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VwGH vom 28.06.1994, 93/08/0229

VwGH vom 28.06.1994, 93/08/0229

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 12-16141/84 A, betreffend Einstellung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte dieses Beschwerdefalles wird auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom ,

Zlen. 91/08/0043, 0094, verwiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde in teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides die dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom zuerkannte monatliche Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit ein. Begründet wurde die Entscheidung - nach Darstellung des bisherigen Ganges des Verwaltungsverfahrens, auszugsweiser Wiedergabe der Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes und nach Zitierung der §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 13 Abs. 2 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), LGBl. für Wien Nr. 11/1973 in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 17/1986 - wie folgt: Zum Zeitpunkt des die Sozialhilfeleistung zuerkennenden Bescheides vom habe der Beschwerdeführer bei Frau L. in deren Wohnung im XIX. Wiener Gemeindebezirk gewohnt, wobei von einem Untermietverhältnis auszugehen gewesen sei. In der Folge sei der Beschwerdeführer gemeinsam mit L. in eine andere Wohnung im genannten Wiener Gemeindebezirk übersiedelt, betreffend derer beide Personen Hauptmieter seien. Im Schreiben vom habe L. mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer ab die Hälfte der Miete bezahle. Mit Schreiben vom habe die zuständige Hausverwalterin ausgeführt, daß es sich ihres Wissens um Lebensgefährten handle. Am habe der Beschwerdeführer anläßlich eines Hausbesuches seitens eines Bediensteten des Sozialreferates angegeben, daß sämtliche Wohnungskosten (wie Miete, Gas und Strom, Telefon etc.) je zur Hälfte bezahlt würden, wobei, wie L. mit Schreiben vom mitgeteilt habe, die Miete zur Gänze von ihrem Konto abgebucht werde. Das in der Küche befindliche Geschirr würde von beiden gemeinsam benützt und seien weiters die notwendigen Lebensmittel für beide Personen bestimmt. Aufgrund dieser beim Hausbesuch gewonnenen Eindrücke bzw. der dargestellten Situation sei jedenfalls eine Wirtschaftsgemeinschaft anzunehmen. Im Hinblick auf die dargestellten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens seien die mehrfach im Verfahren vorgebrachten Behauptungen sowohl des Beschwerdeführers als auch der L., mit denen das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft bestritten worden sei, sowie das vorgelegte ärztliche Attest vom , wonach der Beschwerdeführer seinen "ehelichen Pflichten" nicht nachkommen könne, ungeeignet, die Annahme einer Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft zu entkräften. Es seien daher beide Personen in die Berechnung der Dauerleistung des Beschwerdeführers einzubeziehen. Das in Anschlag zu bringende monatliche Nettoeinkommen der L. habe im entscheidungsrelevanten Zeitraum vom bis S 20.451,07 betragen. Nach der zu dieser Zeit in Geltung stehenden Verordnung der Wiener Landesregierung vom , LGBl. für Wien Nr. 13/1973, in der Fassung der Verordnung der Wiener Landesregierung vom , LGBl. für Wien Nr. 24/1990 (Richtsatzverordnung), habe der Richtsatz für den Hauptunterstützten im Familienverband S 3.695,--, der Zuschlag zur Dauerleistung S 1.959,-- sowie der Richtsatz für den Mitunterstützten ohne Anspruch auf Familienbeihilfe S 1.896,-- betragen. In Gegenüberstellung dieser Richtsätze einschließlich einer Mietbeihilfe, die maximal S 1.992,-- habe betragen können, zum Einkommen der L. sei der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers sowie seiner Lebensgefährtin hinreichend gedeckt. Dem Beschwerdeführer stehe daher für den relevanten Zeitraum vom bis kein Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0067, näher dargelegt hat (auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen), setzt die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes eines Hilfesuchenden, der mit einem Lebensgefährten in Familiengemeinschaft lebt, nach dem Richtsatz für den Haupt- und Mitunterstützten voraus, daß auch der Lebensgefährte hilfsbedürftig ist, d.h., daß auch auf ihn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 WSHG zutreffen. Andernfalls ist die Bemessung nach dem Richtsatz für den Alleinunterstützten vorzunehmen.

Die belangte Behörde hat nicht angenommen, es sei neben dem Beschwerdeführer auch L. hilfsbedürftig im Sinne des § 8 Abs. 1 leg. cit.; dafür bietet auch der Akteninhalt keinen Anhaltspunkt. Demgemäß hätte bei Prüfung der Frage, ob der Beschwerdeführer auch über den hinaus einen Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 WSHG sowie der Richtsatzverordnung hatte, auch dann der Richtsatz für den Alleinunterstützten herangezogen werden müssen, wenn L. nach der (vom Beschwerdeführer allerdings bekämpften) Auffassung der belangten Behörde im relevanten Zeitraum die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers gewesen sein sollte.

Aus der Anwendung dieses Richtsatzes folgt allerdings nicht zwingend, daß die konkret zu bestimmende Hilfeleistung des Beschwerdeführers auch tatsächlich diesen Richtsatzbetrag erreichen muß. Solte nämlich L., wie die belangte Behörde angenommen hat, tatsächlich einzelne zum Lebensunterhalt des Beschwerdeführers zählende Bedürfnisse zur Gänze oder teilweise tatsächlich befriedigt haben, so wäre, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls im schon zitierten Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0067, dargelegt hat, für das Ausmaß der Geldleistung allenfalls ein unter dem Richtsatz gelegener Betrag in Betracht zu ziehen. Da die belangte Behörde aber, ausgehend von der rechtsirrigen Auffassung, es sei der Richtsatz für den Haupt- und Mitunterstützten heranzuziehen, keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, die eine rechtliche Beurteilung unter den zuletzt genannten Gesichtspunkten ermöglichen, war der angefochtene Bescheid, und zwar wegen Klärung der Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Dreiersenat, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Fundstelle(n):
BAAAE-45872