VwGH vom 03.09.2002, 2002/03/0072
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2002/03/0073
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerden 1. der I und 2. der W, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Nikolaus Schindler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 24, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 64 - UB 19/2001, betreffend eisenbahnrechtliche Baugenehmigung (mitbeteiligte Partei: W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerden und der diesen angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 17 EisenbahnG unter Berücksichtigung der Ergebnisse des durchgeführten Bürgerbeteiligungsverfahrens nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) die eisenbahnrechtliche Konzession zum Bau und Betrieb der U-Bahn-Linie U 1 (U1-Nord), Streckenabschnitt Kagran bis Leopoldau mit anschließender Wende- und Abstellanlage verliehen. Diese Konzession umfasst auch den vom angefochtenen Bescheid erfassten U-Bahn-Streckenabschnitt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Mitbeteiligten gemäß § 35 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 und 2 EisenbahnG "unter der Voraussetzung der Erwerbung der erforderlichen Rechte" und unter Vorschreibung bestimmter Bedingungen und Auflagen die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für den bautechnischen Ausbau inklusive Bauhilfsmaßnahmen (sowohl für die Kunstbauten, tiefbaumäßigen Maßnahmen, Hochbauten, bautechnische Anordnung der maschinentechnischen und elektrotechnischen Anlagen wie z. B. Lifte, Aufzüge, Betriebsräume udgl.) und gemäß §§ 35 und 36 Abs. 1 EisbG für den Oberbau der U-Bahnlinie U1-Nord im
3. Bauabschnitt 'Aderklaaer Straße' mit den Streckenabschnitten vom Bauabschnitts-Anfang (Martin-Gaunerstorfer-Gasse) über die Station 'Aderklaaer Straße' bis zum Bauabschnitts-Ende (Julius-Ficker-Straße), nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Pläne und der technischen Berichte (Entwurfsgleichstücke 1-45) erteilt (Spruchpunkt I.A).
Die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen wurden in den Spruchpunkten I.B.6. und 7. teils als unzulässig zurückgewiesen, auf den Zivilrechtsweg verwiesen bzw. als unbegründet abgewiesen. Die Erstbeschwerdeführerin ist Eigentümerin und die Zweitbeschwerdeführerin dinglich Berechtigte einer näher angeführten, vom Bauvorhaben betroffenen, Liegenschaft.
Zu der Interessenabwägung gemäß § 35 Abs. 3 EisbG führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, dass die grundsätzlichen Vorteile einer U-Bahnlinie im dicht verbauten Gebiet evident seien und keiner weiteren Erörterung bedürften. Unter Vorteil für die Öffentlichkeit sei jedenfalls zu verstehen, dass die Trassenführung auf die Bedürfnisse der Fahrgäste ausgerichtet werde; dazu zählten beispielsweise eine hohe Fahrgeschwindigkeit der U-Bahnzüge, günstige Umsteigrelationen und die Errichtung von Stationsbauwerken in Gebieten hohen Fahrgastaufkommens mit den zur Erschließung des Eingangsbereiches erforderlichen Aufgängen. Als Vorteil für die Öffentlichkeit sei auch eine möglichst ökonomische Bauführung zu werten, die vor allem durch entsprechende Linienführung und Baumethode realisiert werden könne. Die belangte Behörde könne daher nur zu dem Schluss kommen, nämlich dass die im vorliegenden Fall für die Öffentlichkeit durch die Errichtung der gegenständlichen, geplanten U-Bahnstrecke gebotenen Vorteile, jedenfalls die dabei einzelnen Liegenschaftseigentümern und sonstigen dinglich Berechtigten entstehenden Nachteile überwögen, mag dies von jeweiligen Betroffenen (naturgemäß) anders empfunden und beurteilt werden.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden wurde mit Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1689/01-3 bzw. 1688/01-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In den nach Aufforderung ergänzten Beschwerden wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerinnen erachten sich insbesondere in dem Recht verletzt, "durch Baubewilligung und Bau möglichst wenig Nachteile erleiden zu müssen".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die auf Grund des sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 32 Abs. 1 Eisenbahngesetz, BGBl. Nr. 60/1957 (im Folgenden: EisbG), ist für den Bau von neuen und für Veränderungen bestehender Eisenbahnanlagen ein Bauentwurf aufzustellen. Die Behörde bestimmt, welche Unterlagen aus technischen oder verfahrensrechtlichen Gründen nach den Erfordernissen des Falles vorzulegen sind.
