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VwGH vom 30.05.2001, 98/08/0197

VwGH vom 30.05.2001, 98/08/0197

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

98/08/0198

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des M in Großbritannien (98/08/0197) und der B in Großbritannien (98/08/0198), beide vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Lugeck 7/14, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 15-II-M 15/97 (zu 98/08/0197), und Zl. MA 15-II-B 37/97 (zu 98/08/0198), betreffend Begünstigung gemäß §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat jeder beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von je S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der nach der Aktenlage zumindest seit 1914 in Österreich lebende britische Staatsbürger Ernest Albert M führte schon 1922 in Karlstein/Thaya eine Teppicherzeugung und ab 1937 in Waidhofen/Thaya einen Betrieb der Erzeugung von Garnen, Watte und Reiswolle. Im April 1938 kehrte er mit seiner Familie nach England zurück. Die beschwerdeführenden Parteien sind seine Kinder.

Der am in Karlstein/Thaya geborene Beschwerdeführer (zu 98/08/0197) stellte mit einer am bei der mitbeteiligten Partei eingelangten Eingabe den "Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach 506". Die in Briefform gehaltene Eingabe ist mit Ausnahme der vorhin angeführten Formulierung in englischer Sprache gehalten. In der Folge legte der Beschwerdeführer über Aufforderung der mitbeteiligten Partei verschiedene Schriftstücke und Urkunden teils in englischer, teils in deutscher Sprache, darunter einen Auszug aus der englischen Tageszeitung "The Evening News" vom vor.

Die österreichische Botschaft in London stellte am eine Bescheinigung gemäß § 506 Abs. 3 ASVG zur Vorlage an die mitbeteiligte Partei aus, wonach der Beschwerdeführer vom April 1938 bis Oktober 1960 in Großbritannien, vom Oktober 1960 bis Juli 1962 in Frankreich und von Juli 1962 bis dato in Großbritannien emigriert gewesen sei.

Mit Bescheid vom lehnte die mitbeteiligte Partei die Begünstigung für die Zeit vom bis ab. In der Begründung wird hiezu ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht dem gemäß § 500 ASVG zu begünstigenden Personenkreis angehöre.

Die am geborene Beschwerdeführerin zu 98/08/0198 stellte mit dem am bei der mitbeteiligten Partei eingelangten Schreiben den "Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 506". Die in Briefform gehaltene Eingabe ist mit Ausnahme der angeführten Wortfolge in englischer Sprache gehalten. Im folgenden Ermittlungsverfahren legte die Beschwerdeführerin verschiedene Schreiben und Urkunden teils in englischer, teils in deutscher Sprache vor.

Mit Bescheid vom lehnte die mitbeteiligte Partei die Begünstigung für die Zeit vom bis ab. In der Begründung wird dazu ausgeführt, das vorangegangene Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin nicht dem gemäß § 500 ASVG zu begünstigenden Personenkreis angehöre.

Die Beschwerdeführer erhoben jeweils Einspruch. Darin machten sie geltend, sie seien in Österreich geboren. Der Vater sei britischer Staatsbürger, die Mutter Österreicherin gewesen. Auf Grund der ausländischen Staatsangehörigkeit des Vaters sowie der politischen Umstände sei ihre Familie gezwungen worden, das Land zu verlassen. Der Vater habe eine Textilfabrik betrieben. Er sei durch die neuen politischen Machthaber gezwungen worden, Stoffe für Uniformen herzustellen. Der Vater habe sich jedoch geweigert, dies zu tun. Sie hätten unter Zurücklassung des gesamten Vermögens Österreich verlassen müssen. Damit zählten sie zu den Personen, die in der Zeit vom bis aus politischen Gründen in ihren sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen einen Nachteil erlitten hätten und nach Maßgabe der §§ 500 ff ASVG zu begünstigen seien. Wie dem neuerlich vorgelegten Auszug aus einer englischen Tageszeitung vom zu entnehmen sei, liegen zweifelsfrei Umstände vor, die dem §§ 500 ASVG zu unterstellen seien.

Die Beschwerdeführerin hielt schließlich noch fest, dass sie laut Schreiben des Nationalfonds der Republik Österreich vom Oktober 1996 als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt und ihr ein Entschädigungsbetrag zuerkannt worden sei.

