VwGH vom 23.02.2000, 98/08/0179
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/III, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/RALV/1218/1998-Mag.Ed/S, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte mit dem am ausgegebenen Formular die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Frage
"4. Ich stehe derzeit in Beschäftigung. Wenn ja, Art der Tätigkeit (z.B. Dienstnehmer, Hausbesorger, Mitarbeiter im Familienbetrieb, Geschäftsführer)" verneinte er. Nach der dem Antrag angeschlossenen Arbeitsbescheinigung war der Beschwerdeführer zuletzt vom 15. April bis beschäftigt.
Mit Mitteilung vom einer regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice wurde der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld ab anerkannt. Der Beschwerdeführer stand bis in Bezug von Arbeitslosengeld.
Am beantragte der Beschwerdeführer wiederum Arbeitslosengeld. Auf Grund der daraufhin erfolgten Bekanntgabe der Daten der Versicherungsdatei des Hauptverbandes der Versicherungsträger vom wurde bekannt, dass der Beschwerdeführer bei seinem Dienstgeber vom bis geringfügig und ab 7. April wiederum vollversichert beschäftigt war.
Mit Bescheid vom sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes "für den nachstehend angeführten Zeitraum widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in dem nachstehend angeführten Geldbetrag verpflichtet werde.
Im Spruch dieses Bescheides ist zwar der rückgeforderte Betrag genannt, nicht jedoch der Zeitraum. In der Begründung ist nach auszugsweiser Wiedergabe der im Spruch zitierten Gesetzesbestimmungen zu lesen, der Beschwerdeführer sei ab beim selben Dienstgeber geringfügig beschäftigt worden und zwar direkt nach Ende des vollversicherten Dienstverhältnisses. Der Beschwerdeführer habe dies nicht gemeldet. Es sei daher vom bis Arbeitslosigkeit nicht vorgelegen.
Der Beschwerdeführer erhob mit dem als Einspruch bezeichneten Schriftsatz vom Berufung. Darin führte er aus, gemäß § 12 Abs. 6 lit. a AlVG gelte als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erziele, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge nicht übersteige. Er sei ab beim Dienstgeber geringfügig beschäftigt gewesen, was dem AMS bekannt gewesen sei. Das AMS hätte bereits im Frühjahr 1997 erkennen müssen, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden sei und hätte einen diesbezüglichen Rückforderungsbescheid erlassen müssen. Die Rückforderung sei daher verspätet und somit unberechtigt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt. In der Begründung führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesstellen aus, der Beschwerdeführer sei bis voll versicherungspflichtig und ab bis beim selben Dienstgeber geringfügig beschäftigt gewesen. Es sei daher § 12 Abs. 3 lit. i AlVG anzuwenden, wonach jemand nicht als arbeitslos gelte, der beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnehme, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge nicht übersteige, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen sei. Dies treffe auf den Beschwerdeführer nicht zu. Er sei daher im Zeitraum vom bis nicht arbeitslos gewesen. Die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes sei daher gesetzlich nicht begründet gewesen.
Der Beschwerdeführer habe die geringfügige Beschäftigung nicht gemeldet und sei dies der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice erst im Zuge der neuerlichen Antragstellung des Beschwerdeführers im Dezember 1997 bekannt geworden. Durch die Nichtmeldung sei es zum unberechtigten Bezug gekommen. Es liege der Rückforderungstatbestand "Verschweigung maßgeblicher Tatsachen" vor. Eine Verpflichtung zum Rückersatz sei jedoch nur für unberechtigte Leistungsbezüge, die länger als fünf Jahre vor dem Bekanntwerden bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice liegen, unzulässig.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom , B 941/98). In der Begründung heißt es, es stehe dem Gesetzgeber frei, zur Verhinderung von Missbräuchen - ungeachtet denkbarer Härtefälle - Leistungen nicht schon dann vorzusehen, wenn die Vertragspartner die wechselseitigen Hauptpflichten bloß (vorübergehend) aussetzen oder unter die Geringfügigkeitsgrenze herabsetzen, sondern erst dann, wenn ein Arbeitsplatz durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich verloren geht (und der Arbeitslose keine neue, die Geringfügigkeitsgrenze übersteigende Beschäftigung findet; vgl. RV 72 BlgNR 20. GP, 234 f).
