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VwGH vom 08.02.1994, 93/08/0166

VwGH vom 08.02.1994, 93/08/0166

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der F KG in B, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. SV-1089/2-1993, betreffend Rückforderung von Erstattungsbeträgen gemäß § 9 EFZG (mitbeteiligte Partei:

Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit rechtskräftigem Bescheid vom , der vor dem Wort "Bescheid" den Vermerk "Betrifft: Ergebnis der Beitragsprüfung" trägt, sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin verpflichtet sei, für die in der Beitragsrechnung vom (4 Blätter) genannten Versicherten allgemeine Beiträge von S 24.161,30 und Sonderbeiträge von S 2.578,40 nachzuzahlen. Außerdem werde ein Beitragszuschlag von S 5.900,-- vorgeschrieben. Als Rechtsgrundlagen wurden im Spruch des Bescheides genannt: "§ 35 Abs. 1 ASVG,§ 58 Abs. 1 und 2 ASVG,§ 113 Abs. 1 ASVG, § 22 Kassensatzung". Nach der Bescheidbegründung habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bei der Beitragsprüfung am Sozialversicherungsbeiträge nachverrechnet, weil die Beschwerdeführerin Pflichtversicherte nicht, unrichtig oder mit einem zu niedrigen Entgelt zur Sozialversicherung gemeldet habe. Die Namen der Pflichtversicherten und die Zeiträume seien auf der beiliegenden Beitragsrechnung ausgewiesen. Auf der Rückseite des Bescheides fänden sind unter näher angeführten Punkten die gesetzlichen Bestimmungen, auf die sich die Nachverrechnung der Sozialversicherungsbeiträge stütze. Der Beschwerdeführerin habe auch ein Beitragszuschlag vorgeschrieben werden müssen, weil sie Meldebestimmungen nicht beachtet habe.