Mit den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Einsprüche als unbegründet ab. Die belangte Behörde führte jeweils nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Gesetzeszitaten aus, strittig sei, ob die Beschwerdeführer aus politischen Gründen, die in der Person ihres Vaters gelegen waren, im April 1938 aus Österreich ausgewandert seien und damit in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen Nachteile erlitten hätten. Hiebei könne nur der Nachweis einer konkreten politischen Verfolgung oder der begründeten Gefahr einer solchen für eine Begünstigung anspruchsbegründend sein. Von den Beschwerdeführern werde im Wesentlichen geltend gemacht, dass ihr Vater wegen seiner freundschaftlichen und geschäftlichen Kontakte mit Juden und wegen seiner Weigerung, militärisches Material herzustellen beim NS-Regime sehr unbeliebt geworden sei. Dies auch wegen einer Freundschaft mit dem Bürgermeister, der der "kirchlichen Partei" angehört habe. Der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Emigration im April 1938 erst sieben Jahre alt gewesen, könne sich auf Grund dieses Alters an nachteilige Kontakte seines Vaters mit den Behörden der damaligen Machthaber und an konkrete Maßnahmen der damaligen Behörden gegen seinen Vater nicht erinnern. Auch die Beschwerdeführerin hätte sich an konkrete behördliche Schritte der damaligen Machthaber gegen ihren Vater nicht erinnern können. Damit lägen jedoch keine Nachweise für konkrete Verfolgungshandlungen aus politischer Motivation gegen den Vater der Beschwerdeführer vor. Aus dem Umstand, dass sich der Vater der Beschwerdeführer geweigert habe, Uniformstoffe für die neuen politischen Machthaber herzustellen, lasse sich eine Verfolgung aus politischen Gründen oder die begründete Gefahr einer solchen nicht ableiten. Auch aus dem Umstand, dass der Vater der Beschwerdeführer Geschäftsverbindungen mit Juden gehabt habe, lasse sich eine begründete Gefahr einer politischen Verfolgung nicht ableiten, weil nach der Judikatur in der Zeit vom bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges nach zeitgeschichtlichen Quellen keine allgemeine Verfolgungsgefahr für Personen bestanden habe, die mit Juden Beziehungen unterhalten haben. Eine lediglich subjektiv begründete Furcht vor der weiteren politischen Entwicklung in Österreich sei hingegen begünstigungsrechtlich nicht relevant.

Auch aus der Aussage der Beschwerdeführerin, wonach ihr Vater nach der Machtübernahme der "Nazis" Angst gehabt habe, die Teppicherzeugung nicht weiterführen zu können und aus den vorgelegten schriftlichen Unterlagen, insbesondere dem Auszug aus der englischen Tageszeitung "The Evening News" vom lasse sich entnehmen, dass der Vater der Beschwerdeführer bereits ab dem Jahre 1934 auf Grund der damaligen wirtschaftlichen Rezession finanzielle Schwierigkeiten gehabt habe. Diese Schwierigkeiten dürften sich auf Grund der Ereignisse des vergrößert haben. Aus einem Schreiben des Finanzamtes Waidhofen/Thaya vom gehe hervor, dass der Genannte steuerliche Rückstände in der Höhe von S 7.003,76 aufgewiesen habe und die Einbringungsmaßnahme mangels pfändbarer Gegenstände erfolglos gewesen sei. Dies lasse den Schluss zu, dass der Vater der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine finanzielle Lage und in Anbetracht der vorhersehbaren weiteren politischen Entwicklung keine Zukunft mehr für sich und seine Familie in Österreich gesehen habe und daher aus wirtschaftlichen Gründen nach England zurückgekehrt sei. Eine Auswanderung aus derartigen Motiven lasse sich jedoch nicht unter die Begünstigungsbestimmungen der §§ 500 ff subsumieren. Die belangte Behörde komme daher in freier Würdigung der ihr vorliegenden Beweismittel und Fakten zum Schluss, dass eine konkrete objektiv begründete Verfolgungsgefahr für den Vater der Beschwerdeführer aus politischen Gründen nicht bestanden habe und der Vater der Beschwerdeführer daher nicht aus Gründen des §§ 500 ASVG gezwungen gewesen sei, Österreich im April 1938 mit seiner Familie zu verlassen.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt worden, sei zu erwähnen, dass hiefür andere Voraussetzungen vorliegen müssen als für die begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten nach den Bestimmungen der §§ 500 ff ASVG.

