VwGH vom 17.10.1995, 93/08/0172
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl. 122.501/1-7/93, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. O in T,
2. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Wien IX, Roßauer Lände 3, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Wien XX, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit zwanzig (im wesentlichen gleichlautenden) Bescheiden vom stellte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse fest, daß in bestimmten Zeiträumen namentlich genannte Personen zur erstmitbeteiligten Partei jeweils in einem die Vollversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden seien. Begründend wurde ausgeführt, daß sich aufgrund der Angaben des Dienstgebers sowie der eingesehenen Aufzeichnungen im Schichtenbuch ergebe, daß der Erstmitbeteiligte zwanzig Personen in verschiedenen Zeiträumen als Aushilfskräfte beschäftigt habe. Die Tätigkeit dieser Personen sei darin gelegen, bei Holzübernahmen Bretter zu schlichten und Späne einzulegen. Die wöchentliche Arbeitszeit habe ca. 12 Stunden betragen. Die Personen wären nach dem Kollektivvertrag für die Sägeindustrie als Arbeitnehmer für Hilfsdienste in eine bestimmte Lohngruppe einzustufen gewesen. Ausgehend von dem im Kollektivvertrag vorgesehenen Stundenlohn habe der den Dienstnehmern gebührende Lohn die jeweils geltende Geringfügigkeitsgrenze überschritten.
Mit einem weiteren Bescheid vom sprach die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse aus, daß der Erstmitbeteiligte gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 in Verbindung mit den §§ 44, 49 und 54 ASVG sowie gemäß § 61 AlVG verpflichtet sei, für die in der Beitragsnachverrechnungsanzeige vom ausgewiesenen Dienstnehmer und die dort aufscheinenden Zeiten allgemeine Beiträge, Sonderbeiträge und Nebenumlagen nach den jeweils angeführten Beitragsgrundlagen im Betrage von S 322.691,54 nachzuentrichten. Begründend wurde ausgeführt, daß der Erstmitbeteiligte die Dienstnehmer, die mit einzelnen Bescheiden vom in die Pflichtversicherung einbezogen worden seien, nicht ordnungsgemäß zur Pflichtversicherung gemeldet habe. Da diese Dienstnehmer hauptsächlich mit einfachen Arbeiten bei Holzübernahmen beschäftigt gewesen seien, sei für sie als Beitragsgrundlage jenes Entgelt heranzuziehen, welches laut Kollektivvertrag für die Sägeindustrie Arbeitnehmern, die Hilfsdienste verrichten, gebühre.
Zwölf Dienstnehmer erhoben gegen den sie jeweils betreffenden Bescheid vom , mit dem über die Versicherungspflicht abgesprochen wurde (einen im wesentlichen gleichlautenden), Einspruch mit der Begründung, daß die Tätigkeit darin bestanden habe, Sägespäne in Container zu füllen. Die Entlohnung für diese Tätigkeit habe S 40,-- pro Stunde betragen und es sei damit die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 lit. b ASVG nicht überschritten worden. Zur Frage der Anwendung des Kollektivvertrages für Arbeiter in der Sägeindustrie werde auf den Einspruch des Erstmitbeteiligten verwiesen.
