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VwGH vom 17.12.2004, 2002/02/0129

VwGH vom 17.12.2004, 2002/02/0129

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des OS in J, vertreten durch Dr. Reinhard Haßler, Rechtsanwalt in 8750 Judenburg, Herrengasse 2/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 303.15-31/2001-31, betreffend Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S.- Ges. m.b.H. mit Sitz in J. dafür verantwortlich, dass, wie anlässlich einer Unfallerhebung durch das Arbeitsinspektorat festgestellt worden sei, am um ca. 16.00 Uhr auf einer örtlich umschriebenen Baustelle 1. vom Arbeitnehmer F. M. Arbeiten auf einem Dach mit einer Neigung von mehr als 45 Grad und einer Absturzhöhe von ca. 3,50 m durchgeführt worden seien, ohne dass geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden gewesen seien, die den Absturz von Menschen, Materialien oder Geräten in sicherer Weise verhindert hätten, 2. dieser Arbeitnehmer bei Durchführung der zu 1. genannten Arbeiten auf dem Dach nicht angeseilt gewesen sei, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 45 Grad Arbeitnehmer zusätzlich zu den nach § 87 Abs. 3 Bauarbeiterschutzverordnung (BGBl. Nr. 340/1994 - BauV) erforderlichen Schutzeinrichtungen angeseilt sein müssen, und

3. die auf dieser Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer F. M. und K. S. vor der erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit auf der Baustelle nicht in der sicheren Durchführung der Arbeiten unterwiesen worden seien.

Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 9 VStG jeweils in Verbindung zu 1. mit § 87 Abs. 3 BauV, zu

2. mit § 87 Abs. 6 BauV und zu 3. mit § 154 Abs. 1 BauV begangen; es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Was zunächst den Einwand anlangt, die belangte Behörde hätte das Strafverfahren hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 2. wegen des "Doppelbestrafungsverbotes" (gemäß Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK) einzustellen gehabt, so verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/02/0287, wonach eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes bei einer Verfügung des Staatsanwaltes nach § 90 StPO, die an ihn gelangte Anzeige zurückzulegen (wie auch im vorliegenden Beschwerdefall), auszuschließen ist, weil es nur dazu kommt, wenn der Staatsanwalt - von vornherein oder nach Durchführung von Vorerhebungen - erkennt, dass die Anzeige haltlos, die angezeigte Tat nicht strafbar oder nicht verfolgbar ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/02/0227, wo es gleichfalls um eine Bestrafung nach der BauV und eine Anzeige wegen des Vorwurfes nach § 80 StGB ging).

Auch mit dem Hinweis, er habe für diese Baustelle seinen Angestellten Helmut D. als "verantwortlichen Bauleiter" eingesetzt und diesem insbesondere auch ausdrücklich die Weisung erteilt, dass bei Durchführung der Arbeiten die Arbeitnehmerschutzbestimmungen "genauestens einzuhalten seien", ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ist für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems entscheidend; nach der ständigen hg. Rechtsprechung reicht dabei aber die Erteilung von Weisungen zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus. Auch die Bestellung einer "Aufsichtsperson im Sinne des § 4 BauV" - sollte das Vorbringen des Beschwerdeführers in diese Richtung gehen - befreit den Arbeitgeber nicht von seiner Verantwortung hinsichtlich der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften; dies würde nur durch die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten (§ 9 Abs. 2 bzw. 3 VStG in Verbindung mit § 23 Arbeitsinspektionsgesetz) der Fall sein, was jedoch im Beschwerdefall nicht zutrifft (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/02/0273). Im Übrigen hat gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften (sollte der Beschwerdeführer auch dies ins Treffen führen wollen) das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen, wobei im Übrigen keineswegs auszuschließen war, dass an diesem Tag Arbeiten im Bereich der Absturzstelle durchgeführt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/02/0002). Was aber den Einwand des Beschwerdeführers anlangt, die Arbeiten hätten - aus technischer Sicht - bei bereits angebrachten Schutzblenden nicht durchgeführt werden können, so verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend auf die weitere, in § 87 Abs. 3 letzter Satz BauV vorgesehene Schutzeinrichtung, nämlich Dachfanggerüste.

Es ist richtig, dass die im § 154 Abs. 1 BauV vorgesehene Unterweisung der Arbeitnehmer zwar nach § 154 Abs. 4 erster Satz BauV durch den Arbeitgeber zu erfolgen hat, dieser jedoch nach dem zweiten Satz dieses Absatzes diese Aufgabe der Aufsichtsperson oder sonstigen geeigneten Person übertragen kann. Allerdings ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dem Arbeitgeber das Verhalten dieser Person zuzurechnen (vgl. die - alleinige - Strafbarkeit des "Arbeitgebers" nach § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG; siehe dazu auch § 161 BauV i.d.F. der Novelle, BGBl. II Nr. 121/1998). Dass aber die vom "Bauleiter" Helmut D. durchgeführte Unterweisung in Hinsicht auf eine "sichere" Durchführung der Arbeiten (§ 154 Abs. 1 erster Satz BauV) nicht ausreichend war (wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides darlegt), bestreitet der Beschwerdeführer nicht.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 EMRK wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/02/0031).

Wien, am