Gegen diese Bescheide richten sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden mit dem Begehren, sie kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei Gegenschriften, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbunden und darüber erwogen:

Sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Auffassung der belangten Behörde, konkrete Verfolgungshandlungen gegen ihren Vater seien nicht nachgewiesen worden. Es sei ihnen wohl nicht zuzumuten gewesen, dass ihre Familie so lange zugewartet hätte, bis Repräsentanten des NS-Regimes an die Tür geklopft hätten und eine Flucht dann wohl nicht mehr möglich gewesen wäre. Auf Grund der historischen Tatsachen könne davon ausgegangen werden, dass im Falle der unterbliebenen Flucht die Familie der Beschwerdeführer als englische Staatsbürger bei Kriegsausbruch interniert worden wären. Die behauptete aktuelle und unmittelbar drohende Verfolgung ihrer Familie sei durch den Zeitungsartikel aus dem Jahr 1938 belegt. Der Umstand, dass die belangte Behörde eine Übersetzung dieses Artikels unterlassen habe, habe offenbar die Entscheidung der belangten Behörde beeinflusst. Darüber hinaus werde gerügt, dass die belangte Behörde mangels eigener Spezialkenntnisse einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Zeitgeschichte beizuziehen gehabt hätte.

Nach § 500 ASVG werden Personen, die in der Zeit vom bis aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen einen Nachteil erlitten haben, nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 501, 502 Abs. 1 bis 3 und 5 und 506 ASVG Personen, die aus den angeführten Gründen ausgewandert sind, nach den §§ 502 Abs. 4 bis 6, 503 und 506 ASVG begünstigt. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist lediglich strittig, ob der Vater der Beschwerdeführer - und damit auch diese - im April 1938 aus politischen Gründen aus Österreich ausgewandert ist.

Zunächst ist festzuhalten, dass die politischen Gründe des § 500 ASVG auch die Gründe der Nationalität umfassen (vgl. das Erkenntnis vom , 88/08/0102). Wenn der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, unter den in § 500 Abs. 1 ASVG genannten politischen Gründen, aus denen der Begünstigungswerber ausgewandert sei, könne nicht schon eine politische Überzeugung oder allein die Mitgliedschaft zu einer bestimmten politischen Partei verstanden werden, sondern nur eine konkrete politische Verfolgung oder die begründete Gefahr einer solchen, so brachte er dadurch nicht zum Ausdruck, eine konkrete politische Verfolgung oder die begründete Gefahr einer solchen könne überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn die betreffende Person konkrete politische Maßnahmen gegen die NS-Machthaber gesetzt habe. Nach dieser Interpretation der aus politischen Gründen verfolgungsbedingten Auswanderung vermag nur der Nachweis einer konkreten politischen Verfolgung oder der begründeten Gefahr einer solchen anspruchsbegründend sein. Auf dem Boden dieser Rechtslage kommt es somit nicht darauf an, ob der Begünstigungswerber konkrete politische Maßnahmen gegen die NS-Machthaber gesetzt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 85/08/0142).

Eine Verfolgung aus politischen Gründen konnte daher nur dann vorliegen, wenn entweder der Vater der Beschwerdeführer konkret verfolgt worden wäre oder wenn für ihn eine - wenn auch noch nicht konkretisierte - allgemeine Verfolgungsgefahr bestanden hätte.

Auf die erstgenannte Variante (konkrete Verfolgung) bezieht sich die Beschwerde im Rahmen der Verfahrensrüge: Die belangte Behörde habe Teile des vorgelegten Zeitungsartikels nicht berücksichtigt.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

Nach § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 leg. cit. hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie u.a. den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Wenn eine Partei konkrete Einwände gegen die Vollständigkeit und Richtigkeit der für die Erledigung einer konkreten Verwaltungssache relevanten Ermittlungsergebnisse erhebt, muss die Behörde die Erwägungen, die sie veranlassten, diese Ermittlungsergebnisse als ausreichend zu erachten, auf Grund dieser Ermittlungsergebnisse Tatsachen als erwiesen anzunehmen und die gegenteiligen Behauptungen der Partei als bedeutungslos abzutun, klar und übersichtlich zusammenfassen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 93/07/0102).