Der Erstmitbeteiligte erhob als Arbeitgeber Einspruch gegen die Bescheide, mit denen die Vollversicherung jener Dienstnehmer festgestellt wurde, die ihrerseits selbst den sie betreffenden Bescheid beeinspruchten, sowie gegen den Beitragsbescheid, soweit ihm S 200.833,99 an Beiträgen vorgeschrieben wurde. Er führte aus, daß für seinen Betrieb drei Gewerbeberechtigungen bestünden, nämlich für den Holzhandel, das Sägergewerbe und das Verladergewerbe. Die diesen Berechtigungen entsprechenden Tätigkeiten würden auch tatsächlich ausgeübt werden. Ein Teil der aushilfsweise Beschäftigten sei mit einfachen Arbeiten betraut worden, welche dem Holzhandel bzw. dem Sägergewerbe zuzuordnen seien, der andere Teil der aushilfsweise Beschäftigten habe jedoch ausschließlich Arbeiten durchgeführt, welche die gewerbliche Verladung betreffen. Die Entlohnung jener Dienstnehmer, welche im Bereich Verladung beschäftigt gewesen seien, sei keiner kollektivvertraglichen Regelung unterworfen, weshalb die Einbeziehung unter den Kollektivvertrag der Sägeindustrie und damit die Aufnahme in die Voll- und Arbeitslosenversicherung zu Unrecht erfolgt sei. Sein Unternehmen führe die den Gewerbeberechtigungen entsprechenden Tätigkeiten aus. Dabei handle es sich um fachlich gestreute Tätigkeiten, die auch eine Abgrenzung der einzelnen Wirtschaftsbereiche zuließen. Insbesondere die Tätigkeit als Verladeunternehmer sei fachlich und organisatorisch abgegrenzt. Gemäß § 9 Abs. 1 und 2 ArbVG komme der Grundsatz der Tarifvielfalt im Sinne der fachlichen Adäquanz der Kollektivverträge zur Anwendung, soweit abgrenzbare Wirtschaftsbereiche vorlägen. Für das Verladergewerbe existiere kein Kollektivvertrag, sodaß es zum Zusammentreffen eines kollektivvertragsfreien Betriebsbereiches mit kollektivvertragsgeregelten Bereichen komme. Nach dem Grundsatz der Tarifvielfalt finde bezüglich der Arbeitnehmer damit der jeweilige, dem Betriebsbereich entsprechende Kollektivvertrag Anwendung. Die den Beschäftigten im Verladergewerbe gezahlten Stundenlöhne könnten nicht dem Kollektivvertrag der Sägeindustrie unterworfen werden, weil es sich hiebei um einen kollektivvertragsfreien Betriebsbereich handle. Zur Verdeutlichung der Abgrenzung zwischen dem Betriebsbereich Verladung und den anderen Betriebsbereichen sei angeführt, daß mit der Firma J laut Vertrag vom eine Vereinbarung betreffend die gewerbliche Verladung von Sägespänen und Hackgut bestehe. Die gewerbliche Verladetätigkeit bestehe dabei im Auffüllen von Containern mit Sägespänen, welche räumlich abgegrenzt sei, buchhalterisch gesondert verrechnet werde und für welche auch ausschließlich aushilfsweise Beschäftigte herangezogen würden. Der Einsatz von Aushilfskräften sei dabei kennzeichnend für die Verladetätigkeit, weil diese in der Regel eine kurzfristige Tätigkeit darstelle.
Mit Schreiben vom legte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse die Einsprüche vor und führte dazu aus, daß die Darstellungen des Erstmitbeteiligten sich schlechthin als Schutzbehauptungen erweisen würden.
In der als Gegenschrift bezeichneten Stellungnahme vom führte der Erstmitbeteiligte unter anderem aus, daß die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse sich mit den Tätigkeiten der betroffenen Dienstnehmer niemals auseinandergesetzt habe. Dies ergebe sich aus der Bescheidbegründung, wonach die Tätigkeit mit "Späne einlegen" umschrieben worden sei. Eine derartige Tätigkeit existiere in keinem Bereich des Unternehmens und ergebe auch keinen Sinn.
Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse führte dazu in ihrem Schreiben vom aus, daß gerade bei Sägewerkern die Tätigkeit des sogenannten "Spandelns" häufig anfalle. Das sägefrisch geschnittene Holz dürfe nämlich nicht einfach Brett für Brett aufeinandergelegt werden. Aus diesem Grund sei es für die Holzlagerung unbedingt notwendig, zwischen die einzelnen Bretter bzw. Pfosten Latten einzulegen, damit das Holz entsprechend trocknen könne und keine Veränderungen erfahre. Die Argumentation des Erstmitbeteiligten in bezug auf § 9 ArbVG - so die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse weiter - entspreche nicht einer richtigen Anwendung und Interpretation dieser Norm. Bei Durchsicht der vom Erstmitbeteiligten erstatteten Versicherungsanmeldungen habe ermittelt werden können, daß sämtliche in den Jahren 1989 und 1990 zur Pflichtversicherung angemeldeten Dienstnehmer mit Ausnahme eines einzigen Dienstnehmers als Sägearbeiter bzw. Sägehilfsarbeiter beschäftigt worden seien. Diese Tatsache beweise, daß die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung dem Sägewerksunternehmen zukomme. Der Versuch des Erstmitbeteiligten, die Bedeutung seines Verladegewerbes und die Beschäftigung von Dienstnehmern in diesem hervorzustreichen, könne somit nur als Schutzbehauptung abgetan werden und entbehre jeder objektiver Grundlage.