Gemäß § 34 Abs. 4 EisbG sind Parteien im Sinne des § 8 AVG insbesondere der Bauwerber, die Eigentümer der betroffenen Liegenschaften, die an diesen dinglich Berechtigten, die Wasserberechtigten und die Bergwerksberechtigten. Betroffene Liegenschaften sind außer den durch den Bau selbst in Anspruch genommenen Liegenschaften auch die, die in dem Bauverbotsbereich (§ 38) oder in dem Feuerbereich (§ 40) zu liegen kommen, sowie die, die wegen ihrer Lage im Gefährdungsbereich (§ 39) Veränderungen oder Beschränkungen unterworfen werden müssen.
Gemäß § 35 Abs. 2 EisbG ist in der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung über alle gegen das Bauvorhaben erhobenen Einwendungen sowie über alle sonst vom Bauvorhaben berührten Interessen zu entscheiden, soweit es sich nicht um zivilrechtliche Ansprüche handelt; diese sind auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Einwendungen, die eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte zum Inhalt haben, sind gemäß § 35 Abs. 3 EisbG als unbegründet abzuweisen, wenn der durch die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer ist als der Nachteil, der der Partei durch die Genehmigung des Bauvorhabens erwächst.
Die Beschwerdeführerinnen wenden sich dagegen, dass die Bewilligung unter der Voraussetzung der Erwerbung der erforderlichen Rechte erteilt worden sei. Diese Bewilligung lasse nicht nachvollziehbar erkennen, ob und wann die Baubewilligung wirksam sei oder nicht. Diese Nebenbestimmung sei keine Bedingung und keine Auflage. Die Behörde könne weder eine Aufhebung noch eine Abänderung, eine Überprüfung noch überhaupt die Einleitung irgendeines Verfahrens auf diese Klausel stützen. Der Inhalt und die Erfüllung der Klausel sei für die Beschwerdeführerinnen im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit, den Inhalt, die Folgen und den Rechtsschutz nicht überprüfbar.
Diesen Bedenken der Beschwerdeführerinnen kann nicht gefolgt werden. Für eine Bedingung ist es charakteristisch (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 91/10/0028, und die dort angeführte Literatur), dass der Bestand der Bewilligung vom ungewissen Eintritt eines künftigen Ereignisses, sei es aufschiebend, sei es auflösend, abhängt. Eine aufschiebende Bedingung liegt vor, wenn das Wirksamwerden der Bewilligung vom ungewissen Eintritt eines künftigen Ereignisses abhängig ist. Wenn die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung "unter der Voraussetzung der Erwerbung der erforderlichen Rechte" erteilt wurde, handelt es sich dabei um eine aufschiebende Bedingung. Erst wenn die Mitbeteiligte privatrechtlich über die von der vorliegenden eisenbahnrechtlichen Genehmigung betroffenen Grundstücken entsprechend verfügungsberechtigt ist, wird die erteilte Baubewilligung gemäß ihrem Wortlaut in Spruchpunkt I.A. erster Satz wirksam und darf erst dann realisiert werden. Eine Partei des eisenbahnrechtlichen Verfahrens im Sinne des § 34 Abs. 4 leg. cit, die - wie im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerinnen, nicht Bauwerber ist - kann durch eine solche aufschiebende Bedingung jedenfalls nicht in Rechten verletzt werden. Gegen die Zulässigkeit eines derartigen Ausspruches bestehen im Übrigen keine Bedenken (vgl. Kühne-Hofmann-Nugert-Roth, Eisenbahnenteignungsgesetz u.a., 1982, 351).
Die Beschwerdeführerinnen erachten es weiter als rechtswidrig, dass alternative Trassen, die sie weniger beeinträchtigen würden, von der Behörde nicht erwogen worden seien, obwohl von ihnen im Bürgerbeteiligungsverfahren und bei den Einwendungen im Bauverfahren Derartiges vorgebracht worden sei. Bei der Abwägung gemäß § 35 Abs. 3 leg. cit. hätte ein Vergleich mehrerer Projektvarianten stattfinden müssen, bei der jene Projekte vorgezogen hätten werden müssen, die besser als die anderen die Erreichung der öffentlichen Interessen versprächen und den Nachteil des Einzelnen am wenigsten begründeten. Eine gesetzmäßige Abwägung müsste immer eine Entscheidung zwischen Alternativen sein. Es sei auch rechtswidrig, wenn die Behörde meint, über eine alternative Trassierung nicht entscheiden zu dürfen, da im Rahmen des Konzessionsverfahrens bereits eine Entscheidung stattgefunden habe.
Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Der Antragsteller legt im Verwaltungsverfahren die Trassenführung durch die Einreichung des Bauentwurfes im Sinne des § 32 EisbG fest. Im Rahmen dieses Antrages hat die Behörde die Bewilligung zu erteilen oder zu versagen. Eine andere als die beantragte Trassenführung ist nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahren. Die belangte Behörde konnte somit über alternative Trassen und somit andere Projekte im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/03/0191). Selbst wenn das in diesem Zusammenhang auch verwendete Argument der belangten Behörde, dass mit dem angeführten Konzessionsbescheid die Trasse verbindlich festgelegt worden sei und daher keine neuerliche Prüfung diesbezüglich möglich sei, zu Unrecht herangezogen worden wäre, könnten die Beschwerdeführerinnen dadurch aus den vorangegangenen Erwägungen jedenfalls nicht in Rechten verletzt sein. Im Rahmen der gemäß § 35 Abs. 3 leg. cit. gebotenen Interessenabwägung können Parteien des eisenbahnrechtlichen Verfahrens geltend machen, dass das in Aussicht genommene Projekt in anderer, für den betroffenen Grundstückseigentümer und Beschwerdeführer in einer weniger nachteiligen Weise ausgeführt werden kann (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis). Das wiedergegebene Vorbringen der Beschwerdeführerinnen stellt aber nicht eine derartige Einwendung dar, das in Aussicht genommene Projekt in einer anderen Variante durchzuführen, sondern betrifft andere Trassen. Die belangte Behörde hat zutreffend den Vorteil für die Öffentlichkeit, der aus dem verfahrensgegenständlichen Projekt resultiert, mit den aus diesem Projekt resultierenden Nachteilen abgewogen, eine solche Abwägung hat nicht in Bezug auf ein anderes Projekt zu erfolgen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis).
Weiters machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass die durch ihre Betroffenheit nach EisbG "angesprochenen" subjektiven öffentlichen Rechte nicht den Zivilgerichten zuzuweisen gewesen seien. Der Eingriff in ihr Eigentum, die Immissionen und Emissionen ihnen und ihren Arbeitnehmern gegenüber seien zu Unrecht als im Bürgerbeteiligungsverfahren ausreichend behandelt angesehen worden. Der vorliegende Bescheid sei gesetzwidrig, wenn er den Beschwerdeführerinnen als Anrainerinnen der U-Bahn nach EisbG verweigere, sie vor Lärm, Erschütterungen udgl. Immissionen "jeder Art" zu schützen und allein auf die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs abzustellen. Dieser Rechtsmangel werde noch dadurch verstärkt, dass Korrekturen und Ergänzungen des Projekts samt Plan offenbar noch nach dem Konzessionsverfahren und selbst nach Schluss der Verhandlung im Bauverfahren vorgenommen worden seien.
Festzustellen ist zunächst, dass die Beschwerdeführerinnen unbestritten Parteien des eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahrens gemäß § 34 Abs. 1 EisbG sind (die Erstbeschwerdeführerin als an einem vom Eisenbahnbauvorhaben betroffenen Grundstück dinglich Berechtigte, die Zweitbeschwerdeführerin als Eigentümerin eines solchen Grundstückes). Sofern sich die Beschwerdeführerinnen ganz allgemein auf ihre Betroffenheit durch das verfahrensgegenständliche Eisenbahnprojekt berufen, ist ihnen zu erwidern, dass u.a. ein Eigentümer einer von einem Eisenbahnvorhaben betroffenen Liegenschaft bzw. ein sonst dinglich Berechtigter zwar als Partei des eisenbahnrechtlichen Bauverfahrens Einwendungen erheben kann, die eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte zum Inhalt haben (u.a. im Hinblick auf das im § 35 Abs. 3 EisbG normierte Erfordernis des Überwiegens öffentlicher Interessen auch die mit dem Projekt verbundenen Nachteile). Allerdings kann eine Partei erfolgreich nur solche Nachteile einwenden, durch die sie unmittelbar beeinträchtigt ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ). Die Beschwerdeführerinnen führen nun in ihrer Beschwerde keinen solchen Nachteil an, durch den sie unmittelbar im dargelegten Sinne beeinträchtigt wären. Sofern sich die Beschwerdeführerinnen in diesem Zusammenhang ganz allgemein auf Immissionen und Emissionen des Vorhabens ihnen und ihren Arbeitnehmern gegenüber berufen, ist ins Treffen zu führen, dass sich derartige Einwendungen gemäß der hg. Judikatur (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/03/0069) auf keine subjektiven öffentlichen Rechte beziehen, weil sie nicht auf einer aus öffentlich-rechtlichen Regelungen erwachsenen Rechtsstellung beruhen. Derartige Einwendungen können auch im Hinblick auf allfällige nach dem Konzessionsverfahren und nach Schluss der Verhandlung im Bauverfahren vorgenommene Korrekturen und Ergänzungen des Projektes keine subjektiv-öffentlichen Rechte gemäß dem EisbG betreffen.
Da bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am