Mit Bescheid vom sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin gemäß § 9 EFZG verpflichtet sei, für die in der beiliegenden Liste (10 Blätter) namentlich genannten Versicherten und Zeiträume zu unrecht geleistete Erstattungsbeträge von insgesamt S 59.271,68 an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zurückzuzahlen. Die beiliegende Liste sei Bestandteil des Bescheides. Begründend wurde ausgeführt, es sei bei der Beitragsprüfung in der Zeit vom 6. August bis festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin bei krankheits(unfall)bedingten Arbeitsverhinderungen laut dem Lohnkonto nur 80 % des nach § 3 EFZG gebührenden Entgeltes an die Beschäftigten ausbezahlt habe. Für die Erstattung habe die Beschwerdeführerin aber in allen Fällen das volle (gebührende) Entgelt (100 %) beantragt. Es habe aber (aufgrund näherer Darlegungen in der Bescheidbegründung) nur ein Anspruch auf Erstattung im Ausmaß von 80 % des fortgezahlten Entgeltes bestanden. Auf jene Beträge, die die Beschwerdeführerin nicht an die Beschäftigten ausbezahlt habe, sei kein Anspruch auf Erstattung entstanden. Die aufgrund der ursprünglichen Angaben geleisteten Erstattungsbeträge hätten daher rückverrechnet und anhand des tatsächlich fortgezahlten Entgeltes neu berechnet werden müssen. Die Differenz aus dieser Rück- und Nachverrechnung in Höhe von S 59.271,68 sei daher zu Unrecht geleistet worden.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß "über den gegenständlichen Beitragsprüfungszeitraum" bzw. "über das Gesamtergebnis der Beitragsprüfung" bereits mit dem rechtskräftigen Bescheid vom abgesprochen worden sei. Da weder eine Trennung der Entscheidung gemäß § 59 Abs. 1 AVG erfolgt sei noch ein Schreib- bzw. Rechenfehler im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG vorliege, sei die Erlassung eines neuerlichen Bescheides über den selben Beitragsprüfungszeitraum rechtswidrig, weil es sich hiebei um eine bereits entschiedene Sache handle. Im übrigen bekämpfte die Beschwerdeführerin auch die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch teilweise Folge und änderte den bekämpften Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahin ab, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 9 EFZG nur verpflichtet sei, S 57.423,68 an zu Unrecht geleisteten Erstattungsbeträgen an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zurückzuzahlen. In der Bescheidbegründung legte die belangte Behörde zunächst die Erwägungen dar, aufgrund derer sie den vorgeschriebenen Erstattungsbetrag herabgesetzt habe. Den Einwand der "entschiedenen Sache" verwarf die belangte Behörde. Um davon sprechen zu können, müsse die Rechts- sowie Sachlage gleichbleiben. Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch um zwei Bescheide, die auf verschiedenen rechtlichen Grundlagen beruhten und denen auch ein verschiedener Sachverhalt zugrunde liege. Gemeinsam sei ihnen nur das Ermittlungsverfahren, nämlich die Beitragsprüfung vom 6. August bis . Der Bescheid vom habe die Nachverrechnung von allgemeinen und Sonderbeiträgen sowie die Vorschreibung eines Beitragszuschlages betroffen. Grundlage für diese Entscheidungen seien die §§ 44 Abs. 1, 49 Abs. 1 und 2 sowie § 113 Abs. 1 ASVG gewesen. Er beinhalte nicht das gesamte Ergebnis der vorangegangenen bzw. der in der Begründung angeführten Beitragsprüfung. Dies sei außerdem im gesamten Bescheid auch nicht festgestellt worden; es handle sich hiebei, wie die Beschwerdeführerin selbst im Einspruch ausführe, um "das", somit ein Ergebnis der genannten Prüfung. Der mit Einspruch bekämpfte Bescheid betreffe hingegen die Rückforderung von zu Unrecht geleisteten Erstattungsbeträgen nach § 9 EFZG. Auch in diesem Spruch und in der Begründung sei nur über dieses Rechts- und Sachgebiet abgesprochen worden. Die Beschwerdeführerin gehe zu Unrecht davon aus, daß als "Sache" jene Beitragsprüfung anszusehen sei, die beiden Bescheiden zugrunde liege. Daß aber über das gesamte Ergebnis einer Beitragsprüfung nur ein einziger Bescheid zu erlassen sei, falls überhaupt mit Bescheid abzusprechen sei, sei nirgends normiert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich die Beschwerdeführerin nur in ihrem Recht verletzt erachtet, unter Zugrundelegung des rechtskräftigen Bescheides vom nicht zu einer weiteren Zahlung von letztlich S 57.423,68 herangezogen zu werden. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wiederholt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes im wesentlichen dieselben Argumente wie im Einspruch. Da die beiden strittigen Bescheide denselben Beitragszeitraum, dieselbe Beitragsprüfung, aber auch dieselbe Materie beträfen und im Bescheid vom über das Gesamtergebnis der Beitragsprüfung abgesprochen worden sei (dementsprechend sei er auch mit "Ergebnis der Beitragsprüfung" bezeichnet worden), sei die Erlassung des Zweitbescheides vom ohne formelle Aufhebung des Erstbescheides unzulässig gewesen. Die Voraussetzungen einer Aufhebung nach § 68 AVG lägen aber nicht vor, weil der Beschwerdeführerin aus diesem Bescheid bereits das Recht entstanden sei, keine weitere Zahlungsverpflichtung auferlegt zu erhalten. Es sei auch keine Trennung der Entscheidung nach § 59 Abs. 1 AVG erfolgt, was sich schon aus dem genannten Titel des Bescheides vom "Ergebnis der Beitragsprüfung" zeige. Dieser Titel bedeute, daß in diesem Bescheid sämtliche rechtlichen Konsequenzen behandelt worden seien, die sich aus der Beitragsprüfung vom 6. August bis für den Zeitraum der letzten fünf Jahre ergeben hätten. Die Ansicht der belangten Behörde, es könnten beide Bescheide nebeneinander bestehen, sei rechtlich unrichtig, da dies in letzter Konsequenz bedeuten würde, es stehe im Belieben einer Behörde, zur Regelung eines (wenn auch komplexen) Problemkreises beliebig viele Bescheide zu erlassen. Dies wiederum würde zu einer untragbaren Rechtsunsicherheit führen, weil es dann der Willkür der Behörde überlassen bliebe, unter Umgehung der Rechtskraft etwaige Versäumnisse in einem Bescheid, aber auch neue oder andere Ansichten mittels eines anderen Bescheides zu ergänzen oder einzelne etwaige Fehler im Erstbescheid durch einen Zweitbescheid zu korrigieren. Um das hintanzuhalten, habe der Gesetzgeber für die Abänderung von Bescheiden bzw. die Trennung von Entscheidungen bestimmte Kriterien gefordert, die aber im Beschwerdefall nicht gegeben seien. Die beiden Bescheide widersprächen einander aber auch inhaltlich insofern, als im Erstbescheid Krankenkassenbeiträge von Geldern verlangt worden seien, nämlich von der zwanzigprozentigen Differenz der Erstattungsbeiträge, die im Zweitbescheid wiederum zurückgefordert würden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse (diese aber ohne Kostenantrag) eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend davon aus, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse trotz Nichtanführung des § 68 AVG im § 357 ASVG nicht der Verpflichtung enthoben ist, in ihren Bescheiden dem die österreichische Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz der Rechtskraft zum Durchbruch zu verhelfen, deren Wesen in der grundsätzlichen Unanfechtbarkeit und Unwiderrufbarkeit und deren Wirkung u.a. in der grundsätzlichen Unwiederholbarkeit, d. h. der fehlenden Berechtigung, über die mit einem Bescheid erledigte Sache neuerlich zu entscheiden, sowie in der Verbindlichkeit, d.h. der Bindung der Behörden und Parteien an den Bescheidausspruch besteht (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 10.074/A, und vom , Zl. 86/08/0239, sowie Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Seite 171 ff).

"Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit (§ 59 Abs. 1 AVG), die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei dem Bescheid gestützt hat. Die Begründung des Bescheides spielt für die Festlegung seiner objektiven Grenzen lediglich insoweit eine Rolle, als sie zur Auslegung des Spruches heranzuziehen ist, d.h. insoweit, als sich aus ihr der von der Behörde angenommene maßgebende (das ist der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung dienende) Sachverhalt ergibt. Die getroffenen Tatsachenfeststellungen und deren rechtliche Qualifikation sind für sich allein ebensowenig relevant wie die in der Begründung beantworteten Vorfragen (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom , Zl. 86/08/0239, und vom , Zl. 92/08/0191).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist das oben wiedergegebene Beschwerdevorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Denn während mit dem Bescheid vom über die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Bezahlung noch nicht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen sowie eines verhängten Beitragszuschlages aufgrund der im Bescheid zitierten Bestimmungen des ASVG entschieden wurde, betraf der Bescheid vom die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Rückzahlung ihr von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gemäß § 8 EFZG erstatteter Beträge gemäß § 9 EFZG. Ungeachtet des Umstandes, daß das Ermittlungsverfahren, auf das sich beide Bescheide gründen (nämlich die Beitragsprüfung), im selben Zeitraum stattfand und der erstgenannte Bescheid den Betreff "Ergebnis der Beitragsprüfung" trägt, bestand nach den oben wiedergegebenen Sprüchen und Begründungen der beiden Bescheide keine objektive Identität der "in Rede stehenden Angelegenheiten" der beiden Bescheide im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG, über die mit ihnen abgesprochen wurde, d.h. der Hauptfragen, die mit ihnen erledigt wurden (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Seite 158). Eine solche objektive Identität begründete auch nicht der in der Beschwerde behauptete Umstand, daß im erstgenannten Bescheid Sozialversicherungsbeiträge für von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bezahlte Beträge verlangt worden seien, die mit dem zweitgenannten Bescheid wiederum zurückverlangt worden seien, weil auch diesbezüglich "Sache" des erstgenannten Bescheides die Bezahlung offener Sozialversicherungsbeiträge an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, "Sache" des zweitgenannten Bescheides hingegen die Rückzahlung von Erstattungsbeträgen, die vorerst die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse an die Beschwerdeführerin entrichtet hatte, war. Der Beschwerdeführerin ist aber auch nicht darin beizupflichten, daß sich aus dem mehrfach genannten Betreff im erstgenannten Bescheid die Absicht der mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ergäbe, mit diesem Bescheid alle aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren (der Beitragsprüfung) resultierenden Streitfragen in einem Bescheid zu entscheiden. Dieser Betreff ist vielmehr in Verbindung mit dem Spruch und der Begründung dieses Bescheides als bloßer Hinweis auf das dem Bescheid zugrunde liegende Ermittlungsverfahren, eben die Beitragsprüfung, zu verstehen.

Da somit der angefochtene Bescheid im Rahmen des geltend gemachten, die Überprüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes festlegenden Beschwerdepunktes (§ 41 Abs. 1 VwGG) nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.