In seiner Stellungnahme vom führte der Erstmitbeteiligte aus, wenn die beschwerdeführende Kasse die von ihr gewählte Bescheidbegründung "Späne einlegen" in das sogenannte "Spandeln" umdeute, übersehe sie, daß diese Tätigkeit nur bei jenen Sägebetrieben vorkomme, welche Fichtenholz schneiden. Der Erstmitbeteiligte habe sich hingegen auf den Einschnitt von Lärchenholz spezialisiert. Dieses werde im Gegensatz zur Lagerung bei Fichtenholz fast ausschließlich "dicht gelegt". Das sogenannte Spandeln komme bei Betrieben, welche Lärchenholz schneiden daher praktisch nicht oder nur in geringstem Ausmaß vor. Weiters wurde der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vorgeworfen, im Zuge des Verfahrens nicht geprüft zu haben, ob mehrere Betriebsbereiche vorlägen, oder ob es sich um Haupt- und Nebenbetriebe oder um organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen handle.
In ihrer Stellungnahme vom führte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse aus, daß der Erstmitbeteiligte eine Berechtigung für das Verladegewerbe besitze und dieses Gewerbe keinem Kollektivvertrag unterliege. Der Erstmitbeteiligte versuche die Versicherungspflicht für die betroffenen Personen und die damit verbundene Beitragsnachverrechnung dadurch abzuwenden, daß er behaupte, die betroffenen Dienstnehmer seien für das Verladegewerbe tätig gewesen. Tatsächlich bestünden für diese Behauptung jedoch keine Anhaltspunkte. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß die bei einem Sägewerk sicherlich vorkommenden Verladearbeiten als Tätigkeiten im Rahmen des Sägebetriebes anzusehen seien. Selbst wenn die betroffenen Personen Verladearbeiten geleistet hätten, so seien diese Ausfluß der im Sägewerk anfallenden Arbeiten und unterlägen daher auch dem ensprechenden Kollektivvertrag.
Der Landeshauptmann von Steiermark gab den Einsprüchen mit zwanzig (im wesentlichen gleichlautenden) Bescheiden keine Folge. Begründend wurde ausgeführt, daß die Tätigkeit der Aushilfskräfte im Schaufeln von Sägespänen in Container bestanden habe. Das Arbeitsverfassungsgesetz enthalte genaue Regelungen, wie vorzugehen sei, wenn es im fachlichen Geltungsbereich von Kollektivverträgen zu Kollisionen komme. Im gegenständlichen Fall könne nicht vom Vorliegen mehrerer Betriebe oder eines Haupt- oder eines Nebenbetriebes ausgegangen werden. Es werde bezweifelt, daß der Erstmitbeteiligte tatsächlich in verschiedenen, fachlich abgrenzbaren Wirtschaftsbereichen tätig sei. Die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung liege dabei sicherlich im Sägebetrieb, es fänden sich keinerlei Hinweise, daß die Verladertätigkeit des Erstmitbeteiligten außer dem Verladen der im Sägebetrieb anfallenden Holzabfälle auch noch das Verladen von anderen Materialien umfasse. Gemäß den §§ 33 und 36 GewO sei der Erstmitbeteiligte zum Sammeln, Verladen und Verkauf der im Sägebetrieb anfallenden Holzabfälle berechtigt, auch wenn er nicht die Gewerbeberechtigung für das Verladergewerbe hätte. Er habe niemals den Hinweis gemacht, daß außer Holzabfällen auch noch andere Gegenstände durch ihn verladen würden. Er besitze zwar den Gewerbeschein für das Verladergewerbe, eine solche Verladertätigkeit werde aber tatsächlich nicht ausgeübt. Ein fachlich abgegrenzter Betriebsbereich liege daher nicht vor, weshalb § 9 ArbVG auch nicht unmittelbar angewendet werden könne. Es könne daher nicht daran gezweifelt werden, daß dann, wenn nicht mehrere fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen bestünden, nur der dem einzigen fachlichen Wirtschaftszweig entsprechende Kollektivvertrag Anwendung zu finden habe. Dies bedeute, daß alle beim Erstmitbeteiligten beschäftigten Arbeitnehmer dem Kollektivvertrag für die Sägeindustrie unterworfen seien.
