VwGH vom 02.10.1996, 95/21/0144
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , Zl. FrB-4250/92, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom war gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 iVm § 4 des Fremdenpolizeigesetzes ein bis zum befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieses Aufenthaltsverbot hatte die belangte Behörde darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer am wegen versuchten Schmuggels und vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopoles im Sinne der §§ 13, 35 Abs. 1 und 44 Abs. 1 lit. c Finanzstrafgesetz sowie am nach § 35 Abs. 1 und teilweise auch nach § 44 Abs. 1 lit. c Finanzstrafgesetz bestraft worden war. Überdies hatte der Beschwerdeführer zwei Übertretungen nach § 16 (Abs. 1) iVm § 1 Abs. 1 des Kraftfahrliniengesetzes begangen, wofür über ihn je eine Geldstrafe von S 5.000,-- verhängt worden war. Vom Landesgericht Innsbruck war er schließlich mit Urteil vom wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB verurteilt worden. An persönlichen und familiären Verhältnissen hatte die belangte Behörde berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer seit 1971 in Vorarlberg aufhältig war und neben seinem Bruder auch seine Schwester, sein Schwager sowie deren Kinder in Vorarlberg lebten. Weiters hatte die belangte Behörde darauf Bedacht genommen, daß der Beschwerdeführer bei seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind wohnte und einer regelmäßigen Beschäftigung nachging.
Am beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG, weil dieses unter dem Gesichtspunkt des § 20 Abs. 2 FrG unzulässig sei. Der Beschwerdeführer habe zum Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" im Sinn der zitierten Bestimmung die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz erfüllt gehabt.
Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß maßgeblicher Sachverhalt für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 20 Abs. 2 FrG die zweimalige rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers nach dem Kraftfahrliniengesetz (es habe sich dabei um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen gehandelt) aus dem Jahr 1991 gewesen sei. Zuvor sei der Beschwerdeführer jedoch wegen mehrerer Finanzvergehen rechtskräftig bestraft sowie wegen des Deliktes der fahrlässigen Tötung gerichtlich verurteilt worden. Somit hätte dem Beschwerdeführer vor Verwirklichung dieses Sachverhaltes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz keinesfalls die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 26 Fremdengesetz ist das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein relevanter Eingriff i.S. des § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist. Ferner hat sie
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- | bejahendenfalls - zu beurteilen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen anderseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 93/18/0389, vom , Zl. 93/18/0633, vom , Zl. 94/18/0151, und vom , Zl. 93/18/0597). Bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl.das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/18/0540 u.a.). Anders verhält es sich bei Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes nach Änderung der Rechtslage. Eine solche kann nämlich den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 26 FrG darstellen. |
Der Beschwerdeführer stützt seinen Antrag auf die mit Inkrafttreten des Fremdengesetzes am , BGBl. Nr. 838/1992, neu eingeführte Bestimmung des § 20 Abs. 2 leg. cit., wonach ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden darf, "wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StBG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre auf § 18 Abs. 2 Z. 1 zu gründen, weil der Fremde wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden ist".
Es stellt sich demnach die Frage, ob angesichts dieser nachträglich in Kraft getretenen Bestimmung und der seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes verstrichenen Zeit dieses noch aufrecht erhalten werden darf. Das Aufenthaltsverbot darf
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- | anders gesagt - dann weiter aufrecht erhalten werden, wenn bei Berücksichtigung der im Vorbescheid herangezogenen Gründe (daß sich diese zugunsten des Beschwerdeführers geändert hätten, wird nicht geltend gemacht) § 20 Abs. 2 FrG seiner Erlassung nicht entgegenstünde. Dies ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers zu bejahen. |
Der Beschwerdeführer vertritt den Standpunkt, gemäß § 20 Abs. 2 FrG dürfe gegen solche Fremde ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, welche die in § 10 Abs. 1 StBG angeführten Verleihungsvoraussetzungen (irgendwann) erfüllt haben (nach Auffassung des Beschwerdeführers habe er bis zum Jahr 1987 in Einklang mit den österreichischen Rechtsnormen gelebt und angesichts seines Aufenthaltes seit 1971 jedenfalls danach die Verleihungsvoraussetzungen erfüllt), diesen Zeitpunkt aber für eine entsprechende Antragstellung ungenützt haben verstreichen lassen.
Diese Auffassung steht mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 20 Abs. 2 FrG nicht in Einklang. Nach dieser ist für die Beurteilung, ob die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StBG gegeben sind, im Falle eines verpönten Fehlverhaltens der Zeitpunkt vor diesem Einzelfehlverhalten maßgeblich; im Falle zweier Verurteilungen der Zeitpunkt der Rechtskraft der vorletzten dieser Verurteilungen. Bei Fremden, die die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StBG erfüllt haben, ist gemäß § 20 Abs. 2 FrG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes daher nur dann zulässig, wenn es bei Anwendung der §§ 18 bis 20 Abs. 1 FrG auch unter Außerachtlassung jener Umstände verhängt werden dürfte, die zum Wegfall der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StGB geführt haben. Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StBG bereits nach seiner Bestrafung wegen versuchten Schmuggels und vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopoles im Sinne der §§ 13, 35 Abs. 1 und 44 Abs. 1 lit. c Finanzstrafgesetz am nicht mehr erfüllt. Die danach gesetzten Verwaltungsübertretungen sowie die mitberücksichtigte nachträgliche gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers berechtigten die belangte Behörde zu der im § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (nunmehr § 18 Abs. 1 FrG) umschriebenen Annahme und sie durfte auch davon ausgehen, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers nach wie vor die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen beeinträchtige (§ 19 FrG). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom , Zl. 92/18/0477, ausgesprochen, daß er nicht finden könne, daß die belangte Behörde bei der Vornahme der nach § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz gebotenen Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer trotz der ausdrücklichen Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Berufungsbescheid vom neuerlich zwei schwerwiegende Verwaltungsübertretungen - die den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 erster Fall Fremdenpolizeigesetz (nunmehr § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG) erfüllen - begangen hat, kann selbst bei Außerachtlassung der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen versuchten Schmuggels und vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols am im gegebenen Fall die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Im übrigen hat der Beschwerdeführer eine Änderung der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Umstände zu seinen Gunsten nicht geltend gemacht; der seither verstrichene Zeitraum ist zu kurz, um allein davon ausgehend eine andere Entscheidung herbeiführen zu können.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Fundstelle(n):
JAAAE-45317