Die belangte Behörde hat auf Seite 4 ihres Bescheides den Artikel der Tageszeitung ausdrücklich erwähnt und auf seiner Grundlage als erwiesen angenommen, dass der Vater der Beschwerdeführer seit 1934 wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte und sich diese auf Grund der Ereignisse des Jahres 1938 vergrößert hätten, wobei sich die belangte Behörde auch noch auf das Pfändungsverfahren des Finanzamtes berufen konnte (Schreiben vom ).

Da sich die Beschwerdeführer an nichts erinnern und daher auch zum, Beweisergebnis nichts beitragen konnten, kann die Gesamtwürdigung der vorgelegten Unterlagen durch die belangte Behörde nicht als unschlüssig erachtet werden. Auch im Hinblick darauf, dass die Unbeweisbarkeit maßgeblicher Sachverhaltsmomente notwendigerweise zu Lasten der Beschwerdeführer geht, kann der Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine konkrete, individuelle Verfolgung des Vaters der Beschwerdeführer im Zeitraum vor deren Emigration nicht als erwiesen angenommen hat.

In der vorliegenden Angelegenheit wird behauptet, dem Vater der Beschwerdeführer sei wegen seiner Weigerung, sich naturalisieren zu lassen, d.h. die hiesige Staatsbürgerschaft anzunehmen, gedroht worden und es sei wegen seiner ausländischen Staatsangehörigkeit sein Betrieb boykottiert worden. Diese Repressalien wären aber nur unter der Voraussetzung begünstigungsrechtlich relevant, wenn in der Zeit vom bis zur Auswanderung eine allgemeine Verfolgungsgefahr für Ausländer, insbesondere Engländer bestand. Ob deshalb eine solche allgemeine Verfolgungsgefahr angenommen werden kann, ist klärungsbedürftig. Es hängt somit das Problem, ob ein Begünstigungstatbestand vorliegt, von der in der bisherigen Rechtsprechung - soweit ersichtlich - noch nicht beantworteten Frage ab, ob einer Person englischer Staatsangehörigkeit nach dem und im weiteren Verlauf des Frühjahrs 1938 ganz allgemein wegen dieser Staatsangehörigkeit Verfolgungsmaßnahmen drohten, sei es, dass sie Gefahr lief gezielt boykottiert und damit ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt zu werden, sei es auf andere Weise. In dieser Hinsicht erweist sich die Rüge als berechtigt: die belangte Behörde hat aus ihren Tatsachenfeststellungen über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Vaters der Beschwerdeführer die Schlussfolgerung gezogen, dass eine "konkrete, objektiv begründete Verfolgungsgefahr des Vaters ... aus politischen Gründen nicht bestanden hat". Sie hat aber in diesem Zusammenhang die Frage der allgemeinen Verfolgungsgefahr außer Acht gelassen und auch keine geeigneten Ermittlungen (z.B. durch Nachfrage bei einer mit der Geschichte dieser Zeit befassten Institution, wie z.B. dem "Dokumentationsarchiv des österr. Widerstandes" oder bei einem Universitätsinstitut für Zeitgeschichte) angestellt. Selbst wenn nämlich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Vaters der Beschwerdeführer für dessen Entschluss zur Ausreise maßgeblich gewesen sein sollte, würde dies (nicht anders als im Falle der Ausreise von Personen jüdischer Abstammung, die sich infolge der Ereignisse des in bereits längere Zeit bestandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden haben) dann nicht schaden, wenn auch eine allgemeine Verfolgungsgefahr für Personen mit englischer Staatsangehörigkeit zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden hätte. Ob dies der Fall war, ist dem Verwaltungsgerichtshof aus eigenem nicht bekannt. Da die Forschungen auf diesem Gebiet gerade in den letzten Jahren besonders intensiviert worden sind, kann diese Frage ohne Befassung zuständiger Fachleute jedenfalls nicht von vornherein verneint werden. Die belangte Behörde hätte daher die Aufgabe gehabt, die zur Klärung dieser Frage notwendigerweise zu berücksichtigenden historischen Gegebenheiten zu recherchieren.

Da nicht auszuschließen ist, dass sie bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Begehren auf Ersatz von Stempelgebühren war im Hinblick auf die bestehende sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) abzuweisen.

Wien, am