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VwGH vom 26.02.2004, 2001/21/0034

VwGH vom 26.02.2004, 2001/21/0034

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

2001/21/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerden 1. des Mirza G, (hg. Zl. 2001/21/0034), und 2. des Marko G, (hg. Zl. 2001/21/0038), beide vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 17, gegen die Bescheide jeweils der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. Fr 4840/00 (ad. 1.), und Zl. Fr 4841/00 (ad 2.), jeweils betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Jeder Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführer, Brüder und Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, unbefristete Aufenthaltsverbote.

Diese Bescheide begründete sie annähernd gleichlautend und verwies insbesondere auf die rechtskräftige Verurteilung der Beschwerdeführer vom jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt nachgesehen.

Diesem Urteil sei (im Folgenden bei der Namensnennung geändert zitiert) zu Grunde gelegen:

"Die Beschwerdeführer wären schuldig, sie hätten A./ am in Hadersdorf und Krems, teils allein, teils

im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter

I. den Michael W., indem sie ihm Schläge gegen Gesicht und Körper sowie einen Schlag mit einer Bierflasche auf den Kopf versetzten, wodurch dieser eine Rissquetschwunde am Hinterkopf erlitt, wobei sie ein solches Mittel auf eine Weise verwendeten, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, am Körper verletzt:

II. versucht, Nachgenannten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) absichtlich zuzufügen und zwar

1.) Edin D., indem der Zweitbeschwerdeführer mit einem Holzstuhl auf Edin D. einschlug, sodass dieser zu Sturz kam und anschließend von den Beschwerdeführern und einem unbekannt gebliebenen Mittäter geschlagen und mit den Beinen getreten wurde, wodurch Edin D. eine Prellung und Abschürfungen am Schädel, eine Prellung des Brustkorbes und des linken Beines mit Abschürfungen erlitt;

2.) Der Erstbeschwerdeführer Edin D., indem er versuchte, diesen mit einem Messer in den Halsbereich zu stechen, wobei Edin D. auf Grund seiner Ausweichbewegung eine Schnittverletzung im Gesicht erlitt,

3.) Der Erstbeschwerdeführer den Matthias S., indem er zumindest sieben Mal mit einer Bierflasche auf dessen Kopf einschlug, wodurch Matthias S. eine Schnittwunde am linken Ohr und eine Rissquetschwunde am Hinterkopf erlitt;

III. Nachgenannte gefährlich mit dem Tode bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen und zwar

1.) Der Erstbeschwerdeführer den Ramiz H. durch die Äußerung 'Ich bringe dich um - ich ficke deine Mutter!', wobei er einen abgeschlagenen Flaschenhals gegen diesen richtete;

2.) Der Zweitbeschwerdeführer den Edin D. durch die gemeinsam mit dem Erstbeschwerdeführer und dem unbekannt gebliebenen Mittäter wiederholte Äußerung, sie würden ihn umbringen,

3.) Die Beschwerdeführer Matthias S. und Michael W. durch die vom Erstbeschwerdeführer wiederholte Äußerung, sie würden sie umbringen, wobei der Zweitbeschwerdeführer an den Erstbeschwerdeführer ein Messer übergeben hatte, welches dieser drohend vor Franz W., Michael W. und Matthias S. hin- und herbewegte;

B./ am am Kamp in 3493 Kammern versuchte unter Verletzung des Fischereirechtes des Herbert B. zu fischen."

Die Beschwerdeführer hätten dadurch das Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 (Abs. 2) Z. 1 StGB, das Vergehen (richtig: Verbrechen) der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den §§ 15, 87 Abs. 1 StGB, das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und das Vergehen des versuchten Eingriffes in fremdes Fischereirecht nach den §§ 15 und 137 StGB begangen.

Davor sei der Zweitbeschwerdeführer bereits mit rechtskräftigem Urteil vom nach den §§ 15, 127, 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden.

Hinsichtlich beider Beschwerdeführer erachtete die belangte Behörde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG als verwirklicht und die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme dadurch gerechtfertigt, dass die Beschwerdeführer eindeutig unter Beweis gestellt hätten, ein Gefährdungspotential für die körperliche Unversehrtheit und Gesundheit anderer Personen darzustellen; es sei zu befürchten, dass sie wiederum strafbare Handlungen setzen könnten. Weiters sehe sich die belangte Behörde außer Stande, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten der in die österreichische Gesellschaft in keiner Weise integrierten Beschwerdeführer zu üben.

