VwGH vom 19.12.1990, 90/02/0164
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 70-11/1764/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem näher genannten Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (die Alkoholbeeinträchtigung wurde bei einer amtsärztlichen Untersuchung im Sinne des § 5 Abs. 4 StVO 1960 festgestellt). Er habe dadurch eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen; über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer behauptet, bei dem Tatort handle es sich nicht um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO 1960, sodaß die Anwendung dieses Bundesgesetzes auf sein inkriminiertes Verhalten nicht zulässig wäre.
Nach dem insofern übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens handelt es sich bei dem Tatort um einen sogenannten "Firmenparkplatz", der über eine Zufahrt von einer Nebenfahrbahn aus erreicht werden kann; das in Rede stehende Areal ist bis auf die erwähnte Zufahrtsmöglichkeit umzäunt und mit der Hinweistafel "Parkplatz für Kunden" gekennzeichnet.
Beide Parteien gehen auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung aller drei Höchstgerichte davon aus, daß es im gegenständlichen Zusammenhang nicht auf die Eigentumsverhältnisse an der Verkehrsfläche ankommt.
Die belangte Behörde begründet ihren Standpunkt, der Parkplatz sei eine Straße mit öffentlichem Verkehr, damit, daß die Einfahrt nicht abgeschrankt sei und daß die Kunden des Grundeigentümers einen unbestimmten Personenkreis darstellten. Eine Beschränkung der Benützung des Parkplatzes auf diesen Personenkreis nach dem Willen des Grundeigentümers nehme einer Verkehrsfläche nicht die Eigenschaft einer Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO 1960.
Der Beschwerdeführer vertritt demgegenüber den Standpunkt, daß durch die vom Eigentümer angebrachte Hinweistafel "Parkplatz für Kunden" die Benützung der Straße durch jedermann unter den gleichen Bedingungen ausgeschlossen werde.
Beide Parteien berufen sich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 227/76. Die entscheidenden Ausführungen in der Begründung dieses Erkenntnisses lauten: "Der Verwaltungsgerichtshof ist ... davon ausgegangen, daß eine Straße dann für jedermann unter den gleichen Bedingungen wird benützt werden können, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Da es auch sein kann, daß eine Privatstraße für die Benützung der Allgemeinheit zugänglich ist, wird die Öffentlichkeit einer zur Gänze im Privateigentum stehenden Straße nur dann nicht anzunehmen sein, wenn sie etwa abgeschrankt oder ihre Benutzung unter Hinweis auf ihre Eigenschaft als Privatstraße der Allgemeinheit sichtlich verboten ist ... . Das Tatbildmerkmal des öffentlichen Verkehrs einer Straße geht auch nicht etwa dadurch verloren, daß die Benützung der Straße nur generell bestimmten Gruppen erlaubt ist ..., hingegen sind Straßen, die nur zu bestimmten Zwecken zugänglich sind, keine Straßen mit öffentlichem Verkehr". Daraus wurde gefolgt, daß ein bestimmter Tankstellenbereich, an dem keinerlei Schranken oder Aufschriften angebracht waren und der von Kunden der Tankstelle, aber auch von weiteren Personen, insbesondere von Kunden eines benachbarten Geschäftes benützt werden konnte, als Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO 1960 zu qualifizieren sei.
Diese Ausführungen haben in der Folge in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes u.a. insofern eine Konkretisierung erfahren, daß die Anbringung von Hinweisschildern, nach denen die Benützung der betreffenden Verkehrsfläche "Anrainern und Lieferanten" vorbehalten sei (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 9511/A) oder nach denen auf einem umzäunten Gasthausparkplatz "Parken nur für Gäste" erlaubt sein soll (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 90/02/0094, 0095), an der Qualität der Verkehrsfläche als einer Straße mit öffentlichem Verkehr nichts zu ändern vermag. Bei dem zuletzt genannten Erkenntnis stand im Vordergrund, daß der nach dem Willen des Grundeigentümers zur Benützung der Verkehrsfläche berechtigte Personenkreis von vornherein unbestimmt ist, insbesondere weil jedermann die Möglichkeit habe, Gast zu werden.
Im Lichte dieser Rechtsprechung konnte die belangte Behörde in unbedenklicher Weise den Tatort als Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO 1960 qualifizieren, da es unbestrittenermaßen jedermann möglich war, mit einem Kfz auf den Parkplatz zu gelangen. Der Kreis der Kunden ist nicht von vornherein auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt; überdies können auch Personen unter Mißachtung der vom Grundeigentümer ausgesprochenen Widmung den Parkplatz benützen.
Da es bei der in Rede stehenden Beurteilung nicht auf den Willen des Grundeigentümers, die Benützung der Verkehrsfläche durch die Allgemeinheit zu gestatten oder auf einen bestimmten Personenkreis einzuschränken, ankommt, erübrigte sich auch die vom Beschwerdeführer vermißte Einvernahme des Geschäftsführers der Grundeigentümerin des Parkplatzes.
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.