Der Erstmitbeteiligte erhob Berufung gegen die Bescheide des Landeshauptmannes, die die Dienstnehmer betrafen, in bezug auf welche er bereits die erstinstanzlichen Bescheide beeinsprucht hatte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und stellte fest, daß die von der Berufung umfaßten Personen während den jeweiligen Zeiträumen aufgrund ihrer Beschäftigung beim Erstmitbeteiligten nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen seien. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest:
Das Unternehmen des Erstmitbeteiligten bestehe seit 1933. Im Zeitraum 1933 bis 1978 sei das Unternehmen vorwiegend als Verladeunternehmen geführt worden. Für das Unternehmen bestünden drei Gewerbescheine, nämlich für das Holzgewerbe (gemeint: Handelsgewerbe), für das Sägergewerbe und für das Verladergewerbe. Die in diesen Gewerbeberechtigungen enthaltenen Tätigkeiten würden auch tatsächlich ausgeübt. Die einzelnen Betriebsbereiche würden getrennt geführt. Der Betrieb liege direkt neben dem Bahngeleise; daraus ergebe sich, daß das Unternehmen auch ursprünglich als Verladeunternehmen gegründet worden sei und der Holzhandel bzw. der Sägewerksbetrieb erst in späterer Folge als Zweitbetrieb dazugekommen sei. Die Dienstleistungen hätten die Verladung des gesamten Schnittholzes der umliegenden Sägewerke auf die Bahn sowie die Entladung der Holzabfälle für die P Papierfabrik betroffen. Das Unternehmen biete auch derzeit die Möglichkeit, Rundholz auf den eigenen Gleisanschlüssen zu verladen und es werde auch derzeit noch Verladetätigkeit durchgeführt. Mit der Firma J Holzhandel/Transporte, sei seitens des Erstmitbeteiligten ein Vertrag am abgeschlossen worden. Demnach habe sich die Firma J verpflichtet, den gesamten Jahresanfall an Sägespänen und Hackgut ganzjährig abzunehmen und dafür zu sorgen, daß eine klaglose Abnahme erfolge. Die Verladung erfolge durch den Erstmitbeteiligten als gewerbliches Verladeunternehmen, wobei als Fixpreis derzeit S 120,-- pro Stunde vereinbart worden sei. Die Firma J verlade grundsätzlich bei Ankauf von Sägespänen oder Hackgut selbst mit eigenem LKW bzw. Schaufellader. Im Fall der mit dem Erstmitbeteiligten getroffenen Vereinbarung werde die Verladung der Sägespäne bzw. des Hackgutes vom Erstmitbeteiligten in seiner Betriebsabteilung "Verladung" durchgeführt. Diese Tätigkeit sei organisatorisch vom restlichen Betriebsgeschehen getrennt. Die Verladertätigkeit des Betriebes des Erstmitbeteiligten beschränke sich nicht nur auf das Verladen von Sägespänen, welche als Produkt des Sägewerks gelten, sondern es werde auch Schnitt- und Rundholz verladen. Firmen, für welche Verladetätigkeit durchgeführt worden seien, seien die P Papierfabrik, Papierfabrik Z, Sägewerk A, B, C, D und E.
Für das Verladergewerbe gelte kein Kollektivvertrag.
Die Ertragsverhältnisse der einzelnen Betriebsparten würden im Prüfungszeitraum Handel 70 %, Säge 20 % und Verladung 10 % ergeben. Für den Verladerbetrieb seien hauptsächlich Aushilfen eingestellt worden.
