliche Ausführung, auch wenn diese durch Verwaltungsorgane vorgenommen wird, sind als Einheit zu sehen. Demgemäß sind die auf Grund eines solchen richterlichen Befehls von Verwaltungsorganen vorgenommenen Akte zur Durchführung dieses Befehles - solange die Verwaltungsorgane den ihnen durch den richterlichen Befehl gestellten Ermächtigungsrahmen nicht überschreiten - funktionell der Gerichtsbarkeit zuzurechnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/01/0940, mwN).
Wenn der Beschwerdeführer darin eine die Zuständigkeit der belangten Behörde begründende Überschreitung des richterlichen Auftrags durch die einschreitenden Beamten des Gendarmeriepostens Bregenz-Vorkloster erblickt, dass der Hausdurchsuchungsbefehl nicht zugestellt und dass keine ordnungsgemäße Niederschrift aufgenommen worden sei, so ist ihm zu entgegnen, dass eine Hausdurchsuchung auf Grund gerichtlicher Anordnung gleichwohl der Akt eines Gerichtes bleibt und deshalb der Überprüfung durch die unabhängigen Verwaltungssenate selbst dann entzogen ist, wenn bei Durchführung der gerichtlichen Anordnung eine Gesetzwidrigkeit unterläuft; die Modalitäten und die näheren Umstände, unter denen eine Hausdurchsuchung erfolgte, sind keine vor den unabhängigen Verwaltungssenaten selbständig bekämpfbaren Maßnahmen. Bei einer auf Grund eines richterlichen Befehls durchgeführten Hausdurchsuchung ist auch die Vorgangsweise bezüglich des Hausdurchsuchungsbefehls dem Gericht zuzurechnen (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 97/01/1084, 1085 und 1087, mit weiteren Nachweisen sowie sinngemäß die Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes zur Rechtslage vor Einrichtung der unabhängigen Verwaltungssenate vom , Slg. Nr. 11.098, und vom , Slg. Nr. 11.783). Allfällige Verletzungen der Bestimmungen der §§ 141 und 142 StPO können damit ebensowenig im Wege einer Maßnahmenbeschwerde aufgegriffen werden. Lediglich ein Einschreiten der Organe, durch das der Rahmen des richterlichen Auftrages offenkundig überschritten wird, könnte als Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und damit als ein der Verwaltungsbehörde zuzurechnendes Handeln angesehen werden (vgl. zB den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. Nr. 11524). Ein derartiger Exzess kann aber weder dem Beschwerdevorbringen noch den Verwaltungsakten entnommen werden.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass seine vorläufige Verwahrung durch richterlichen Befehl angeordnet und auch wieder aufgehoben wurde. Die Ausführung dieser auf den §§ 174 ff StPO beruhenden richterlichen Befehle stellt sich als Angelegenheit der Gerichtspolizei im engeren Sinn dar. Daraus folgt, dass auch das mit der vorläufigen Verwahrung des Beschwerdeführers in Zusammenhang stehende Verhalten der Sicherheitswacheorgane dem Gericht zuzurechnen ist. Dafür, dass infolge der angeführten Abnahme des vom Vertreter des Beschwerdeführers verwendeten Films sich die Beendigung der vorläufigen Verwahrung verzögert hätte, hat der Beschwerdeführer keinerlei Anhaltspunkte vorgebracht.
Ebensowenig kann aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer vor seiner Entlassung noch einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen wurde, abgeleitet werden, dies habe - weil diese Behandlung schon früher hätte durchgeführt werden können - eine durch den richterlichen Befehl nicht mehr gedeckte Verzögerung der Entlassung aus der vorläufigen Verwahrung dargestellt. Der Beschwerdeführer hat auch nicht dargelegt, ob und inwiefern im Fall einer früheren Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung eine Verkürzung der Anhaltung hätte erreicht werden können, oder dass er etwa erst nach dem hiefür richterlich angeordneten Zeitpunkt aus der vorläufigen Verwahrung entlassen worden wäre.
Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde geltend macht, er habe sich am bereits vor 16.30 Uhr - faktisch in Verwahrungshaft befunden, weshalb der in § 177 Abs. 1 StPO für die höchstzulässige Dauer der vorläufigen Verwahrung normierte Zeitraum von 48 Stunden überschritten worden sei, steht einer Behandlung dieses Vorbringens - abgesehen davon, dass zufolge des richterlichen Auftrages auch in dieser Hinsicht ein solches Vorgehen dem Gericht zuzurechnen wäre - das gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegen.
Daraus ergibt sich zusammenfassend, dass die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen konnte, dass die eingeschrittenen Verwaltungsorgane den Rahmen des zu Grunde liegenden richterlichen Befehls nicht überschritten haben, weshalb die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde auch zu Recht zurückgewiesen hat. Die sich sohin insgesamt als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am