TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 19.06.1996, 95/21/1030

VwGH vom 19.06.1996, 95/21/1030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom , Zl. III 190/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 8 und den §§ 19, 20, 21 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, das "Schwarzarbeiten" des Beschwerdeführers bei einer namentlich genannten Tischlerei im August 1993 bzw. das Betreten des Beschwerdeführers bei dieser Arbeit, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen, durch ein Organ des Arbeitsamtes Innsbruck erfülle den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG. Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers, nämlich seine rechtswidrige, ohne den erforderlichen Sichtvermerk erfolgte Einreise in das Bundesgebiet im August 1990, sein rechtswidriger Aufenthalt seit dieser Einreise bis zur Erteilung des Sichtvermerkes im Februar 1991, die polizeiliche Anmeldung an einer namentlich genannten Anschrift in Innsbruck am , ohne dort tatsächlich Unterkunft genommen zu haben, die genannte Schwarzarbeit im August 1993 und der rechtswidrige Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Ablauf der letzten Aufenthaltsbewilligung mit , rechtfertige die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes stelle einen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers dar. Dieser Eingriff sei aber zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers bzw. zum Schutz der öffentlichen, näherhin "fremdenpolizeirechtlichen" Ordnung im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zu verpönten Verhaltensweisen dringend geboten.

Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe im Bundesgebiet keine näheren Angehörigen; er halte sich seit August 1990, rechtmäßig seit Februar 1991, im Bundesgebiet auf und gehe einer erlaubten Beschäftigung nach. Angesichts der vom Beschwerdeführer ausgehenden großen Gefahr für die öffentliche Ordnung müßten diese Umstände zurücktreten. Daß er bis zum Ablauf seiner Beschäftigungsbewilligung am eine fixe Anstellung habe, ändere nichts an seinem Gesamtfehlverhalten und der daraus hervorleuchtenden Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstellung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer meint, der Vorwurf des "Schwarzarbeitens" sei nicht gerechtfertigt, weil der Arbeitgeber ihm erklärt habe, das Arbeitsamt habe die Beschäftigungsbewilligung bereits zugesichert und er könne daher ohne weiteres arbeiten und die Beschäftigungsbewilligung sei vier Tage nach der Betretung auch tatsächlich zugestellt worden, kann ihm nicht gefolgt werden. Der bloße Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung - eine mündliche Bescheiderlassung wird nicht behauptet - vermag das Vorliegen einer solchen nicht zu ersetzen und im übrigen obliegt es dem Fremden, sich über die für ihn maßgebende Rechtslage zu informieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/18/0070). Wenn daher die belangte Behörde von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG ausgegangen ist, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Der Beschwerdeführer wendet sich jedoch zu Recht gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei:

Die im § 18 Abs. 2 FrG demonstrativ aufgezählten Tatsachen indizieren lediglich eine Gefährdung der im Abs. 1 leg. cit. genannten Interessen. § 18 Abs. 1 FrG ordnet nämlich an, daß bei Vorliegen eines der im Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Tatbestand in concreto die umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/21/0007). Die belangte Behörde ging davon aus, daß für den Beschwerdeführer sowohl vor der in Rede stehenden Schwarzarbeit als auch nachher Beschäftigungsbewilligungen erteilt wurden. Aus diesen Gründen vermag der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten behörde, daß vom Beschwerdeführer - trotz der erteilten Beschäftigungsbewilligungen - weiterhin eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet der Arbeitsmarktverwaltung ausgehe und daher der im vorliegenden Fall verwirklichte Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertige, nicht zu teilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/18/0161, und vom , Zl. 95/18/0919). Die belangte Behörde hat zwar im Rahmen der gemäß § 18 Abs. 1 FrG zu treffenden Prognose zutreffend auf das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers abgestellt, aber auch eine solche Betrachtungsweise läßt die Annahme im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG nicht zu: die rechtswidrige Einreise und der anschließende rechtswidrige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Sommer 1990 liegen einerseits bereits lange zurück und andererseits ist zu berücksichtigen, daß nachfolgend dem Beschwerdeführer wiederholt befristete Aufenthaltsberechtigungen, zuletzt bis erteilt wurden. Im Hinblick auf diese Umstände kann nicht gesagt werden, daß vom Beschwerdeführer jene Beeinträchtigung öffentlicher Interessen ausgeht, daß er die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdete (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG) oder sein Aufenthalt anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderliefe (§ 18 Abs. 1 Z. 2 FrG). Die Scheinmeldung des Beschwerdeführers im Mai 1993 - von einer rechtskräftigen Bestrafung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG ging die belangte Behörde nicht aus - ist zwar gemäß § 18 Abs. 1 leg. cit. erheblich, vermag jedoch selbst im Zusammenhang mit der kurzfristigen unerlaubten Beschäftigung nicht die in dieser Bestimmung umschriebene Annahme zu rechtfertigen.

Der Beschwerdeführer hat rechtzeitig den Antrag auf Verlängerung der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung gestellt. Eine inhaltliche Erledigung erging noch nicht. Von einem rechtswidrigen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Ablauf dieser Aufenthaltsberechtigung kann angesichts des § 6 Abs. 3 AufG i.d.F. BGBl. Nr. 351/1995, nicht gesprochen werden.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist daher im vorliegenden Fall die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme nicht gerechtfertigt.

Dadurch, daß die belangte Behörde die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt hielt, belastete sie den angefochenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.