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VwGH vom 21.05.1996, 93/08/0238

VwGH vom 21.05.1996, 93/08/0238

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der L in E, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom , Zl. VIII/1-1882/1-1993, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 34 Abs. 1 BSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1030 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren auf Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG) fest, daß die Beschwerdeführerin vom bis laufend in der Krankenversicherung der Bauern pflichtversichert sei. Weiters wurde in diesem Bescheid ausgesprochen, daß die Beschwerdeführerin für die Zeit vom bis für die nachzuzahlenden Beiträge zur Krankenversicherung gemäß §§ 34 Abs. 1 und 16 Abs. 1 BSVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 10.670,60 zu entrichten habe. Begründet wurde der Bescheid im wesentlichen damit, daß der von der Beschwerdeführerin geführte Betrieb den Einheitswert von S 13.000,-- erreiche bzw. übersteige und sie deshalb ab nach dem BSVG krankenversichert sei, zumal ein Ausnahmegrund nicht vorliege. Laut Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sei die Beschwerdeführerin bis nach den Bestimmungen des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG) krankenversichert gewesen. Eine Anmeldung zur Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG sei von der Beschwerdeführerin allerdings nicht erstattet worden.

Die Beschwerdeführerin erhob lediglich gegen die Verhängung eines Beitragszuschlages Einspruch. Die Tatsache, daß sie seit in der Krankenversicherung der Bauern pflichtversichert sei, sei "evident". Eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nach dem Bauern-Krankenversicherungsgesetz sei jedoch von ihr bereits am erstattet worden. Der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt sei die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ebenfalls krankenversichert gewesen sei, von Anfang an bekannt gewesen. Aus diesem Grund habe die Beschwerdeführerin auch keine Krankenversicherungsbeiträge an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt zu entrichten gehabt. Die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe am geendet, sodaß ab die bisher bloß "ruhende" Krankenversicherung bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt aktuell geworden sei. Der Beschwerdeführerin unter diesen Umständen eine "Nichterstattung" der Anmeldung zur Pflichtversicherung vorzuwerfen und ihr deswegen einen Beitragszuschlag aufzuerlegen, sei gesetzwidrig; jedenfalls hätte der Beitragszuschlag geringer ausfallen müssen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der bekämpfte Teil des Bescheides der Behörde erster Instanz bestätigt. Begründend wurde ausgeführt, daß die zwischen den Parteien des Einspruchsverfahrens strittige Frage der Vorschreibung eines Beitragszuschlages zunächst davon abhänge, ob die Beschwerdeführerin der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt den Wegfall ihrer Krankenversicherungspflicht nach dem GSVG hätte mitteilen müssen. Unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/08/0206, sei der Beschwerdeführerin durch die Nichtmeldung des Wegfalles des Ausnahmegrundes von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG eine Meldepflichtverletzung nach § 16 Abs. 1 erster Halbsatz BSVG vorzuwerfen. Gehe man von der Funktion der Beitragszuschlagsvorschreibung (Ausgleich des durch die Nichtbezahlung der Beiträge zum vorgeschriebenen Zeitpunkt eingetretenen Nachteils mittels Vorschreibung der Verzugszinsen; Ausgleich des durch den Meldeverstoß verursachten Verwaltungsmehraufwandes) aus, so sei die Vorschreibung eines Beitragszuschlages in der Höhe von 15,5 % (Verzugszinsen 10,5 %, Verwaltungsmehraufwand 5 %) der nachzuzahlenden Beiträge - innerhalb der objektiven Grenze von bis zur Höhe der nachzuzahlenden Beiträge - der Art des Meldeverstoßes und damit dem Verschulden der meldepflichtigen Beschwerdeführerin an diesem Verstoß insoferne angemessen, als einerseits offensichtlich ein erstmaliger derartiger Meldeverstoß vorliege und andererseits diese Höhe des Beitragszuschlages bei nachzuzahlenden Beiträgen als Untergrenze zu bewerten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 34 Abs. 1 BSVG bestimmt:

"(1) Wird die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht oder verspätet erstattet, kann der Versicherungsträger den gemäß § 16 meldepflichtigen Personen einen Beitragszuschlag bis zur Höhe des nachzuzahlenden Beitrages vorschreiben."

