VwGH vom 28.06.2002, 2002/02/0138
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des (1982 geborenen) EE, vertreten durch Dr. Andreas Natterer, Rechtsanwalt in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , Zl. IV-1063797/FrB/02, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie der Abschiebung angeordnet. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Gerichtshaft eintreten.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer befinde sich derzeit nicht bloß kurzfristig in Haft, weil er am wegen des Verdachtes nach § 28 Abs. 3 Suchtmittelgesetz zur Anzeige gebracht und festgenommen worden sei. In weiterer Folge sei über ihn die Untersuchungshaft verhängt worden. Der Beschwerdeführer sei im Juni 2001 "illegal ohne Reisepass" in das Bundesgebiet eingereist und habe "in Traiskirchen" einen Asylantrag eingebracht. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten; zu Österreich bestünden weder familiäre noch berufliche Bindungen. Der Beschwerdeführer habe in Österreich nicht gearbeitet und sei von Freunden finanziell unterstützt worden. Er verfüge über keinerlei Barmittel. Er sei im Bundesgebiet "derzeit" polizeilich nicht gemeldet. Sein Verhalten lasse "klar erkennen", dass er nicht gewillt sei, österreichische Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Interessenabwägung falle gegen ihn aus. Die Anwendung gelinderer Mittel sei im Fall des Beschwerdeführers auszuschließen gewesen, da auf Grund seines bisherigen Verhaltens die Annahme gerechtfertigt sei, dass er sich den weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde und somit der Zweck der Schubhaft nicht erreicht werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 61 Abs. 1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.
Nach Abs. 2 leg. cit. ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.
Der Beschwerdeführer erachtet das Verfahren zur Verhängung einer Schubhaft für verfassungsrechtlich bedenklich; die Schubhaft könne ohne Ermittlungsverfahren angeordnet werden, wogegen ordentliche Rechtsmittel nicht zur Verfügung stünden. Damit widerspreche das Verfahren zur Verhängung der Schubhaft in der derzeitigen Ausgestaltung den Verfahrensgarantien des Art. 6 MRK. Der Beschwerdeführer regt eine Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof an.
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde - offenbar anders als der Beschwerdeführer meint - gerade davon ausgegangen ist, dass er sich nicht nur kurzfristig in Haft befinden werde und demzufolge - wie aus dem Spruch des bekämpften Bescheides in Verbindung mit der Begründung klar hervorgeht - ihren Bescheid nicht auf § 57 AVG gestützt und diesem offenbar das Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens zu Grunde gelegt hat. Damit aber sind die vom Beschwerdeführer als verfassungsrechtlich bedenklich angesehenen Bestimmungen gerade im Beschwerdefall - zutreffend - nicht herangezogen worden, sodass sich der Verwaltungsgerichtshof schon aus diesem Grunde mangels Präjudizialität nicht veranlasst sieht, die Anregung des Beschwerdeführers betreffend einer Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof aufzugreifen.
Der Beschwerdeführer erblickt weiters eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides darin, es sei dessen Begründung in keiner Weise zu entnehmen, dass ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bereits eingeleitet worden sei; die Verhängung der Schubhaft sei aber nur dann zulässig, wenn bereits ein Verfahren auf Aufenthaltsbeendigung eingeleitet worden sei (Hinweis auf Wiederin, Voraussetzungen der Schubhaft, ZUV 1996, 14).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem zur vergleichbaren Rechtslage nach dem FrG 1992 ergangenen Erkenntnis vom , Zl. 95/02/0146, ausgesprochen hat, ist es zur Erlassung eines Schubhaftbescheides keineswegs rechtlich erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bereits eingeleitet worden ist. Es genügt, dass Grund zur Annahme besteht, ein derartiges künftiges Verfahren werde zu sichern sein, weil die Gefahr bestehe, dass sich der betreffende Fremde diesem Verfahren entziehen werde. Der Beschwerdeführer (im Verfahren zur hg. Zl. 95/02/0146) übersehe, dass in den seltensten Fällen bei Aufgreifen eines abzuschiebenden Fremden ein derartiges Verwaltungsverfahren bereits eingeleitet worden sein könne.
Die Ausführungen von Wiederin (a.a.O.) bieten keinen Anlass, von dieser auch für das FrG 1997 anwendbaren Rechtsprechung abzugehen.
