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VwGH vom 17.09.2002, 2002/01/0384

VwGH vom 17.09.2002, 2002/01/0384

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde 1. des MC,

2. des SC, 3. des MC, 4. der SC, 5. des MC, 6. des MC und 7. des MC, alle in L, alle vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schillerstraße 17, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. Ia 370-560/1998, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidkopie steht Folgendes fest:

Der Erstbeschwerdeführer ist der Vater der zweit- bis siebentbeschwerdeführenden Parteien. Er ist türkischer Staatsangehöriger, wurde am geboren und hat seit ununterbrochen den Hauptwohnsitz in Österreich.

Der Erstbeschwerdeführer wurde dreimal strafgerichtlich verurteilt:

1. Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Dornbirn vom wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 30 Tagessätzen, weil er am einer anderen Person mehrere Faustschläge und Fußtritte versetzt hatte;

2. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 40 Tagessätzen, weil er nach einer wörtlichen Auseinandersetzung einer anderen Person nachgerannt war und dieser einen Faustschlag ins Gesicht versetzt hatte, was eine Jochbeinprellung und eine Nasenbeinprellung zur Folge hatte;

3. Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB, des Vergehens der Unterlassung der Hilfeleistung nach § 95 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 360 Tagessätzen, weil er

a) am in Feldkirch eine andere Person dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt hatte, dass er diese durch die gegenüber dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Feldkirch bei seiner Vernehmung als Beschuldigter erhobenen wahrheitswidrigen Behauptungen, diese Person habe ihm die Klinge eines Springmessers an den Hals gehalten und gesagt, sie werde ihn schneiden und sie alle umbringen, einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der gefährlichen Drohung mit dem Tod nach dem § 107 Abs. 1 und 2 StGB falsch verdächtigt hatte, wobei er wusste, dass die Verdächtigung falsch war;

b) am in Höchst bei einem Unglücksfall, bei dem er als Zeuge wahrgenommen hatte, wie jemand aus einer Pistole einen Schuss abgefeuert und dadurch eine andere Person in den Bauch-Leistenbereich getroffen hatte, es unterlassen hatte, die zur Rettung dieser Person aus der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung offensichtlich erforderliche zumutbare Hilfe zu leisten;

c) am in Höchst eine andere Person durch Versetzen von Schlägen mit einem Holzstock am Körper verletzt hatte, wobei die Tat eine Schwellung mit Oberhautabtragungen in der behaarten Kopfdecke, in der Hornscheitelregion, in der Schädelmitte, eine Schwellung bandförmiger Art vom rechten Ohr über den Jochbogen, eine Schwellung des rechten Daumenballens handrückenseitig und eine bandförmige Hauteinblutung mit umgehenden lividen Verfärbungen an der Außenseite des linken Unterarms zur Folge hatte.

Am wurde der Erstbeschwerdeführer vom Gendarmerieposten Bregenz wegen des Verdachtes der Fälschung besonders geschützter Urkunden angezeigt; der Erstbeschwerdeführer hatte sein Foto in den Reisepass seines Bruders geklebt und diesen Pass für den Eintritt ins Spielcasino Bregenz verwendet. Das Verfahren wurde gemäß § 90c StPO nach Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten des Bundes eingestellt.

Im Hinblick auf die eben erwähnten strafgerichtlichen Verurteilungen und die unstrittige Verfälschung eines Reisepasses wies die Vorarlberger Landesregierung den Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG)" sowie die damit verbundenen Anträge der zweit- bis siebentbeschwerdeführenden Parteien auf Erstreckung der Verleihung - letztere gemäß §§ 17 und 18 StbG - ab. Die wiederholte Begehung von Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit Dritter müsse als schwerer Rechtsbruch gewertet werden, auch wenn die letzte Tat bereits mehr als acht Jahre zurückliege. Das Vergehen der Fälschung einer besonders geschützten Urkunde, was (gleichfalls) eine objektiv schwere Rechtsverletzung darstelle, sei aber erst in jüngster Zeit gesetzt worden. Der Erstbeschwerdeführer erfülle daher nicht die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG, was auch die Abweisung der Erstreckungsanträge nach sich ziehen müsse.

Über die gegen den eben erwähnten Bescheid der Vorarlberger Landesregierung erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Staatsbürgerschaftsbehörde bei der Prüfung der Frage, ob die eben erwähnte Verleihungsvoraussetzung vorliegt, vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, das wesentlich durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter erlassene Vorschriften missachten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/01/0496). Bei der vorzunehmenden Prognose fallen Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit besonders ins Gewicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/01/0086).

Die belangte Behörde hat sich zwar, wie in der Beschwerde als Verfahrensmangel geltend gemacht, bei der Beschreibung des Fehlverhaltens des Erstbeschwerdeführers im Wesentlichen auf die Wiedergabe des jeweiligen Urteilstenors - gemäß der obigen Darstellung - beschränkt. Schon diese Ausführungen reichen jedoch aus, um die im gegebenen Zusammenhang erforderliche Beurteilung der Persönlichkeit des Erstbeschwerdeführers vornehmen zu können. Sie lassen hinreichend deutlich einerseits Gewaltbereitschaft und andererseits eine Tendenz zu Täuschungshandlungen erkennen. Der Beurteilung der belangten Behörde, der Erstbeschwerdeführer biete keine Gewähr dafür, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen zu bilden, kann davon ausgehend nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Wohl trifft es zu, dass die zuletzt begangene Körperverletzung (ebenso wie die Verleumdung und die Unterlassung der Hilfeleistung) bei Bescheiderlassung bereits mehr als neun Jahre zurücklag. Allein daraus kann freilich keine positive Prognose abgeleitet werden, hat doch der Erstbeschwerdeführer auch noch nach 1993 ein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt. Dass es sich dabei um eine andere Rechtsgutbeeinträchtigung handelte, fällt im vorliegenden Fall nicht wesentlich ins Gewicht. Sie erlaubt nämlich ihrer Art nach durchaus Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Erstbeschwerdeführers, unabhängig davon, dass sie letztlich im Hinblick auf § 90c StPO zu keiner strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Erstbeschwerdeführer während seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich immer wieder, auch noch in den letzten Jahren, strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Sein Fehlverhalten richtete sich gegen verschiedene Rechtsgüter und kann jedenfalls zum Teil nicht als bloß geringfügig abgetan werden. Gesamtbetrachtend teilt der Verwaltungsgerichtshof daher wie schon erwähnt die Ansicht der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG gegeben sei.

Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den beschwerdeführenden Parteien behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am