§ 16 Abs. 1 (dieser in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 678/1991) und 2 BSVG lauten:

"(1) Die in § 2 Abs. 1 Z. 1 genannten Personen haben für sich selbst und für die in § 2 Abs. 1 Z. 2 bezeichneten Personen binnen einem Monat nach Eintritt der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung beim Versicherungsträger eine Anmeldung zu erstatten und die angemeldeten Personen binnen einem Monat nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

(2) Die Meldepflichtigen haben während des Bestandes der Pflichtversicherung jede für diese Versicherung bedeutsame Änderung innerhalb der im Abs. 1 festgesetzten Frist dem Versicherungsträger zu melden."

Gemäß § 5 Abs. 2 Z. 3 BSVG sind Personen von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ausgenommen, die aufgrund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in der Krankenversicherung pflichtversichert sind.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß für die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 2 Abs. 2 BSVG gegeben sind, da sie auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb führt, dessen nach dem Bewertungsgesetz 1955 festgestellter Einheitswert den Betrag von S 13.000,-- übersteigt. Unbestritten ist ferner, daß die Beschwerdeführerin bis einschließlich gemäß § 5 Abs. 2 Z. 3 BSVG von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung wegen des Bestehens einer Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG ausgenommen war. Trotz Vorliegens eines Pflichtversicherungstatbestandes nach § 2 BSVG stand sie deshalb wegen dieses Ausnahmegrundes in keinem Pflichtversicherungsverhältnis nach dem BSVG. Ob die Beschwerdeführerin zufolge des Beginnes ihrer Versicherungs- und Beitragspflicht am gemäß § 16 Abs. 1 BSVG eine Meldepflicht traf, hängt davon ab, ob der Wegfall der Voraussetzungen für die seinerzeitige Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern als "Eintritt der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung" im Sinne des § 16 Abs. 1 BSVG anzusehen ist.

Die Beschwerdeführerin vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, sie habe bereits am eine Anmeldung zur Pflichtversicherung bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt erstattet. Sie sei aber auch bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert gewesen. Von beiden Anstalten seien ihr Beiträge zur Pflichtversicherung vorgeschrieben und von ihr auch bezahlt worden. Von der Tatsache, daß aufgrund der Gesetzeslage eine Krankenversicherung nur bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bestanden habe, hätte sie keine Kenntnis gehabt. Da sie auch keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe, hätte sie nicht gewußt, bei welcher der beiden Anstalten sie krankenversichert gewesen sei. Es sei für sie deswegen nicht erkennbar gewesen, daß sie eine neuerliche Anmeldung zur Krankenversicherung bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt zu erstatten gehabt hätte. Dies umsomehr, als der Gesetzeswortlaut bloß schlechthin von der "Anmeldung zur Pflichtversicherung" spreche und eine solche Anmeldung bereits im Jahre 1971 erstattet worden sei. Von einem juristischen Laien könne nicht verlangt werden, eine diffizile Unterscheidung zwischen der Anmeldung zur Pflichtversicherung überhaupt und einer gesonderten Anmeldung zur Krankenversicherung zu treffen.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin allerdings nicht im Recht.