Im Hinblick auf diese Erwägungen liegt in der unterlassenen Bezugnahme auf ein (konkretes) Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder ein solches zur Erlassung einer Ausweisung im angefochtenen Bescheid weder eine Rechtswidrigkeit seines Inhaltes noch die gleichfalls gerügte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (Begründungsmangel).
Eine (weitere) Rechtswidrigkeit des Inhalts des bekämpften Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, dass die Schubhaft als Rechtsfolge des angefochtenen Bescheides erst nach seiner Entlassung aus der "Gerichtshaft" eintreten solle; damit verschiebe die belangte Behörde die Vollstreckbarkeit des Schubhaftbescheides auf einen unbestimmten Zeitpunkt in die Zukunft, was unzulässig sei. Entweder bestehe die Gefahr, dass sich der Fremde einem im § 61 Abs. 1 FrG genannten Verfahren entziehen wolle, in diesem Fall sei die Schubhaft mit sofortiger Wirkung zu verhängen, oder es bestehe diese Gefahr nicht, was die Verhängung einer Schubhaft unzulässig mache. An der Erforderlichkeit der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens mangle es jedenfalls, wenn dem Betroffenen bereits aus anderen Gründen seine persönliche Freiheit entzogen sei (Hinweis auf Wiederin a. a.O., 15).
Dieses Vorbringen ist schon deshalb verfehlt, weil die Schubhaft im vorliegenden Fall auch zur Sicherung der Abschiebung verhängt wurde.
Soweit der Beschwerdeführer auf die Gefahr, dass sich der Fremde einem im § 61 Abs. 1 FrG genannten Verfahren entziehen wolle, Bezug nimmt und hiebei auf den Entscheidungszeitpunkt abstellt, ist ihm zu erwidern, dass die belangte Behörde vom Bestehen eben dieser Gefahr ausgegangen ist; nach den eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers hat sie aber dann die Schubhaft anzuordnen, wobei allfällige Sachverhaltsänderungen bis zur tatsächlichen Inschubhaftnahme allenfalls zu einer neuerlichen Entscheidung der Behörde führen können. Sollte der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen jedoch gemeint haben, dass eine (gerichtliche) Untersuchungshaft durch die Schubhaft zu unterbrechen wäre, kann dem Gesetz schon im Hinblick auf die verschiedenen Haftzwecke eine derartige Absicht nicht unterstellt werden.
Wenn der Beschwerdeführer weiters vorbringt, die Verhängung der Schubhaft sei auch deswegen unzulässig gewesen, weil er bereits anlässlich seiner Überführung in das Flüchtlingslager Traiskirchen einen Asylantrag gestellt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Es entspricht nämlich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass auch auf Asylwerber die Bestimmungen über die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung (wie dies im vorliegenden Fall ausgesprochen wurde) Anwendung finden. Die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigende Bestimmung des § 21 Abs. 1 AsylG erklärt nämlich, dass auf Asylwerber das Fremdengesetz insgesamt anzuwenden ist, (u.a.) die Bestimmungen der §§ 61 bis 63 (Schubhaft) jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie ihren Antrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben oder den Antrag anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/02/0089, mwN). Dass der Beschwerdeführer diese Voraussetzungen erfüllte, lässt sich seinem Vorbringen gerade nicht entnehmen.
Schließlich rügt der Beschwerdeführer noch, dass konkrete Anhaltspunkte dafür, warum er sich einem allfälligen Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung entziehen wolle, dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen seien. Der Beschwerdeführer lässt in seinen Ausführungen aber jedenfalls unbestritten, dass er sich ohne polizeiliche Meldung in Österreich aufgehalten hat und im konkreten Verdacht stehe, gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen zu haben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte die Behörde aber schon deshalb mit Recht annehmen, der Beschwerdeführer werde sich dem behördlichen Zugriff entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/02/0491, zur Rechtslage nach dem FrG 1992). Auch der vorliegende Beschwerdefall bietet keinen Anlass, das Bestehen einer derartigen Gefahr zu verneinen. Auf die in der Beschwerde angesprochene Frage des (Nicht-)Vorliegens von Barmitteln typischerweise bei Asylwerbern braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am