In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer auch in der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde darauf hinweist, § 12 Abs. 3 lit. i AlVG stelle eine verfassungswidrige Regelung dar, ist er auf den Inhalt des genannten Ablehnungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der Begründung des Ablehnungsbeschlusses an und sieht sich daher nicht veranlasst, ein Normprüfungsverfahren zu beantragen.
Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte § 12 Abs. 6 lit. a AlVG anwenden müssen. Der Widerruf sei daher zu Unrecht erfolgt. Die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG sei nicht als lex specialis zu § 12 Abs. 6 lit. a leg. cit. anzusehen.
Die von der belangten Behörde angewendete Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG wurde mit Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, mit in Kraft gesetzt und lautet wie folgt:
"(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:
...
i) wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist."
Die vom Beschwerdeführer angesprochene Bestimmung des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG lautet:
"(6) Als arbeitslos gilt jedoch,
a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Einkommen gemäß § 36a erzielt, dass die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben;"
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer unmittelbar nach seiner vollversicherungspflichtigen Beschäftigung beim selben Dienstgeber geringfügig beschäftigt war und daran wiederum ein vollversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anschloss. Für den Fall, dass dadurch das vorhergehende Dienstverhältnis beendet wurde, ist dessen ungeachtet der Tatbestand des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG erfüllt. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass diese Bestimmung im Verhältnis zu § 12 Abs. 6 lit. a AlVG die speziellere Norm ist.
Gegen die Rückforderung des solcherart unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes wendet der Beschwerdeführer ein, der Dienstgeber habe die An- bzw. Ummeldung der geringfügigen Beschäftigung des Beschwerdeführers unverzüglich bei der Gebietskrankenkasse vorgenommen. Das Arbeitsmarktservice hätte bereits im Frühjahr 1997 erkennen müssen, dass er direkt im Anschluss an die Vollbeschäftigung beim selben Dienstgeber geringfügig beschäftigt gewesen sei.
Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer seiner Meldepflicht bei der Antragstellung und auch in der Folge niemals nachgekommen ist. Selbst aus der bei der Antragstellung vorgelegten Arbeitsbescheinigung ist nicht zu ersehen, dass das Dienstverhältnis in eine geringfügige Beschäftigung umgewandelt worden wäre.
Von der Meldung des Dienstgebers des Beschwerdeführers an die Gebietskrankenkasse hat die belangte Behörde jedoch erst durch die Abfrage der beim Hauptverband gespeicherten Versicherungsdaten am Kenntnis erlangt. Die aus Anlass der am erfolgten Antragstellung vorgenommene Abfrage der Versicherungdaten mit enthält keine Meldung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses. Auf Grund der gemäß § 33 ASVG möglichen Meldepflicht von einem Monat gingen die Behörden bei Beurteilung des Antrages des Beschwerdeführers vom zutreffend von dem im Antrag und in der beigelegten Bescheinigung enthaltenen Angaben aus. Dass diese Angaben unvollständig sind, weil sie die Aufnahme der geringfügigen Beschäftigung im Anschluss an die Vollbeschäftigung nicht enthalten, ist unstrittig. Damit ist die belangte Behörde zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand der Verschweigung im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt hat.
Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde geltend macht, er selbst habe "von Beginn weg" die geringfügige Beschäftigung offen gelegt, ist darauf zufolge des Neuerungsverbotes des § 41 VwGG nicht einzugehen.
Schließlich macht der Beschwerdeführer geltend, das Arbeitslosenversicherungsgesetz enthalte keine Regelung bezüglich der Rückforderung von Leistungen, die zu Unrecht erbracht worden seien. Die belangte Behörde hätte daher § 107 Abs. 2 lit. a ASVG analog anwenden müssen und wäre dann zum Ergebnis gekommen, dass das Arbeitsmarktservice die sie treffende Aufgriffsobliegenheit verletzt habe. Das AMS hätte innerhalb einer angemessenen Frist die Rückforderung aussprechen müssen. Dies sei in der gegenständlichen Rechtssache nicht erfolgt.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer auf die Bestimmungen des § 25 AlVG, insbesonders Abs. 6 zu verweisen. Demnach ist eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionale Geschäftsstelle, zurückliegen. Für eine analoge Anwendung des § 107 Abs. 2 ASVG bleibt zufolge der abschließenden Regelung in der genannten Bestimmung des AlVG kein Raum.
Die Beschwerde erweist sich daher als unberechtigt und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am