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VwGH 19.12.2003, 2002/02/0013

VwGH 19.12.2003, 2002/02/0013

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
FrG 1997 §61 Abs1;
RS 1
Die Schubhaft ist im Grunde des § 61 Abs. 1 FrG 1997 "notwendig", wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass beim Fremden keine Ausreisewilligkeit besteht und somit durch die Verhängung der Schubhaft die rechtlich gebotene Ausreise gesichert werden soll (Hinweis E , 96/02/0295, ergangen zu § 41 Abs. 1 FrG 1993).
Normen
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §66 Abs1;
VwRallg;
RS 2
Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel im Sinn des § 66 Abs. 1 FrG 1997 ist eine Ermessensentscheidung (Hinweis E , 99/02/0237). Ein Ermessensfehler in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das der Ermessensübung durch die Behörde zu Grunde liegende Verwaltungsverfahren mangelhaft ist (formeller Ermessensfehler), oder wenn von der Verwaltungsbehörde bei der Ermessensübung der Sinn des Gesetzes nicht beachtet worden ist (materieller Ermessensfehler)(Hinweis E , 99/02/0294).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2001/02/0278 E RS 2 (Hier: Es liegt kein Ermessensfehler vor, da die Mitbeteiligte mehrere Monate ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist.)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 01//16/11393/2001/3, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: DH in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der an diese gerichteten Beschwerde der Mitbeteiligten unter Berufung auf § 73 Abs. 2 FrG Folge gegeben und die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom über die Mitbeteiligte (zur Sicherung der Abschiebung) verhängte Schubhaft sowie die seit andauernde Schubhaft für rechtswidrig erklärt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 74 FrG gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im Wesentlichen dahin, die Mitbeteiligte sei nach wie vor Ehefrau eines österreichischen Staatsbürgers und sei die Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides in Kenntnis der Tatsache gewesen, dass die Staatsanwaltschaft die Ehenichtigkeitsklage zurückgezogen habe. Die Mitbeteiligte sei aufrecht (polizeilich) gemeldet und bestreite ihren Lebensunterhalt durch "ehrliche" Arbeit. Der Umstand, dass die Mitbeteiligte in der "von ihr gekauften Wohnung" nicht nur aufrecht gemeldet gewesen sei und in dieser auch gewohnt habe, lasse jedenfalls nicht den Schluss zu, dass sie die Absicht habe, sich fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen; es sei nicht zu erkennen, aus welchen Gründen die Behörde von den in § 66 FrG vorgesehenen gelinderen Mitteln Abstand genommen habe.

Aus dem vorliegend angefochtenen Bescheid lässt sich allerdings im Einklang mit der Aktenlage entnehmen, dass gegen die Mitbeteiligte ein (auf Grund des am zugestellten und nicht bekämpften, auf § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG - so genannte "Scheinehe" - gestützten Bescheides vom ) rechtskräftiges - nach der ständigen Rechtsprechung für die belangte Behörde bindendes - Aufenthaltsverbot bestand, sodass die Mitbeteiligte gemäß § 40 Abs. 1 FrG die Verpflichtung traf, unverzüglich auszureisen (wobei ihr ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat gewährt worden war).

Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 96/02/0295, zur insoweit analogen Bestimmung des § 41 Abs. 1 FrG 1992) ist aber die Schubhaft im Grunde des § 61 Abs. 1 FrG "notwendig", wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass beim Fremden keine Ausreisewilligkeit besteht (was die den Schubhaftbescheid erlassende Behörde nach der Aktenlage zu Recht angenommen hat) und somit durch die Verhängung der Schubhaft die rechtlich gebotene Ausreise gesichert werden soll. Dass die Behörde nicht ein "gelinderes Mittel" (§ 66 Abs. 1 FrG) angewendet hat, ist bei der gegebenen Sachlage - immerhin ist die Mitbeteiligte mehrere Monate ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen - keineswegs als Ermessensfehler (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/02/0278) anzusehen.

Soweit die belangte Behörde im Übrigen (erst) in der Gegenschrift vorbringt, die Schubhaft sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil der am "gefällte" Schubhaftbescheid gemäß § 61 Abs. 2 FrG mit Ablauf des aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sei und daher am (dem Zeitpunkt der "Verhaftung" der Mitbeteiligten) keine Rechtswirkung mehr entfalten habe können, ist zum bemerken:

Wohl gelten gemäß § 61 Abs. 2 zweiter Satz FrG nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG 14 Tage nach ihrer "Erlassung" als widerrufen. Der gegenständliche (auf § 57 AVG gestützte) Schubhaftbescheid wurde aber erst mit seiner Zustellung an die Mitbeteiligte am "erlassen". Das Vorbringen der belangten Behörde - soferne man ihr unterstellt, dass unter "gefällt" richtigerweise "erlassen" verstanden wird - widerspricht daher der Aktenlage.

Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, was gemäß § 42 Abs. 1 Z. 2 VwGG zu seiner Aufhebung führt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §66 Abs1;
VwRallg;
Schlagworte
Ermessen VwRallg8
Ermessen besondere Rechtsgebiete
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2003:2002020013.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAE-45798