Wirtschaftlich gesehen erfüllten die Bereiche Handel und Säge derzeit getrennt nebeneinander die Funktionen des Hauptgewerbes. Die Verladung stelle wirtschaftlich gesehen ein Nebengewerbe dar. Organisatorisch werde der Betrieb folgendermaßen geführt: Zwischen den Bereichen Holzhandel und Säge liege eine fachliche und organisatorische Trennung vor. Der Holzhandel könnte unabhängig vom Bestehen der Säge betrieben werden. Auch der Bereich der Säge sei vom Bereich Handel unabhängig. Von diesen beiden Hauptbereichen wiederum fachlich und organisatorisch getrennt bestehe der Verladebereich. Dieser, wirtschaftlich gesehen als Nebenbetrieb geführte Bereich betreffe Dienstleistungen, welche ausschließlich mit eigens dafür eingestellten Aushilfen durchgeführt würden. In diesen Bereich fielen jeweils Erträge und Kosten nur dann an, wenn Tätigkeiten in diesem Betriebszweig zur Durchführung gelangten.
Die von der Berufung umfaßten Dienstnehmer seien ausschließlich mit der Verladung von Sägespänen und Hackgut beschäftigt gewesen. Diese Verladung müsse kurzfristig, innerhalb weniger Stunden erfolgen und gehe so vor sich, daß bei Einlangen der Container kurzfristig die Aushilfen im Bereich Verladung verständigt würden und diese sodann in einem Zeitaufwand von zwei bis drei Stunden zu jeweils vier bis sechs Personen die Verladung durchführten. Diese Arbeiten erfolgten vom Sägebereich räumlich getrennt und würden auch gesondert verrechnet und getrennt an den Auftraggeber fakturiert. Es seien dies einfache Arbeiten; daher würden auch praktisch nur ältere Personen (Pensionisten) beschäftigt und entsprechend der Arbeitsbelastung ein niedriger Stundenlohn bezahlt werden. Die Hilfskräfte seien zwei- bis dreimal pro Woche für zwei bis drei Stunden für diese Tätigkeiten herangezogen worden. Als Entgelt hätten sie S 40,-- netto pro Stunde erhalten. Die Dienstnehmereigenschaft der Aushilfskräfte sei unbestritten.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, das Arbeitsverfassungsgesetz sehe bei Mehrfachkollektivvertragsunterworfenheit des Arbeitgebers in § 9 Abs. 1 und 2 die Möglichkeit der Tarifvielfalt vor. Dies bedeute, daß die für den jeweiligen Betrieb oder die Betriebsabteilung fachlich und örtlich in Frage kommenden Kollektivverträge nebeneinander zur Anwendung kämen, wenn der Arbeitgeber über zwei oder mehrere Betriebe verfüge, ein Haupt- und Nebenbetrieb nebeneinander bestünden oder ein Nebeneinander von organisatorisch und fachlich abgegrenzten Betriebsabteilungen vorliege. Notwendige Bedingung sei, daß eine fachlich gestreute Tätigkeit des Arbeitgebers und damit auch mehrere fachlich abgrenzbare Wirtschaftsbereiche vorlägen. Neben der fachlichen Streuung sei auch eine organisatorische Abgrenzung erforderlich. Dies drücke sich insbesondere in Kriterien wie gesonderte Kalkulation, getrenntes Personalwesen etc. aus. Es könne eindeutig eine Trennung der Bereiche Handel, Säge und Verladung im Betrieb des Erstmitbeteiligten festgestellt werden. Es handle sich dabei um organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen. § 9 Abs. 2 ArbVG sei anzuwenden. Es käme daher für die Arbeitnehmer - diese seien ausschließlich im Bereich des Verladergewerbes beschäftigt gewesen - kein Kollektivvertrag zur Anwendung. Da das Entgelt der Aushilfskräfte die Geringfügigkeitsgrenze im jeweiligen Jahr nicht überschritten hätte, wäre spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die Erstmitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin meint, für die Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes sei die nähere Betrachtung der durch das Sägergewerbe und durch das Verladergewerbe sachlich abgedeckten Tätigkeiten von Bedeutung. Sinn und Zweck der Verladertätigkeit sei die Verladung von fremden Gütern, hier zum Beispiel Schnittholz. Im Beschwerdefall seien die von der Beschwerde umfaßten Dienstnehmer