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VwGH vom 29.08.1990, 90/02/0108

VwGH vom 29.08.1990, 90/02/0108

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

90/02/0109

Betreff

N gegen Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Mariahilf, vom , 1. Zl. Pst 3494/89, 2. Zl. Pst 4192/89, jeweils betreffend Ansuchen um Bewilligung einer Teilzahlung gemäß § 54b Abs. 3 VStG hinsichtlich einer wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 verhängten Geldstrafe

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 21.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden in zwei Verwaltungsstrafverfahren jeweils Ansuchen des Beschwerdeführers vom "um Bewilligung einer Teilzahlung bezüglich der mit Berufungsbescheid vom rechtskräftig ausgesprochenen Geldstrafe von S 25.000,--, zuzüglich von S 2.500,-- Kosten, ... gemäß § 54b Abs. 3 VStG 1950 abgewiesen".

Gegen den zur Zl. Pst 3494/89 ergangenen Bescheid richtet sich die zur Zl. 90/02/0108 protokollierte Beschwerde, gegen den zur Zl. 4192/89 ergangenen Bescheid die zur Zl. 90/02/0109 protokollierte Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten jeweils insoweit verletzt, als ihm bis zum Ende seiner Haftzeit Ratenzahlung von je S 1.000,-- monatlich nicht genehmigt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden im wesentlichen gleichlautenden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat erwogen:

Der in gerichtlicher Haft befindliche Beschwerdeführer beantragte in beiden Verwaltungsstrafverfahren die Bewilligung von Teilzahlungen ab in der Höhe von monatlich S 1.000,-- bis zu seiner Enthaftung am , danach Zahlung des Restbetrages aufgeteilt auf 14 Monatsraten. Zur Zl. Pst 4192/89 fügte er hinzu, daß sein monatliches Einkommen derzeit S 8.000,-- betrage. Nach Eingang dieser beiden Ansuchen am richtete die belangte Behörde an den Beschwerdeführer am ein Schreiben unter Anführung beider Aktenzeichen und unter Verwendung eines Vordruckes, in dem es heißt:

"Unter Bezug auf das obzitierte Ansuchen um Teilzahlung teilen wir Ihnen mit, daß gemäß § 54b Abs. 3 VStG 1950 einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, eine Teilzahlung zu bewilligen ist. Voraussetzung dafür ist jedenfalls die aktuelle Zahlungsfähigkeit. Da in Ihrem Ansuchen keinerlei wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 54b Abs. 3 VStG 1950 angeführt sind und auch die Zahlungsfähigkeit nicht nachgewiesen wurde, fordern wir Sie auf, innerhalb von zwei Wochen ab der Zustellung dieses Schreibens schriftlich die Zahlungsfähigkeit nachzuweisen und wirtschaftliche Gründe, die eine Bewilligung Ihres Ansuchens rechtfertigen würden, bekanntzugeben. Sollte innerhalb der gesetzten Frist keine Bekanntgabe erfolgen, wird über das obzitierte Ansuchen ohne Ihre weitere Anhörung entschieden werden."

Nachdem keine Anwort einging, erließ die belangte Behörde die beiden angefochtenen Bescheide.

Der Beschwerdeführer behauptet in den vorliegenden Beschwerden, die Aufforderung der belangten Behörde vom sei ihm nie zugestellt worden; auch im kreisgerichtlichen Gefangenenhaus lägen darüber keine Unterlagen auf.

Da die belangte Behörde über keinen Zustellnachweis verfügte, war sie nicht in der Lage diesen Behauptungen entgegenzutreten. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß die Aufforderung vom dem Beschwerdeführer zugekommen wäre.

In ihrer Gegenschrift zur unter der Zl. 90/02/0109 protokollierten Beschwerde führt die belangte Behörde allerdings aus, ein wesentlicher Verfahrensmangel könne nicht vorliegen, da sie gar nicht verpflichtet gewesen sei, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen.

Diese Auffassung vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen:

Wenn die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/02/0174, verweist, ist zu bemerken, daß der Beschwerdeführer hinsichtlich der vorübergehenden Natur seiner finanziellen Schwierigkeiten den Termin seiner voraussichtlichen Haftentlassung genannt hat; er hat weiters in einem seiner beiden gleichzeitig gestellten, von der belangten Behörde unter einem bearbeiteten Ansuchen behauptet, ein monatliches Einkommen von S 8.000,-- zu haben. Nachweise waren nicht angeschlossen, was nicht schon mit dem Antrag geschehen mußte.

War der maßgebliche Sachverhalt nicht schon auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers in seinen Anträgen von vornherein klar, so hatte der Erlassung eines Bescheides gemäß § 56 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ein Ermittlungsverfahren voranzugehen. Für dieses gelten unter anderem die Grundsätze der Amtswegigkeit (§ 39 Abs. 2 AVG) sowie der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs (§ 37 AVG). Die belangte Behörde hatte dem Beschwerdeführer hiebei ausreichend Gelegenheit zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung - wozu der Beschwerdeführer wegen seiner Absicht, eine Begünstigung in Anspruch zu nehmen, im besonderen Maße verpflichtet war - zu geben (vgl. zu den Grundsätzen des Ermittlungsverfahrens Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens3 Seite 191 ff). Für diesen Zweck verfügte die belangte Behörde im Falle von Teilzahlungsansuchen sogar über eigene Vordrucke (Lager Nr. 196a). Da nicht feststeht, daß der Beschwerdeführer die entsprechende Aufforderung vom erhalten hat, liegt ein Verfahrensmangel vor.

Dieser ist wesentlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, wenn dem Beschwerdeführer Gelegenheit zum Nachweis seiner "aktuellen Zahlungsfähigkeit" geboten worden wäre. Die belangte Behörde hätte dann nämlich im Rahmen des Beschwerdepunktes, wonach sich der Beschwerdeführer durch die Nichtgewährung von Raten bis zum Ende seiner Haftzeit beschwert erachtet, für diesen Zeitraum allenfalls zur Bewilligung von Teilzahlungen gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.