§ 37 FrG könne nicht zu Gunsten der Beschwerdeführer veranschlagt werden. Diese seien zwar seit 1995 in Österreich aufhältig und es seien auch ihre Eltern seit dieser Zeit rechtmäßig im Bundesgebiet anwesend. Auf Grund der massiven Gewichtung des Unrechtsverhaltens und der damit skizzierten Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit lägen aber das "Dringend-geboten-Sein der Außerlandesschaffung" und die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG eindeutig auf der Hand. Angesichts der Gewichtung der strafbaren Handlungen sei ein Aufenthaltsverbot von unbefristeter Dauer gerechtfertigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen des tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde erwogen:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte, vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/21/0349).

Die Beschwerden treten den behördlichen Feststellungen nicht entgegen. Aus diesem Grund bestehen keine Bedenken, dass angesichts der rechtskräftigen Verurteilungen der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG, hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers auch der vierte Fall, verwirklicht sei. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass wegen ihres massiven Fehlverhaltens gegen die körperliche Integrität anderer Personen eine Gefährlichkeitsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG getroffen werden musste.

Dem Beschwerdevorbringen, das auf einen rechtmäßigen und beruflich integrierten Aufenthalt der Eltern der Beschwerdeführer sowie auf den längeren Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich Bezug nimmt, ist zu entnehmen, dass das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommenen Beurteilung bekämpft wird. Gemäß dieser Bestimmung darf ein Aufenthaltsverbot, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur erlassen werden, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist; weiters darf ein Aufenthaltsverbot jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

Die Beschwerdeführer treten der Darstellung der belangten Behörde nicht entgegen, wonach seit der Einreise nach Österreich der Erstbeschwerdeführer nur 20 Tage und der Zweitbeschwerdeführer nur 39 Tage eine legale Erwerbstätigkeit ausgeübt hätte. Da somit von einer beruflichen Integration keine Rede sein kann, die Beschwerdeführer erwachsen und somit auf die Gemeinschaft mit ihren Eltern nicht mehr angewiesen sind und weiters über keine sonstigen familiären Beziehungen im Inland verfügen, kann der Ansicht der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, dass ihre persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich hinter die genannten öffentlichen Interessen an der Verhinderung von solchen wie von den Beschwerdeführern begangenen strafbaren Handlungen zurückzutreten hätten. Die Schutzbestimmung des § 37 FrG steht somit den Aufenthaltsverboten nicht entgegen.

Es ist auch kein Umstand ersichtlich, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführer Gebrauch zu machen.

Der Beschwerdehinweis auf Gemeinschaftsrecht geht schon deswegen ins Leere, weil die Beschwerdeführer keinem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft angehören.

Soweit die Beschwerden darauf verweisen, es sei den Beschwerdeführern das Recht genommen worden, sich "selbst im Verfahren zu beteiligen", liegt zum einen eine Verletzung des von den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren in Anspruch genommenen Parteiengehörs nicht vor und werden zum anderen keine Tatsachen geltend gemacht, die vorzubringen den Beschwerdeführern verwehrt worden wäre. Entgegen der Beschwerdeansicht ist im fremdenrechtlichen Administrativverfahren die Durchführung einer Berufungsverhandlung nicht verpflichtend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/18/0211). Es trifft auch die Mängelrüge nicht zu, dass die belangte Behörde die Aufenthaltsverbote auf Verfehlungen gestützt hätte, die nicht den jeweiligen Beschwerdeführer, sondern dessen Bruder betroffen hätten. Die belangte Behörde zog nämlich aus den festgestellten strafbaren Handlungen die den jeweiligen Beschwerdeführer betreffenden Schlüsse.

Soweit in den Beschwerden die noch vor Erlassung der angefochtenen Bescheide erfolgten Abschiebungen und die Verweigerungen von Durchsetzungsaufschüben angesprochen werden, geht dieses Vorbringen ins Leere, weil die angefochtenen Bescheide weder über Abschiebungs- noch über Durchsetzungsaufschübe abgesprochen haben.

Da den angefochtenen Bescheiden somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am