In dem schon von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0206, hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich die Auffassung vertreten, daß die "im § 2 Abs. 1 Z. 1 genannten Personen" auch eine Anmeldeverpflichtung nach Wegfall eines Ausnahmegrundes gemäß § 5 BSVG trifft. Die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach § 6 Abs. 3 erster Satz beginnt bei Vorliegen eines Ausnahmegrundes gemäß § 5 BSVG trotz eingetretener Voraussetzungen für die Pflichtversicherung nach § 2 BSVG erst mit dem Wegfall eines Ausnahmegrundes. Ähnliches gilt für den Beginn der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 6 Abs. 1 Z. 1 iVm Z. 5 BSVG. Vor dem Hintergrund des Zweckes der Meldepflicht nach § 16 BSVG, nämlich den Versicherungsträger in die Lage zu versetzen, den ihm obliegenden Verpflichtungen in bezug auf Versicherungsverhältnisse entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen nachzukommen, ist § 16 Abs. 1 erster Halbsatz BSVG so zu verstehen, daß im Falle des Vorliegens eines Ausnahmegrundes nach § 5 BSVG auch die an den "Eintritt der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung" anknüpfende Anmeldeverpflichtung nicht schon mit dem (noch keine Pflichtversicherung bewirkenden) Eintritt der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung nach § 2 BSVG, sondern erst mit dem Wegfall des Ausnahmegrundes entsteht. Andernfalls müßte nämlich entweder schon bei Eintritt der (noch nicht oder nie die Pflichtversicherung bewirkenden) Voraussetzungen des § 2 BSVG gemeldet werden oder bestünde in den Fällen eines zunächst vorliegenden Ausnahmegrundes überhaupt keine Anmeldeverpflichtung. Beide Auslegungsvarianten stünden mit dem Zweck der Meldeverpflichtung in Widerspruch.

Dies bedeutet jedoch im vorliegenden Fall, daß die Beschwerdeführerin durch die unbestrittene Nichtmeldung des Wegfalles des Ausnahmegrundes von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ihre im § 16 Abs. 1 BSVG normierte Meldepflicht verletzt hat.

Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, von einem juristischen Laien könne nicht verlangt werden, eine diffizile Unterscheidung zwischen der Anmeldung zur Pflichtversicherung überhaupt und einer gesonderten Anmeldung zur Krankenversicherung zu treffen, ist ihr entgegenzuhalten, daß - ungeachtet dessen, daß die Kenntnis gehörig kundgemachter Gesetze im allgemeinen vermutet wird (§ 2 ABGB) - jedermann zumindest die Pflicht hat, sich mit jenen Rechtsvorschriften vertraut zu machen, die auf seinen jeweiligen Lebenszuschnitt Bezug haben. Gerade weil die Beschwerdeführerin - wie sie behauptet - von beiden Sozialversicherungsträgern "Beiträge vorgeschrieben" bekommen hat, wäre es umsomehr nahegelegen, sich beim Ausscheiden aus der Pflichtversicherung nach dem GSVG über die allfälligen Auswirkungen dieses Ausscheidens auf die andere Pflichtversicherung (bzw. zur Frage, wo die Beschwerdeführerin künftig krankenversichert sein werde) kundig zu machen. Die Beschwerdeführerin behauptet gar nicht, bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt nachgefragt zu haben. Sie kann sich daher - entgegen ihren Beschwerdebehauptungen - nicht darauf berufen, daß sie an der behaupteten Unkenntnis ihrer Meldeverpflichtung kein Verschulden treffe. Im übrigen ist ihr zu erwidern, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 113 Abs. 1 ASVG, dessen Grundsätze auch bei der Auslegung des § 34 BSVG heranzuziehen sind (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 93/08/0108), bei der Vorschreibung eines Beitragszuschlages (also für das "ob" der Vorschreibung) die Frage eines Verschuldens des Meldepflichtigen nicht zu untersuchen ist.

Dennoch kommt der Beschwerde im Ergebnis Berechtigung zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Erkenntnis vom , Zl. 93/08/0108, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird, ausführlich begründend dargelegt, auf welche Grundsätze bei der Verhängung eines Beitragszuschlages Bedacht zu nehmen ist. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der angefochtene Bescheid insofern mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet, als die belangte Behörde bei der Festsetzung des Beitragszuschlages von einer einheitlichen starren Obergrenze von 15,5 % der für den Zeitraum vom bis nachzuzahlenden Beiträge statt einerseits vom tatsächlichen Verwaltungsmehraufwand im Sinne der verwiesenen Judikatur als einer Obergrenze und andererseits von den entgangenen Verzugszinsen von 10,5 % in den Zeiträumen zwischen den jeweiligen fiktiven Fälligkeitszeitpunkten und dem letzten Fälligkeitszeitpunkt als der zweiten zu beachtenden Obergrenze ausging. Schon dies hat die Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Folge, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Beachtung beider alternativen Obergrenzen zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte wegen der sachlichen Abgabenfreiheit gemäß § 44 BSVG nicht zugesprochen werden.