ausschließlich mit dem Schaufeln von Sägespänen bzw. Hackgut, welche im Sägewerk angefallen seien, beschäftigt gewesen. Daraus ergebe sich, daß die Art dieser Tätigkeit sinnhaft nur dem Sägebetrieb zuzuordnen sei. Der Anfall von Hackgut sei in jedem Sägewerk gegeben und auch das Problem der Entsorgung stelle sich für jeden Sägewerker. Die Verwertung der Abfälle, wie hier durch Verkauf, sei also unbedingt notwendig. Es verstehe sich von selbst, daß der Erstmitbeteiligte das Hackgut den jeweiligen Käufern in entsprechender Form bereitstellen müsse. Untechnisch gesprochen werde diese Tätigkeit vom Erstmitbeteiligten als "Verladung" bezeichnet. Dies entspreche jedoch nicht dem typischen Inhalt des Verladergewerbes im gewerberechtlichen Sinne. Würde man die Zerlegung des Verkaufes der Abfälle in einzelne Schritte bejahen, so wären die §§ 33 bis 36 GewO entbehrlich, welche den Produktions- bzw. Dienstleistungsbetrieben die Berechtigung zum Sammeln und Verwerten ihrer Abfallprodukte zugestehen. Es sei auch darauf Bedacht zu nehmen, daß die durch Betriebsvereinbarung festzulegende maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung eines Betriebes im Sinne des § 9 Abs. 3 ArbVG es den Vertragsparteien nicht ermögliche, irgendeinen in Betracht kommenden Kollektivvertrag anzuwenden. Einer willkürlichen bzw. einer den Betroffenen opportune Zuordnung einer Tätigkeit zu einer Betriebsabteilung könne daher keine normative Wirkung zukommen.
Mit diesem Vorbringen läßt die Beschwerdeführerin die aufgrund des unstrittigen Akteninhaltes unbedenklichen Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde außer Betracht:
Demnach wurde bereits 1984 zwischen dem Erstmitbeteiligten und der Firma J ein Vertrag über die Abnahme des gesamten jährlichen Anfalles an Sägespänen und Hackgut ab Halde geschlossen. Aufgrund dieses Vertrages besteht für den Erstmitbeteiligten im Rahmen des Sägewerkes überhaupt keine Notwendigkeit zum Sammeln und Verladen der in diesem Bereich anfallenden Abfälle. Ausgehend von diesem Vertrag ist es daher verfehlt, von einem Zerlegen des Verkaufes der Abfälle in einzelne Schritte zu sprechen. Mit der Vereinbarung zwischen dem Erstmitbeteiligten und dem Abnehmer der Abfälle verpflichtete sich jener zum Abfüllen der Sägespäne und des Hackgutes in Container, also die Verladung der Abfälle vorzunehmen. Diese Tätigkeit nimmt der Erstmitbeteiligte im Rahmen seines Verladergewerbes aufgrund dieser genannten Vereinbarung für den Vertragspartner vor, ebenso wie er auch für andere Geschäftspartner die Verladung von Schnittholz und Rundholz durchführt. Von einer willkürlichen bzw. für den Erstmitbeteiligten opportunen Zuordnung einer Tätigkeit zu einer seiner Betriebsabteilungen kann daher nicht gesprochen werden. Nach den Feststellungen nimmt der Erstmitbeteiligte die Verladung, also auch der Abfälle im Sägewerk, im Auftrag und auf Rechnung eines anderen, unabhängig und organisatorisch abgegrenzt von seinem Holzhandel und seinem Sägewerksbetrieb, vor. Wenn die belangte Behörde daher davon ausging, daß für die im Verladerbereich aushilfsweise beschäftigten Arbeitnehmer der Kollektivvertrag für die im Sägewerk Tätigen keine Anwendung findet, entspricht dies der Rechtslage. In den Fällen, in denen sich die Tätigkeit des Arbeitgebers (hier des Erstmitbeteiligten) nicht bloß fachlich, sondern auch organisatorisch abgrenzen läßt, gilt gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 ArbVG der Grundsatz der Tarifvielfalt, es ist also der allenfalls bestehende für jeden Bereich fachlich und örtlich vorgesehene Kollektivvertrag anzuwenden. Besteht für einen Bereich kein Kollektivvertrag, kommt eine Anwendung des für den anderen Bereich geltenden Kollektivvertrages nach den diesfalls analog heranzuziehenden genannten Gesetzesstellen nicht in Betracht.
Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.